Hamburg. Kultursenator Carsten Brosda will Veranstaltern „Spielräume“ ermöglichen. Empfehlungen wird es von der Kulturbehörde nicht geben.

Die Kulturschaffenden sind noch skeptisch, viele Frage noch offen. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) verteidigt die Möglichkeit, Veranstaltungen künftig ausschließlich für Geimpfte und Genesene anbieten zu können.

Sind Sie zufrieden mit der Einführung der 2G-Option in Hamburg?

Carsten Brosda Ich finde es richtig, dass wir eine Antwort auf eine Frage geben, die in letzter Zeit häufig gestellt wurde: Was dürfen Veranstalter mehr, wenn sie den Einlass auf Geimpfte und Genese beschränken? Insbesondere mit Blick auf die Live-Musik-Spielstätten schafft 2G jetzt deutlich mehr Möglichkeiten. In vielen Bereichen sind aber auch noch organisatorische Fragen zu klären.

Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Bei den Hamburger Kulturinstitutionen und Veranstaltern herrscht große Skepsis. Rechnen Sie damit, dass überhaupt jemand 2G einführt?

Ich glaube schon, dass der eine oder andere darüber nachdenkt. Wer Sorge hat, dass sich am Sonnabend alles umstellen und überall 2G herrschen könnte – ich glaube, diese Sorge kann man entspannt nehmen. Wir werden weiter viele Gespräche führen und wahrscheinlich auch sehr unterschiedliche Modelle erleben. Am spannendsten wird es in dem Bereich, in dem jetzt Dinge möglich werden, die unter 3G nicht möglich waren. Ein Musikclub könnte zum Beispiel unter 2G eine vollausgelastete Veranstaltung im Innenraum für bis zu 1300 Leute stehend anbieten, das war bislang undenkbar.

Wenn Sie von „sehr unterschiedlichen Modellen“ sprechen – erwarten Sie einen wilden Flickenteppich von hier 2G, dort 3G?

Die Möglichkeit besteht, weil wir als Stadt das nicht vorschreiben, sondern eine Option anbieten. Es ist sinnvoll, dass die Veranstalter das in Eigenregie entscheiden.

Wird dadurch nicht die Verantwortung, die Menschen zur Impfung zu bewegen, auf Veranstalter und Institutionen abgegeben?

Die Frage ist eine andere: Wenn ein Veranstalter Nicht-Geimpfte ausschließt, darf der Staat dann die gleichen Maßstäbe anlegen wie unter 3G? Besteht die Notwendigkeit eines Abstandsgebots, wenn nur Geimpfte und Genesene im Raum sind? Da haben erste Gerichte schon Antworten gegeben. Ich bin sehr dafür, dass sich jeder impfen lässt. ich werbe täglich dafür, weil das unser Weg aus dieser Pandemie ist: Jeder Geimpfte trägt aktiv dazu bei, dass wir wieder in ein beschränkungsfreies Kulturleben kommen. Aber die Frage darüber, wie wir das hinbekommen, kann ich nicht an die Theaterkasse oder die Kinokasse verlagern.

Können Sie nachvollziehen, dass Veranstalter und Theaterleiter wie zum Beispiel der Ohnsorg-Intendant Michael Lang offenbar trotzdem den Eindruck haben, mit der Option auf 2G werde die Verantwortung von der Stadt an die Veranstalter weitergereicht?

Eingeschränkt. Die Alternativen wären, die 2G-Option entweder gar nicht zu geben – oder wir hätten das 2G-Modell verpflichtend vorgeschrieben...

...wie Sie 3G ja vorher auch verpflichtend vorgeschrieben haben.

Es geht immer um das mildere Mittel. Daher sind wir zum jetzigen Stand der Pandemie gehalten, eine Option zu öffnen, und nicht etwas auszuschließen. Das kann sich ändern, wenn die Infektionslage sich deutlich ändert. Wir als Kulturbehörde schreiben jedenfalls nicht 2G oder 3G vor und werden auch an unserer Förderung nichts ändern. Die pandemiebedingten Ausfälle werden wir selbstverständlich auch dann weiter ausgleichen, wenn ein Haus bei 3G bleibt.

Und bei 2G?

Auch. Es ist aber komplex, das Problem bei 2G liegt eher in den Bundeshilfen. Dort sind im Sonderfonds für Kulturveranstaltungen die wirtschaftlichen Auswirkungen aufgrund der Kapazitätsbeschränkungen betrachtet worden, nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen aufgrund einer Verengung des ansprechbaren Publikums. Diese Diskussion führen wir jetzt – mit dem Ziel, dass das angepasst wird. Die Gesamtförderkulisse ist derzeit für 3G gesicherter als für 2G.

Möglicherweise ein Grund mehr für Veranstalter, bei 3G zu bleiben?

Es gibt einige, für die hat es Plausibilität, andere, für die hat es keine. Auch deshalb ist eine echte Wahlmöglichkeit wichtig.

Video: So funktioniert das neue 2G-Modell

Wie funktioniert 2G: Wenn in einem Raum alle geimpft sein müssen, betrifft das das Publikum, aber auch den Kartenabreißer und die Schauspielerin auf der Bühne. Richtig?

Ja.

Darf der Arbeitgeber, um zu wissen, ob Kartenabreißer und Schauspielerin geimpft sind, den Impfstatus abfragen?

Ich bin ja kein Jurist, aber er hat wahrscheinlich keinen Rechtsanspruch auf eine Auskunft.

Wie kann er dann 2G umsetzen?

Indem er freiwillige Auskünfte einholt. Aber das ist an vielen Stellen juristisches Neuland, das wird jetzt schnell geklärt werden müssen.

Empfehlen Sie als Kulturbehörde den Impfstatus in Künstlerverträge zu schreiben, wie es vereinzelt offenbar schon vorkommt?

Wir empfehlen gar nichts. Aber wenn ein Veranstalter 2G machen möchte, muss er den Impfstatus erfragen. Mir ist wichtig, dass Spielräume da sind. Für die Frage, was auf der Bühne möglich ist, ist das Erfragen des Impfstatus ja bisweilen durchaus jetzt bereits relevant. Wenn auf der Bühne alle 2G sind, dann sind, wie mir eine Betriebsärztin sagte, die 3K wieder möglich: Kuscheln, Kämpfen, Küssen. Die Diskussion läuft da längst – aber es gab und gibt außerhalb von 2G arbeitsschutzrechtliche Alternativen für die Bühnen, z.B. über PCR-Teststrategien. Wichtig ist, dass derjenige, der ein Ticket erwirbt, weiß, unter welchen Voraussetzungen die Veranstaltung stattfindet.

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Was macht ein Veranstalter, der 2G prinzipiell will, aber schon lange im Voraus Karten verkauft hat? Wie läuft es für Abonnenten?

Theoretisch kann es rechtlich so funktionieren, dass der Veranstalter den Ticketkaufpreis rückerstatten kann. Keine sehr realistische Option, ich weiß. Aber man kann jetzt Dinge planen, die man vorher nicht planen konnte. Theoretisch ist es auch möglich, dass man als Institution nicht alle Veranstaltungen nach dem 2G-Prinzip anbietet. Ich kann mir vorstellen, dass da manches ausprobiert wird.

Ab Sonnabend gilt die 2G-Option – für wann rechnen Sie damit, dass in Hamburg das erste Mal ein Kulturveranstalter, eine Kulturinstitution sich für 2G entscheiden wird?

Dass wir das in den nächsten Wochen erleben werden, glaube ich schon. Dass wir das in der Kultur allerdings schon am Sonnabend erleben werden, glaube ich nicht.