Hamburg. Beim Landesparteitag wird Katja Suding emotional. Das Rennen um ihre Nachfolge ist nun entschieden: Michael Kruse wird Vorsitzender.

Am Ende ihrer letzten Rede als Landesvorsitzende versagt Katja Suding fast die Stimme, Tränen schießen ihr in die Augen. Sie habe in der FDP „tiefste menschliche Abgründe, größte Enttäuschungen, aber auch grandiose Erfolgserlebnisse, tiefe Freundschaften und große Menschlichkeit“ erlebt, erklärte die 45-Jährige, die fast sieben Jahre lang die Hamburger FDP geführt hat.

Dass ihre Partei bei der Bürgerschaftswahl Anfang 2020 an der Fünf-prozenthürde scheiterte und den Wiedereinzug als Fraktion in das Parlament verpasste, sei nicht der Grund für ihren Abschied, beteuerte die Bundestagsabgeordnete, die schon vor sieben Monaten angekündigt hatte, nach der Bundestagswahl im September aus der aktiven Politik auszuscheiden. „Ich gehe, weil ich noch andere Pläne für mein Leben habe“, sagte Suding am Sonntag während eines hybriden Landesparteitags, dem sie online zugeschaltet wurde.

Sie wünsche ihren Nachfolgern im Bundestag und im Landesverband, dass diese ihre Energie nicht bei innerparteilichen Auseinandersetzungen vergeudeten. Die FDP müsse „Herz und Empathie“ zeigen, um Wähler zu überzeugen.

Michael Kruse führt Hamburger FDP

Bei dem überwiegend online durchgeführten Parteitag der Hamburger FDP zeigte der Landesverband nach Sudings Rede ein Video mit vielen Szenen aus ihrer politischen Karriere, darunter ein Wahlplakat aus dem Jahr 2014 mit dem Slogan: „Katja Suding – Unser Mann für Hamburg“. 

Nun führt den Landesverband tatsächlich wieder ein Mann: In einer Kampfabstimmung um Sudings Nachfolge setzte sich am Sonntagnachmittag Michael Kruse, früherer Co-Chef der FDP-Bürgerschaftsfraktion, mit 207 von 339 Stimmen (rund 61 Prozent) gegen Daniel Oetzel durch, den früheren stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion,  für den 127 Mitglieder stimmten (37,5 Prozent). Es gab zwei Enthaltungen und drei Neinstimmen.

Michael Kruse ist neuer Chef der Hamburger FDP.
Michael Kruse ist neuer Chef der Hamburger FDP. © HA | Roland Magunia

Kruse war am Sonnabend bereits zum Spitzenkandidaten der Hamburger FDP für die Bundestagswahl im September gewählt worden – allerdings erst in einer Stichwahl gegen Juli-Landeschef Carl Cevin-Key Coste, die Kruse mit 272 von 412 Stimmen (rund 66 Prozent) für sich entschied. Abstand von seiner Bewerbung um den Landesvorsitz nahm der Bundestagsabgeordnete und Zahnarzt Wieland Schinnenburg (62), nachdem er erst im Rennen um die Spitzenkandidatur das Nachsehen hatte und dann auch den Kampf um Platz zwei gegen die Juristin und frühere Juli-Vorsitzende Ria Schröder (29) verlor.

Michael Kruse, Co-Geschäftsführer einer Firma, die Pharmafirmen mit statistischen Auswertungen unterstützt, warb um Zustimmung mit den Argumenten, er habe gute Kontakte in die hamburgische Wirtschaft und könne die FDP gut in der Öffentlichkeit repräsentieren. Der 37-Jährige betonte,  Landesvorsitz und Spitzenkandidatur gehörten in eine Hand; er erwarte „Synergien“ aus der Verbindung von Amt und Mandat.

Oetzel: „Marathon zurück ins Rathaus“

Einige FDP-Mitglieder haben daran offenbar Zweifel: Mehrfach musste Kruse am Sonntag auf Fragen reagieren, wie er eine Arbeit als Bundestagsabgeordneter mit einem Posten als FDP-Landeschef und seiner Unternehmertätigkeit unter einen Hut bringen wolle. Er habe den Rückhalt seiner Partnerin und seines Geschäftspartners, sagte Kruse. Er traue sich all diese Aufgaben zu.

Sein Konkurrent Daniel Oetzel gratulierte Kruse zur Spitzenkandidatur, nahm dann aber die Gegenposition ein. „So wichtig wie der vor uns liegende Bundestagswahlkampf ist – sobald dieser Sprint vorbei ist, braucht die FDP Hamburg einen Landesvorsitzenden, der nicht in Berlin gebunden ist, sondern den Kopf frei hat für unseren Marathon zurück ins Hamburger Rathaus“, sagte der 33 Jahre alte Lehrer. Er stehe „mit beiden Beinen in dieser Stadt“.

Oetzel musste nach seiner Rede die Frage beantworten, wie er seine Arbeit als Lehrer mit dem Amt eines Landeschefs vereinbaren wolle. Auch er antwortete, er traue sich das zu. Doch am Ende musste Oetzel sich Michael Kruse geschlagen geben.

FDP Hamburg will in den Senat

„Der neue Landesvorstand wird eine Leistungssteigerung herbeiführen müssen – und er muss es schnell tun, denn die Feuerprobe besteht eben schon in diesem Herbst“, sagte Kruse.  Er wolle dafür kämpfen, dass die FDP bei der Bundestagswahl mindestens ihre zwei Hamburger Mandate halte. Ziel für die Bürgerschaftswahl 2025 müsse ein so starkes Ergebnis sein, dass dieses zu einer Senatsbeteiligung führen könne.

Gegenwind bekam Anna von Treuenfels-Frowein (58), derzeit FDP-Einzelkämpferin in der Bürgerschaft und davor neben Kruse Chefin der Fraktion. Sie hatte sich um Platz zwei auf der Liste zur Bundestagswahl beworben.

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„Was treibt Sie oder beflügelt Sie, Ihre Position in Hamburg aufzugeben und nach Berlin zu gehen, obwohl Sie in einer ganz dramatischen Bürgerschaftswahl die Einzige waren, die die Position durch Blankenese erhalten konnte?“, fragte ein Parteimitglied und  rief: „Das fügt uns einen Schaden zu!“ Treuenfels-Frowein entgegnete, gerade weil sie in der Bürgerschaft und medial eine „gute Präsenz“ erreicht habe, wolle sie diese nutzen, damit die FDP einen starken Bundestagswahlkampf führen könne. Platz zwei der Liste blieb ihr allerdings versagt.

Suding kritisiert Corona-Politik vom Bund

Die scheidende Katja Suding kritisierte die Corona-Politik der Großen Koalition in Berlin. Es sei „unerträglich“, wie sehr die Grundrechte etwa durch Ausgangsbeschränkungen eingeschränkt würden. Deshalb klage sie mit anderen Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion gegen die Bundes-Notbremse.