Hamburg. Bürgerschaft verabschiedet den Haushalt für 2021 und 2022. Intensive Debatten um den Sozial- und den Justizetat.
Einbrüche der Steuereinnahmen von historischen Ausmaßen, eine Wahl, die die politischen Kräfteverhältnisse und die Zuschnitte der Behörde stark verändert hat, und dazu völlig neue Herausforderungen infolge einer Pandemie: Selten zuvor ist ein Hamburger Haushalt unter derart schwierigen Bedingungen aufgestellt worden – und daher auch mit so viel Verspätung.
Bevor der Etat für die Jahre 2021 und 2022 am Donnerstagabend um 19.55 Uhr von der rot-grünen Mehrheit in der Bürgerschaft verabschiedet wurde, stand daher vor allem eine Behörde im Mittelpunkt, die am stärksten von der Corona-Pandemie durchgeschüttelt wurde: die Sozialbehörde.
Hamburger Haushalt: Sozialbehörde im Mittelpunkt der Debatten
Deren Senatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte im Zuge der Koalitionsverhandlungen im Sommer 2020 auch die bis dahin eigenständige Gesundheitsbehörde mit übernommen und als erstes eine radikale Kürzung durchgesetzt: Statt den bisherigen Namen „Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration“ um ein weiteres Nomen zu erweitern, kürzte sie ihn maximal ab – seitdem heißt ihr Haus wieder kurz und knapp „Sozialbehörde“.
Doch leider spart das nur ein paar Euro Druckerschwärze. Daher bot der Riesen-Etat, der mit einem Volumen von mehr als 4,3 Milliarden Euro den anderen Behörden noch weiter enteilt ist als zuvor, noch reichlich Gesprächsstoff. Im Mittelpunkt standen dabei die Fragen, inwiefern der rot-grüne Senat die Pandemie erfolgreich bekämpft hat und ob er ausreichend vorbereitet ist auf das, was noch kommen könnte.
Linkspartei: "Senat spart Gesundheitsämter kaputt"
Die Linkspartei stellte beides in Abrede: „Wer erwartet hatte, dass Rot-Grün die richtigen Lehren aus der Pandemie zieht und kräftig in den öffentlichen Gesundheitsdienst investiert, sieht sich bitter enttäuscht“, sagte ihr Abgeordneter Deniz Celik.
Der „eklatante Personalmangel“ in den Krankenhäusern habe sogar zusätzliche Corona-Todesfälle zur Folge gehabt. Auf Nachfrage von Richard Seelmaecker (CDU), ob er das belegen könne, räumte Celik ein, dass es nur allgemeine „Studien“ zu dem Zusammenhang von Personalausstattung und erfolgreicher Behandlung gebe.
Linke fordert mehr Gesundheitsversorgung in benachteiligten Stadtteilen
Auch die Gesundheitsämter habe der Senat „kaputtgespart“, und den Zusammenhang von sozialen Faktoren und den Corona-Infektionszahlen zu lange ignoriert, kritisierte Celik: „Es war auch schon vor der Pandemie bekannt, dass Armut krank macht.“ Seine Fraktion forderte daher gefordert, die Gesundheitsversorgung in den benachteiligten Stadtteilen stärker zu fördern.
Senatorin Leonhard hob hingegen hervor, welch bedeutende Rolle Hamburg für die Gesundheitsversorgung im Norden spiele und dass es gelungen sei, im Zuge der Pandemie auch den öffentlichen Gesundheitsdienst – das sind vor allem die Gesundheitsämter in den Bezirken – so aufzustellen, dass er wieder ein wichtigere Rolle einnehmen kann.
Allerdings räumte auch sie ein, dass diese insgesamt sehr gute Versorgung „immer weniger für alle Menschen in der Stadt gleichermaßen erreichbar ist“ – sei es, weil niedergelassene Ärzte keine Nachfolger finden, sei es, weil zugewanderte Menschen mit unserem Gesundheitssystem nicht vertraut sind und daher lieber gleich ein Krankenhaus aufsuchen, wenn sie sich nur unwohl fühlten. Daher komme dem öffentlichen Gesundheitsdienst, den Gesundheitszentren und Projekten wie den Gesundheitskiosken oder der Poliklinik auf der Veddel künftig eine zentralere Rolle zu, so Leonhard. Insgesamt wolle der Senat „Gesundheits- und Sozialpolitik noch stärker als zuvor in Deckung bringen“.
