Hamburg. Zwei Aussteiger und ein Hamburger Journalist zeigen die Radikalisierung der AfD. Auch Hamburger Parteimitglieder spielen eine Rolle.

Am Donnerstagabend berichtete das ARD-Magazin „Kontraste“ über zwei junge AfD-Aussteiger aus Nordrhein-Westfalen, die gerade zu Kronzeugen gegen ihre Partei werden. Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik haben das Buch „Im Bann der AfD. Chats, Worte, Taten“ veröffentlicht. Sie sind heute 29 und 21 Jahre alt.

Hinter dem Enthüllungsbuch steckt ein Hamburger: Der Journalist Wigbert Löer hat viele Jahre als investigativer Reporter für den „Stern“ gearbeitet und für das Magazin vom Baumwall auch in der AfD recherchiert. Er hat das Buch mit den Aussteigern konzipiert und geschrieben.

Hamburger AfD-Politiker vom Verfassungsschutz zitiert

Löer hat als Co-Autor bereits mehrere Sachbücher veröffentlicht, etwa (gemeinsam mit Rainer Schäfer) über den früheren St.-Pauli-Fußballprofi René Schnitzler, der sich mit der Wettmafia einließ. Für „Im Bann der AfD“ konnten Löer und die beiden Ex-AfD-Funktionäre viele schriftliche Quellen auswerten. Darunter sind Dokumente des AfD-Bundesvorstandes und auch der AfD-Arbeitsgruppe Verfassungsschutz.

Buchcover Im Bann der AfD.jpe
© Europa Verlag

Dort zählte Autor Alexander Leschik noch in diesem Jahr zu einer kleinen Einheit, die AfD-Anwälten zuarbeitete. Die AfD möchte vom Bundesamt für Verfassungsschutz nicht als „Verdachtsfall“ geführt werden und wehrt sich juristisch. Ein 1000-seitiges Gutachten, aus dem die Buchautoren zitieren, zeigt verfassungsfeindliche Tendenzen der rechten Partei. Die Verfassungsschützer zitieren darin nach Informationen des Abendblatts auch Aussagen des Hamburger Nachwuchspolitikers Tomasz Froehlich und des AfD-Kreisverbands Hamburg-Wandsbek.

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Das Kernstück der dem Buch zugrunde liegenden Recherche sind ganz offensichtlich Chats. Auf Telegram, Facebook und WhatsApp offenbaren die AfD-Leute, wie sie denken. Das Buch zitiert etliche menschenverachtende und rassistische Posts. Mal schreibt jemand im NS-Duktus vom „Finanzjudentum“, mal fordert einer: „Stoppt Tierversuche. Nehmt Flüchtlinge.“ Ein Mitglied erklärt die Strategie: „Wir müssen Hass schüren!“

AfD: Eine Partei, die Krzysztof Walczak zu den Gemäßigten zählt

Nicolai Boudaghi trat der AfD unmittelbar nach ihrer Gründung bei - im vergangenen Jahr verließ er die Partei.
Nicolai Boudaghi trat der AfD unmittelbar nach ihrer Gründung bei - im vergangenen Jahr verließ er die Partei. © Europa Verlag

Eine WhatsApp-Gruppe ist nach Krzysztof Walczak benannt, heute Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Hamburger Rathaus. 2018 besprechen hier Leschik, Boudaghi, Walczak und ein paar weitere Gemäßigte, wie die Gemäßigten im Bundesvorstand der AfD-Jugend gegen den Höcke-Flügel bestehen können. Das gelingt am Ende nicht, Boudaghi und Leschik geben auf, die Extremen gewinnen.

Dies ist auch ihre Analyse für die AfD im Jahr 2021: Nichts gehe mehr in der Partei ohne den Höcke-Flügel. Das Lager der Moderaten steht ihrer Einschätzung nach völlig ermattet da. Manche Mandatsträger dürften nach der Bundestagswahl demnach die rechte Partei verlassen.

"Im Bann der AfD" ist im Europa Verlag erschienen und kostet 18 Euro.