Hamburg. Politisch wahrnehmbar ist der SPD-Regierungspartner bei der Bekämpfung der Pandemie kaum – ganz anders als Peter Tschentscher.

Die politische Schlacht war geschlagen: Die Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten sich nach siebenstündigem Ringen am Mittwochabend auf eine Verlängerung des teilweisen Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit weiteren Verschärfungen und nur leichten Lockerungen über Weihnachten und Silvester geeinigt. Da meldete sich Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank von den Grünen um 21.36 Uhr per Pressemitteilung zu Wort.

„Wir haben es vorerst geschafft, die Welle zu brechen. Die letzten Wochen der Einschränkungen, des Verzichts und der Disziplin haben sich gelohnt, weil wir den steilen Anstieg der Infektionskurve stoppen konnten. Wir können aber noch nicht zufrieden sein. Erst wenn die Infektionszahlen wieder beherrschbar sind und jeder Kontakt wieder nachverfolgt werden kann, sind wir vorerst über den Berg. Bis dahin müssen wir uns aber noch mehr einschränken und Kontakte weiter konsequent reduzieren“, schrieb die Grünen-Politikerin.

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Und warnend fügte Fegebank hinzu: „Die Regelungen, die die Ministerpräsidentenkonferenz heute für die Feiertage beschlossen hat, bedeuten für uns alle Vorsicht, Verantwortung und Freiheit zugleich. Die Freiheit, unsere Lieben zu treffen, sie zu beschenken und unsere tiefsten menschlichen Bedürfnisse nach Nähe zu befriedigen. Gleichzeitig tragen wir aber auch eine Verantwortung, dass wir dabei achtsam sind und uns an die Regeln halten. Wenn wir gemeinsam durchhalten, dann können wir diesen Corona-Winter gut überstehen.“

Das war gut gemeint, doch es fand kaum Widerhall in den Medien. Kurz zuvor, um 21.25 Uhr hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in einem Videostatement die Beschlüsse und ihre Auswirkungen auf Hamburg erläutert und stand damit im Mittelpunkt des Interesses. Einmal mehr blieb dem SPD-Regierungspartner nur eine Nebenrolle in der Corona-Krise.

Die SPD-Senatoren betreiben das Krisenmanagement

Seit Beginn der Pandemie sind es die Sozialdemokraten im Senat, die – jedenfalls öffentlich sichtbar – das Krisenmanagement betreiben. Allen voran Tschen­tscher, der über die regelmäßigen Runden der Ministerpräsidenten auch bundesweit Bekanntheit und Renommee erlangt hat. Fachlich zuständig für die Pandemie ist in erster Linie Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD), seit Juni Nachfolgerin von Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Für die Umsetzung der Maßnahmen in einem zentralen Bereich sowie deren Einhaltung insgesamt sind Schulsenator Ties Rabe (SPD) und Innensenator Andy Grote (SPD) verantwortlich – stehen aber auch häufig in der Kritik.

Dennoch: Politisch wahrnehmbar sind die Grünen bei der Bekämpfung der Pandemie kaum. Häufig bleibt ihnen nur, im Nachhinein für gut zu befinden, was Sozialdemokraten vorher schon verkündet haben, wie das Beispiel Fegebank zeigt. Dabei entspricht es nicht dem Selbstverständnis der Grünen als Regierungspartei und schon gar nicht dem gewachsenen Selbstbewusstsein aufgrund des 24,2-Prozent-Wahlerfolgs, als Mitläufer und Mitläuferinnen zu gelten.

Die neuen Corona-Maßnahmen ab 1. Dezember für Hamburg:

  • Private Zusammenkünfte werden auf höchstens fünf Personen und höchstens zwei Hausstände begrenzt (ausgenommen Kinder bis 14 Jahre)
  • Läden mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche: Zulässige Personenzahl liegt bei einer Person pro 20 Quadratmetern
  • Läden mit weniger als 800 Quadratmetern: Zulässige Personenzahl bei einer Person pro zehn Quadratmetern
  • Maskenpflicht in allen öffentlich zugänglichen geschlossenen Räumen und in einem Abstand von zehn Metern vor Eingängen von Geschäften sowie auf zugehörigen Außenflächen und Parkplätzen
  • Maskenpflicht am Arbeitsplatz, wenn der Abstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann oder kein dauerhafter Steh- und Sitzplatz eingenommen wird
  • Maskenpflicht auf engen Straßen und Plätzen in ganz Deutschland (gilt bereits in Hamburg)
  • Hochschulen sollen Lehre grundsätzlich digital durchführen
  • Kindergeburtstage dürfen im kleinen Rahmen mit Kindern bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres mit insgesamt bis zu zehn Personen durchgeführt werden
  • alle übrigen im November beschlossenen Maßnahmen (wie etwa die Schließung gastronomischer Betriebe oder Fitnessstudios) hat weiterhin Bestand

Es gibt keinen grundsätzlichen Dissens zwischen SPD und Grünen, was die Strategie zur Bekämpfung der Pandemie angeht, und die Grünen haben alle Entscheidungen der vergangenen Monate mitgetragen. Dennoch will die Partei eine aktivere Rolle bei der politischen Schwerpunktsetzung dieses Top-Themas spielen, wenn sie schon keine „Corona-Behörden“ führt. Das ist nicht zuletzt der Wunsch der 33-köpfigen Bürgerschaftsfraktion.