CDU übt massive Kritik am Justiz-Etat
Ebenso wie die AfD kritisierte auch CDU-Gesundheitspolitker Stephan Gamm, dass Rot-Grün mitten in der Pandemie die eigenständige Gesundheitsbehörde „auf dem Altar der Koalition“ geopfert habe. Auch die Digitalisierung habe zu spät Einzug gehalten: „Mit Faxgeräten in den Kampf gegen eine Pandemie zu ziehen hat uns Lehrgeld gekostet“, so Gamm. Für die Zukunft müsse der Senat sich noch stärker mit möglichen Corona-Langzeitfolgen wie psychischen Problemen, Drogensucht oder dem Post-Covid-Syndrom befassen, so Gamm: „75.000 Hamburgerinnen und Hamburger waren infiziert und könnten davon betroffen sein.“
Gudrun Schittek (Grüne) verwies darauf, dass die Krankenhausinvestitionen mit mehr als 135 Millionen Euro jährlich einen neuen Höchststand erreichen werden: „Die Pandemie hat uns allen deutlich vor Augen geführt, dass die Kapazitätsgrenzen im Gesundheitssystem schnell erreicht sein können. Deshalb ist die weitere Steigerung der Krankenhausinvestitionen ein so wichtiges Signal.“
In der Debatte über die Familienpolitik formulierte die Linken-Politikerin Insa Tietjen die deutlichste Kritik: „Die offene Kinder- und Jugendarbeit ist weiten Teilen schlicht unterfinanziert. Die Einrichtungen waren schon vor der Pandemie schlecht ausgestattet.“ Wenn man die 900.000 Euro, die Rot-Grün jetzt einmalig zusätzlich in den Bereich geben wolle, auf die sieben Bezirke verteile, sei das „nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die Linke forderte außerdem 20 zusätzliche Straßensozialarbeiter und ein kostenloses Kita-Frühstück für alle Kinder.
CDU fordert zusätzliche Ausgaben für Kinder- und Jugendarbeit
„Das Geld reicht nicht aus! Kinder und Familien müssen in den Fokus von Rot-Grün rücken“, sagte auch Silke Seif (CDU). Ihre Fraktion forderte für die offene Kinder- und Jugendarbeit zusätzliche Ausgaben in Höhe von 300.000 Euro. Im Übrigen habe es seit 2013 deutliche Einschnitte gegeben.
Uwe Lohmann (SPD) wies auf die Arbeit der Eltern-Kind-Zentren hin, die Väter und Mütter ansprechen sollen, die ihre Kinder bislang noch nicht in einer Kita angemeldet haben. Rot-Grün will drei weitere Zentren in schwierigen Stadtteilen einrichten. „Noch nie haben so viele Kinder so früh und so lange von frühkindlicher Bildung profitiert wie heute“, lobte Lohmann die Arbeit von Behörde und Kitas.
„Die Pandemie hinterlässt Spuren und zeigt neue Bedarfslagen auf. Der neue Haushaltsplan reagiert darauf“, sagte Britta Herrmann (Grüne). Besonders intensiv seien die Investitionen in den Kita-Ausbau. „Mit 46,7 Prozent liegt die Quote des Krippenbesuchs deutlich über dem Bundesschnitt von 35 Prozent“, sagte Herrmann.
Mit massiven Vorwürfen startete anschließend der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker in die Debatte des Justizhaushalts. „Hier gibt es drastische Einsparungen im Personalbereich. Den dringend nötigen Personalaufbau der vergangenen Jahre reißt Rot-Grün jetzt wieder ein“, sagte Seelmaecker. Seit 2015 sind 260 zusätzliche Stellen in der Justiz geschaffen worden.
Im laufenden Jahr sollen aber 12,4 Millionen Euro, im folgenden Jahr 21 Millionen Euro im Personalbereich eingespart werden. „Dazu kommen noch die nicht ausfinanzierten Tarifsteigerungen. Das lässt nur einen Schluss zu: Die Grünen haben für die Justiz keine Wertschätzung“, sagte der CDU-Politiker in Richtung von Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne).
Senat hält am Stellenaufbau in der Justiz fest
„Wir investieren weiter kräftig in den Rechtsstaat. Wir sichern den Bestand“, versuchte Urs Tabbert (SPD) gegenzuhalten. Aber auch er sprach von einer schwierigen Situation, dennoch gebe es Planungssicherheit. Im Übrigen seien aktuell 28 zusätzliche, allerdings befristete Stellen im Bereich der Justiz für die Ermittlungen in den sogenannten Enchrochat-Verfahren bewilligt worden.
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„Der Senat hält am Stellenaufbau in der Justiz seit 2015, dem größten Stellenzuwachs der vergangenen 20 Jahre, fest und setzt die Ausbildungsoffensive fort. Wir stehen zu unserem Rechtsstaat und für unsere Demokratie ein“, sagte Gallina, die sich für eine Fortsetzung des Paktes für den Rechtsstaat auf Bundesebene einsetzt und sich auf diesem Weg finanzielle Unterstützung erhofft. Der Haushalt der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz umfasst 2021 Ausgaben in Höhe von 659 Millionen Euro – eine Steigerung von rund sieben Prozent gegenüber 2020.