Hamburg. Junge Liberale fahren schweres Geschütz auf. Und die Nachwuchspolitiker haben sich sehr prominenten Beistandes versichert.
Der erbittert geführte Streit zwischen dem FDP-Landesvorstand um den Vorsitzenden Michael Kruse und vier Mitgliedern der Jungen Liberalen geht in die nächste Runde. Der Landesvorstand hatte am 14. April ein Parteiausschlussverfahren gegen die vier in Gang gesetzt und beschlossen, dass bis zu einer Entscheidung des Landesschiedsgerichts die Mitgliederrechte der Nachwuchspolitiker ruhen sollten.
Zwar entschied die Parteispitze schon vier Tage später, das Ausschlussverfahren auf Eis zu legen und den zweiten Beschluss zurückzunehmen, doch nun legen die vier Jungen Liberalen nach, indem sie schweres juristisches Geschütz auffahren. In einem 183 Seiten umfassenden Antrag (sowie 334 Seiten Anhang), der dem Abendblatt vorliegt, wird das Landesschiedsgericht aufgefordert festzustellen, dass der geplante Parteiausschluss und das Ruhenlassen der Mitgliedsrechte „formell und materiell rechtswidrig“ sei und die vier JuLis in ihren Rechten verletzt habe.
FDP Hamburg: Streit wegen Hotspot-Regelung hält an
Aus dem auch mit persönlichen Angriffen geführten Streit ist eine rechtliche Auseinandersetzung geworden. Und die Nachwuchspolitiker haben sich sehr prominenten Beistandes versichert: Rechtsvertreter der vier vor dem Schiedsgericht ist FDP-Urgestein und Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum.
Im Kern geht es darum, dass der Ex-JuLi-Landesvorsitzende Carl Cevin-Key Coste den (nicht umgesetzten) Plan Kruses, gegen die Hotspot-Regelung des Senats zu klagen, als „PR-Aktion“ und chancenlos bezeichnet hatte. Öffentlich kritisiert hatten die JuLis auch, dass der Landesparteitag ihrem Vorschlag nicht gefolgt war, die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine und ein Energie-Embargo gegen Russland zu fordern.
FDP Hamburg: JuLis sprechen von „politischer Säuberung“
Für heftige Empörung aufseiten der JuLis sorgte schließlich, dass der Landesvorstand Coste aufgrund seiner Kritik von seinem Posten als Sprecher für Inneres und Recht abberief. Kruse soll zudem die JuLi-Landesvorsitzende Theresa Bardenhewer zuvor massiv gedrängt haben, dass sich die JuLis von dem von ihnen für den Landesvorstand nominierten Coste distanzieren und ihn aus dem Gremium abberufen. In der Klage wird der Chatverlauf zwischen Kruse und Bardenhewer wiedergegeben. Kruse schrieb unter anderem, zu seiner Zeit wäre ein Mitglied, das sich wie Coste verhalten hätte, sofort „eingebremst“ worden.
Bardenhewer verbat sich die Einmischung in JuLi-Angelegenheiten. Der JuLi-Landesvize Nils Knoben sprach davon, die Parteispitze um Kruse betreibe eine „politische Säuberung“ und sprach von „inhaltlicher Gleichschaltung“ – Formulierungen, die er bald darauf zurücknahm und für die er um Entschuldigung bat. Gleichwohl: Die große Mehrheit des Landesvorstands wertete das Vorgehen der vier JuLis, zu denen auch Pressesprecherin Gloria Teichmann gehört, als parteischädigend. Teichmann hatte mehrere Pressemitteilungen der JuLis zu dem Streit versandt.
Formale Fehler in der Feststellungsklage
In der Feststellungsklage kommt Baum zu dem Ergebnis, dass der Vorstandsbeschluss formale Fehler aufweist, weil er zum Beispiel den JuLis nicht schriftlich zugestellt worden ist. Abgesehen von den Medienberichten erfuhren die JuLis von dem gegen sie gerichteten Verfahren offiziell nur durch den „Ostergruß“ des FDP-Präsidiums, der an alle Mitglieder verschickt wurde.
„Das Präsidium musste in dieser Woche schnell entscheiden, ob wiederholte Verstöße gegen die Grundsätze der Partei aufgeklärt und behandelt werden sollen, indem der Landesvorstand ein förmliches Verfahren einleitet“, heißt es in dem „Ostergruß“. Und weiter: „Werden einzelnen Mitgliedern der Partei oder Teilen der Parteigremien öffentlich und mehrfach wiederholt über Massenmedien ,Gleichschaltung‘, ,politische Säuberungsaktion‘, ,Erpressung‘ oder ,gezielte Ausgrenzung‘ und Gleichwertiges unterstellt ..., so sind diese Grundsätze verletzt.“ Wortwahl und Ausdrucksweise, „wie wir sie sonst nur von radikalen Parteien leider kennen“, sollten nicht toleriert werden. Es gelte den Anfängen zu wehren und klare Grenzen zu ziehen.
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Laut Baum-Schriftsatz ist ein Gruppenausschluss nicht mit der FDP-Bundessatzung vereinbar, die nur vom Ausschluss einzelner Mitglieder spricht. Außerdem sei nicht fristgerecht zu der Vorstandssitzung geladen worden, auf der das Ausschlussverfahren beschlossen wurde. Aus Baums Sicht sind die Grundsätze der FDP und die innerparteiliche Ordnung durch die Äußerungen der vier nicht verletzt. „Die Klage (gegen die Hotspot-Regelung, die Red.) wurde in offensichtlicher Unkenntnis des zugrundeliegenden Bürgerschaftsbeschlusses und der Verordnung, welche erst nach der Ankündigung veröffentlicht wurden, angekündigt. Eine solche Klage als PR-Aktion zu bezeichnen, ist nicht unzutreffend“, heißt es zum Beispiel im Antrag.
Coste: Kritik an Parteiführung müsse öffentlich möglich sein
„Das Verhalten des Landesvorstandes darf keine Blaupause im Umgang mit kritischen jungen Stimmen in den Parteien werden. Bei einer derartigen Verletzung unserer Mitgliedsrechte halte ich eine Klärung vor dem Schiedsgericht für notwendig“, sagte Coste dem Abendblatt. Kritik an der Parteiführung müsse auch öffentlich möglich sein, denn Demokratie finde nicht im Geheimen statt.
Kruse wollte sich nicht äußern. „Wir sind erschüttert, mit welch Aufwand und Hingabe die FDP Hamburg beschädigt werden soll. Das Vorgehen trägt die Handschrift eines Zerstörungswillens vor dem Hintergrund persönlichster Befindlichkeiten. Wir bedauern, dass unser Wunsch, miteinander zu sprechen, nicht angenommen wurde“, sagte Vizelandeschefin Sonja Jacobsen. Das klingt nach einer weiteren Eskalation.