Hamburg. Bürgerschaftsfraktion wählt Doppelspitze aus Jennifer Jasberg und Dominik Lorenzen. Welche Pläne verfolgt das Duo?

Diese Wahl ist durchaus eine Überraschung: Die Fraktion der Grünen in der Bürgerschaft wird künftig von der Doppelspitze Jennifer Jasberg und Dominik Lorenzen geführt. Beide setzten sich bei den fraktionsinternen Wahlen am Montagabend gegen Mareike Engels und Michael Gwosdz durch, die eher als Wunschkandidaten des Partei-Establishments galten.

Um zunächst ein Meinungsbild in der zu fast zwei Dritteln neu zusammengesetzten Fraktion zu erhalten, hatte es vorab eine Probeabstimmung gegeben: Erst nachdem Jasberg und Lorenzen diese mit 19 zu 13 Stimmen (bei einer Enthaltung) gegen Engels und Gwosdz für sich entschieden hatten, stellten sie sich offiziell zur Wahl, während Engels und Gwosdz auf die Kandidatur verzichteten. Dabei erhielt Jasberg 19 Jastimmen. Neun der 33 Grünen-Abgeordneten stimmten gegen sie, drei enthielten sich, zwei Stimmen waren ungültig.

Auf Lorenzen entfielen 21 Ja- und acht Neinstimmen, bei vier Enthaltungen. Neue stellvertretende Fraktionschefin ist Maryam Blumenthal, Gwosdz löst Farid Müller als Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion ab.

Jennifer Jasberg (3.v.l.) und Dominik Lorenzen (2.v.l.) sind die neue Doppelspitze der Grünen. Maryam Blumenthal (l.) und Michael Gwosdz (r.) sind ihrer Favoritenrolle nicht gerecht geworden.
Jennifer Jasberg (3.v.l.) und Dominik Lorenzen (2.v.l.) sind die neue Doppelspitze der Grünen. Maryam Blumenthal (l.) und Michael Gwosdz (r.) sind ihrer Favoritenrolle nicht gerecht geworden. © Georg Wendt/dpa

Grünen-Duo spielte schon länger mit dem Gedanken

Jasberg betonte im Anschluss an die Wahl, dass sie und Lorenzen sich schon vor Wochen überlegt hatten, als Duo anzutreten. Eine Doppelspitze sei zwar einerseits etwas „heikel“, weil eine Rolle von zwei Personen ausgefüllt werden müsse. Aber da sie und Lorenzen sich schon lange und gut kennen würden, sei sie optimistisch.

Ob die Zusammenarbeit in der Koalition mit der SPD nun komplizierter werde, „vermag ich nicht zu prognostizieren“, sagte die 37-Jährige. „Ich glaube, dass wir ein sehr scharfes Schwert bekommen haben mit dem Koalitionsvertrag. Jetzt wird es darum gehen, wie da an den Feinheiten dran gearbeitet wird.“ Mit Blick auf die vielen neuen Abgeordneten meinte Jasberg: „Wir müssen jetzt erst mal gucken, wie wir eigentlich alle drauf sind und wie wir miteinander arbeiten. Das gilt nicht nur intern, sondern auch für die Zusammenarbeit mit der SPD.“

Ähnlich äußerte sich Lorenzen: „Die Teamfindung ist in vollem Gange, das war unter Corona-Bedingungen natürlich nicht so einfach“, sagte der 42-Jährige. Mit Blick auf den Koalitionspartner meinte Lorenzen: „Wir werden ganz neue Wege der Zusammenarbeit finden, aber auf einer sehr konstruktiven Grundebene.“ Für ihn und Jasberg gelte: „Das berühmte Blatt wird zwischen uns nicht passen.“

Grüne in Hamburg: Tjarks wird abgelöst

Das Duo Jasberg/Lorenzen folgt auf Anjes Tjarks, der die Fraktion mehr als fünf Jahre lang geführt hatte, bevor er vergangene Woche in den Senat wechselte – als Chef der neuen Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Dass seine Nachfolge so umkämpft war, dürfte auch mit der Zusammensetzung der neuen Fraktion zu tun gehabt haben. Die Grünen stellen mit 33 der 123 Abgeordneten eine doppelt so große Fraktion wie noch in der vergangenen Wahlperiode.

Da mehr als 20 Mitglieder neu im Parlament sind, waren die Mehrheitsverhältnisse selbst für Insider kaum einzuschätzen – zumal es coronabedingt kaum Möglichkeiten gab, sich persönlich näher kennenzulernen. Auch um diese „Heterogenität“ abzubilden, hatte sich die Fraktion schon im Vorfeld auf eine Doppelspitze verständigt.

Muss die SPD das neue Grünen-Duo fürchten?

Während Engels und Gwosdz eher für eine Fortsetzung der sehr harmonischen Zusammenarbeit mit der SPD standen, dürfte das Duo Jasberg/Lorenzen die Fraktion deutlich selbstbewusster positionieren. Jedenfalls haben beide schon gezeigt, dass sie Konfrontationen nicht scheuen. So hatte die erstmals ins Parlament eingezogene Bergedorfer Kreisvorsitzende Jasberg 2016 bei der Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl völlig überraschend gegen die Parteivorsitzende Anna Gallina kandidiert – und gewonnen.

Die konsternierte Gallina, seit letzter Woche Justizsenatorin, hatte daraufhin unter Tränen den Saal verlassen. Lorenzen, Unternehmer aus Niendorf und früher Kreisvorsitzender der Eimsbüttler Grünen, gehörte zu den „Rebellen“, die 2017 sensationell die Handelskammer-Führung abgelöst haben. Er gehört dem Plenum der Kammer bis heute an. In die Bürgerschaft rückte er 2018 nach.

Die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen gehören traditionell zu den einflussreichsten Politikern in Hamburg. Sie müssen nicht nur dafür sorgen, dass die Senatsmehrheit in der Bürgerschaft bei Abstimmungen steht, sondern haben auch darüber hinaus eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Regierung und Parlament sowie für die Zusammenarbeit der Koalitionsparteien.

SPD bestätigt Kienscherf

Nicht zuletzt ist der Job auch ein Sprungbrett: Ebenso wie Tjarks war auch sein Vorgänger Jens Kerstan auf die Regierungsbank gewechselt, er ist seit 2015 Umweltsenator.

Auch Andreas Dressel war sieben Jahre lang SPD-Fraktionschef, bevor er 2018 Finanzsenator wurde. Sein Nachfolger Dirk Kienscherf stellte sich am Montagabend ebenfalls zur Wiederwahl – erfolgreich. Mit 46 von 53 Stimmen (ein Fraktionsmitglied fehlte) wurde der 54-Jährige bei zwei Enthaltungen und fünf Gegenstimmen im Amt bestätigt.