Zur Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz mit Merkel am Mittwoch hatten die Grünen nun erstmals ein eigenes Strategiepapier mit dem Titel „Effektive Eindämmung der Corona-Pandemie in Hamburg und Maßnahmen zur Akzeptanz-Förderung in der Bevölkerung“ der SPD präsentiert. Unterzeichnet ist es mit „Grüne Senatsmitglieder und Grüne-Regierungsfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft“. Darüber hinaus wurden die Thesen auch mit den Grünen-Fraktionen anderer Bundesländer abgestimmt, etwa mit der im Berliner Abgeordnetenhaus.

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Unter anderem auf einer Sondersitzung der Grünen-Fraktion mit Tschen­tscher am vergangenen Sonntag waren die in dem Papier enthaltenen Vorschläge Thema. Und einiges hat auch Eingang gefunden in die Hamburger Position, die Tschentscher dann in der Videokonferenz vorgetragen hat.

Bei den Kontaktbeschränkungen liegen die Grünen auf SPD-Linie: Das gilt für die aktuelle Fünf-Personen-Regel wie die Erweiterung auf zehn Personen für private Treffen für die „Feiertage mit hoher sozialer Relevanz wie Weihnachten und Silvester“, wie es in dem Grünen- Papier heißt. Ob die erweiterten Besuchsregeln auch für das jüdische Chanukka-Fest gelten, das bereits am 10. Dezember beginnt, soll auf Wunsch der Grünen „sensibel“ geprüft werden.

Die Juniorpartner in der Koalition drängten auch auf eine Ausweitung der Verbotszonen für Feuerwerke in der Silvesternacht. Dazu wird es nun auch über die Binnenalster und den Jungfernstieg hinaus kommen. Eine „Verpflichtung für Arbeitgeber, Homeoffice, soweit es geht und wo realisierbar, zu ermöglichen“, wie es in dem Grünen-Papier heißt, wird es dagegen nicht geben. Hier soll es bei einer Empfehlung bleiben.

Die Grünen sind für mehr Hybrid- und Wechselunterricht

Besonderes Augenmerk legen die Grünen auf die Situation an den Schulen. Zwar bekennen sich die Autoren dazu, den Präsenzunterricht „aus sozialen und ökonomischen Gesichtspunkten so lange wie möglich“ aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sollten sich die Schulen aber auf eine mögliche Rückkehr zum Hybridunterricht gut vorbereiten.

Nach Ansicht der Grünen können Oberstufen- und Berufsschüler den Lernstoff im Fernunterricht gut bewältigen. „Deshalb ist der Wechsel vom Präsenzunterricht in den Hybridunterricht auch bei Inzidenzen von deutlich unter 200 angezeigt“, heißt es weiter. Das ist insofern pikant, als es bislang nicht die Linie des Schulsenators wie auch des gesamten Senats ist.

Allerdings hat Rabe am Freitag angekündigt, dass rund 20 Stadtteilschulen und Gymnasien „mit höheren Infektionszahlen“ für maximal sechs Wochen Wechsel- oder Hybridunterricht einführen können, um die Infektionszahlen zu senken. Dies soll von Klassenstufe acht an möglich sein. Auch die Grünen hatten in ihrem Papier geschrieben, dass Mittelstufenschüler „gerade in den höheren Jahrgängen“ Lernstoff in Form des Wechselunterrichts gut bewältigen können. Die Grünen dürften also mit dieser Regelung, über deren Anwendung und Ausmaß die Schulgemeinschaften selbst entscheiden sollen, sehr zufrieden sein.

In dem Grünen-Papier steht noch ein weiterer Punkt, den Rabe bislang stets abgelehnt hat. Nach Ansicht des SPD-Regierungspartners sollten die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 12. Oktober für die Pandemiebekämpfung an Schulen „erneut geprüft“ werden. Dazu zählt ausdrücklich die Maskenpflicht für Grundschüler im Unterricht bereits von einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an, der lange überschritten ist. Dennoch gilt eine Maskenpflicht im Unterricht in Hamburg erst von der fünften Klasse an.

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Bleibt ein weiterer Dissens, den die Koalitionspartner bis zur Bürgerschaftssitzung am 16. Dezember ausräumen müssen. Die Grünen sympathisieren mit einer verbindlichen Beteiligung der Bürgerschaft an den Entscheidungen über Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, die der Senat in Form von Rechtsverordnungen erlässt. Die SPD will es eher bei einer formalisierten Berichtspflicht des Senats belassen.

In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch waren die unterschiedlichen Sichtweisen der beiden Fraktionschefs Dirk Kienscherf (SPD) und Jasmin Jasberg (Grüne) auch emotional überraschend deutlich sichtbar geworden. Während der SPD-Mann einen CDU-Antrag zur Stärkung parlamentarischer Rechte heftig attackierte, nannte Jasberg das Anliegen der Union schlicht „berechtigt“.