Hamburg. SPD und Grüne wollen dazu ein „Kompetenznetzwerk“ gründen. Keine Einigung über einen Polizeibeauftragten.
SPD und Grüne haben sich bei ihrer vierten Verhandlungsrunde zur Bildung einer neuen Koalition im Bereich Innenpolitik in wesentlichen Punkten geeinigt – strittige Fragen allerdings zunächst vertagt.
Polizei und Feuerwehr sollen demnach weiter personell und finanziell gestärkt werden. Beide sollen ihre „laufenden Personalaufbauprogramme fortsetzen“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) nach Ende der Verhandlungsrunde am Sonntagabend. So sollen zwischen 2016 und 2024 bei der Polizei insgesamt 1000 neue Beamte und Angestellte eingestellt werden – und bei der Feuerwehr 400 Beamte.
Neue Leitstellen für Polizei und Feuerwehr
Zudem solle die Infrastruktur weiter ausgebaut werden, indem etwa neue Leitstellen für Polizei und Feuerwehr eingerichtet und die Akademien der beiden Institutionen ausgebaut würden, so Grote. Einigkeit habe es auch über die nötigen Modernisierung von Kommissariaten und der Errichtung neuer Feuer- und Rettungswachen gegeben.
Ein Schwerpunkt solle die Bekämpfung der Internetkriminalität werden, die stark an Gewicht gewonnen habe. Dafür brauche man „Ressourcen, Kompetenzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen, um hier erfolgreich weiter arbeiten zu können“, sagte der Senator. Man sei auch mit dem Thema „Digitalisierung und moderne IT-Struktur“ bei der Polizei „noch nicht durch“. Das größte Projekt sei die geplante Leitstelle, die einen „riesigen Technologiesprung“ ermögliche, so Grote. Auch bei „digitalen Beweismitteln“ bleibe viel zu tun.
Polizeiarbeit soll noch intensiver wissenschaftlich begleitet werden
Intensiv gesprochen wurde laut Grote über die Bekämpfung des Rechtsextremismus. „Wir akzeptieren keine menschenfeindlichen, rassistischen, antisemitischen Haltungen und sind sehr entschlossen, den Kampf gegen den Rechtsextremismus mit großer Konsequenz fortzusetzen“, sagte Grote. Das gelte für Polizei, Verfassungsschutz und Justiz gleichermaßen. Das bereits in Gründung befindliche „Kompetenznetzwerk Rechtsextremismus“ solle „noch einmal auf ein anderes Fundament“ gestellt werden, „um ressortübergreifend mit dem Phänomen Rechtsextremismus klar und hart umgehen zu können“.
Auch linker und religiöser Extremismus werde „adressiert“, sagte Grote. „Wir benennen auch linke Militanz und religiöse Extremismus, setzen aber einen sehr, sehr klaren Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.“ Dieser sei die „strukturell entscheidende Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft, für unsere gesamte Demokratie, für unser ganzes Zusammenleben“. Die Polizei solle noch stärker „die Realität in einer diversen, pluralen, heterogenen Großstadtgesellschaft“ in Organisation und Auftreten abbilden, so Grote. Auch solle die Polizeiarbeit noch intensiver wissenschaftlich begleitet werden, etwa durch „Stärkung der Forschungsstelle für strategische Polizeiforschung an der Akademie“. Mehr Förderung soll es für die Freiwillige Feuerwehr geben.
Jüdisches Leben soll geschützt und gestärkt werden
In Hamburg sollten alle Menschen in Sicherheit leben, dabei dürfe es „keine Abstriche für niemanden geben“, sagte Grünen-Chefin Anna Gallina nach den Verhandlungen. Gerade angesichts neuer Kriminalitätsphänomene sei es gut, die wissenschaftliche Basis der Polizeiarbeit zu stärken, so Gallina.
Dass man sich auf den verstärkten Aufbau eines „Kompetenznetzwerks“ zur Bekämpfung des Rechtsextremismus verständigt habe, freue sie sehr. Damit komme man über die reine Kriminalitätsbetrachtung hinaus und könne sich das „gesamtgesellschaftliche Phänomen ganzheitlicher“ ansehen, „von der Schule bis zur Sozialpolitik, Kultur, Justiz und Polizei“.
Strittige Fragen wurden zunächst ausgeklammert
Das jüdische Leben solle nicht nur weiter geschützt, sondern auch gestärkt werden, so Gallina. Man setze mit den Vereinbarungen einen starken Punkt gegen „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, so Gallina. Dazu werde auch eine Schwerpunktabteilung bei der Staatsanwaltschaft eingesetzt.
Ausgeklammert blieben am Sonntag zunächst die strittigen Fragen. So habe man das Thema der Bestrafung des Schwarzfahrens in den Bereich Justizpolitik verschoben und daher nicht behandelt. Die Grünen wollen dies nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit ahnden, die SPD sah das bis zuletzt anders. Dasselbe gilt für den Konsum von Cannabis. Womöglich wird auch die im Wahlkampf zunächst strittige Frage nach der Ahndung von Vermummungen bei Demonstrationen im Bereich Justiz verhandelt – falls diese Frage in Zeiten von Corona und Maskenpflicht überhaupt gelöst werden kann.
Themen für Donnerstag: Justiz, Demokratie und Gleichstellung
Nicht einigen konnten sich die Parteien beim Streit über die Einsetzung eines unabhängigen Polizeibeauftragten. Diesen hatten die Grünen im Wahlprogramm als Ansprechpartner für die Bürger aber auch für die Beamten im Falle von Problemen gefordert. Die SPD lehnt die Idee ab – ebenso wie Polizeigewerkschafter. In dieser Frage „reden wir noch miteinander“, sagte Grünen-Chefin Gallina. Man habe „ordentlich gerungen“ und versucht, die jeweiligen Anliegen und Blickwinkel darzulegen. Nun wolle man das „mal gegenseitig sacken lassen“ und die Gespräche dazu weiterführen.
Die „gegensätzlichen Perspektiven“ seien bekannt, sagte Innensenator Grote, man müsse nun sehen „ob man das zusammenbringt“. Die SPD habe einen neuen Vorschlag dazu gemacht, „der aber nicht so dicht an dem Polizeibeauftragten dran ist, aber ein guter Vorschlag ist“, da er an die Aufarbeitung des G20-Gipfels anknüpfe und diese weiterentwickele. Allerdings wäre dies eine „polizeiinterne Lösung“, so Grote. Auch die Grünen hätten einen neuen Vorschlag unterbreitet, sagte Grünen-Chefin Gallina.
Bis zur Pressekonferenz am Abend hatten die Verhandlungen zu den innenpolitischen Themen Sport und Flüchtlinge noch nicht begonnen. Weitergehen sollen die Gespräche am kommenden Donnerstag mit den Themen Justiz, Demokratie und Gleichstellung – und am Freitag mit der Wirtschaftspolitik.