Hamburg. Wie die FDP-Spitzenkandidatin im Wahlkampf versucht, die FDP zu retten und dabei immer auf ein Problem stößt: Thüringen.

„Das ist ein schlechter Platz hier“, sagt Anna von Treuenfels. Es klingt nicht einmal enttäuscht, sondern eher gefasst und als ob sie sagen wollte: „Ich habe es gleich gewusst!“ Nachmittags vor dem Medienkaufhaus Saturn am oberen Ende der Mönckebergstraße: Der Packen Infobroschüren, die FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels aufgefächert in der einen Hand hält, will nicht kleiner werden.

Die Menschen gehen zielstrebig an der Liberalen vorbei, quittieren ihre freundliche Anrede mit einem kurzen „Nein“, wenn überhaupt. Sicher: Es sind gerade hier in Hauptbahnhofnähe auch ein paar darunter, die nicht in Hamburg wohnen und folglich hier nicht wahlberechtigt sind. Aber das ist es nicht allein. „Die FDP war nie meine Partei und wird es nie sein“, sagt einer. Immerhin: Ein Paar erzählt, dass es FDP gewählt hätte. Ein kurzes, fast befreites Lachen erfasst das Gesicht der Kandidatin.

Nach den grundstürzenden Ereignissen von Thüringen Wahlkampf für die FDP zu machen, zählt zu den härteren Aufgaben, die das Politikerleben bereithält. Für die Hamburger Liberalen geht es mittlerweile um die parlamentarische Existenz. Die jüngsten Umfragen sehen die Partei bei fünf Prozent oder schon knapp darunter. Jetzt heißt es also, gegen den Trend anzukämpfen.

Anna von Treuenfels vermittelt kämpferische Entschlossenheit

Und kämpferische Entschlossenheit kann Anna von Treuenfels jedem vermitteln, der mit ihr spricht. „Da müssen wir durch“, sagt die 57 Jahre alte Juristin auf der Mönckebergstraße. „Trotzdem ist es gut, hier selbst präsent zu sein“, setzt sie hinzu, als wieder ein paar Menschen scheinbar achtlos an ihr vorbeieilen. „Wir haben es ja auch verdient“, sagt sie noch halb im Wegdrehen, während sie schon den nächsten Passanten zustrebt.

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    Dann steht ein Mann vor ihr, der erst vor einem Monat in die FDP eingetreten ist. Endlich. „Ich finde es gut, wie offen Sie auf die Leute zugehen“, sagt der Mann zu von Treuenfels. Schon ist er bei den liberalen Kernthemen Eigenverantwortung, Rechtsstaat und Steuersenkung. Und er zitiert zustimmend Rainer Brüderle, den FDP-Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl 2013.

    Na ja, Brüderle ist dann doch nicht ganz der richtige Bezugspunkt für von Treuenfels, die etwas irritiert wirkt, schließlich flog die FDP 2013 unter seiner Führung zum ersten Mal aus dem Bundestag. Und überhaupt: Brüderle ist in der FDP von Parteichef Christian Lindner ziemlich von gestern, wenn nicht vorgestern.

    Thüringen ist immer wieder Thema

    Dann kommt der Neu-Liberale auf Thüringen zu sprechen, natürlich. „Das war schade“, sagt der Mann und erläutert dann in etwa, was er meint: „Die Leute haben den Eindruck, dass die FDP nicht den Mut hat, sich klar zu positionieren.“ Es scheint so, als ob er den Rücktritt des FDP-Politikers Thomas Kemmerich, der mit den Stimmen von AfD und CDU zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, bedauere.

    Doch Anna von Treuenfels forscht nicht lange nach, sondern geht gleich in die Offensive. „Ich finde, wir müssen klar und deutlich sagen, was unsere Haltung ist. Das hat auch etwas mit unseren Werten zu tun“, sagt die Liberale. Und sich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, das gehe nun einmal gar nicht.

    Deutlicher als andere FDP-Spitzenpolitiker hat von Treuenfels das Verhalten ihrer Thüringer Parteifreunde kritisiert, wenngleich sie in einer ersten Stellungnahme am Tag der umstrittenen Wahl noch gelobt hatte, dass Kemmerich Verantwortung übernommen habe. In der aktuellen Stunde der Bürgerschaft kritisierte sie dann auch die FDP-Spitze, ohne Lindner namentlich zu nennen, für deren anfangs zögerliche Haltung und sagte, ihr täten die Thüringer Vorgänge leid. In der Schaltkonferenz des FDP-Präsidiums nach den Erfurter Ereignissen soll von Treuenfels schärfer auch mit ihrer Kritik an Lindner geworden sein.

    Anna von Treuenfels gehört seit 2009 der FDP an

    Anna von Treuenfels kam spät in die Politik. Der FDP gehört sie seit 2009 an, zwei Jahre später saß sie schon in der Bürgerschaft. Wer ihre öffentlichen Auftritte in den vergangenen Tagen beobachtet hat, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass die existenzbedrohende Lage, in der sich die Elbliberalen nun befinden, ihrer Wahlkampfenergie noch einmal einen Zusatzschub verleiht.

    Vielleicht ist es so gesehen kein Zufall, dass am Anfang ihres politischen Engagements eine Kampagne stand, die von vielen als letztlich nicht sehr chancenreich angesehen wurde. Von Treuenfels zählte 2008 zu den Aktivistinnen der Volksinitiative „Wir wollen lernen“, die sich gegen die sechsjährige Primarschule richtete – ein Projekt des damaligen schwarz-grünen Senats.

    Es war ein Kampf der politisch Unerfahrenen gegen alle damals in der Bürgerschaft vertretenen Parteien: CDU, Grüne, SPD und Linke, aber auch Gewerkschaften und viele Verbände. Und doch setzte sich die Initiative am Ende durch und kippte die Primarschulreform per Volksentscheid.

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    Hilft die Erfahrung von damals ihr heute? „Ja, auf jeden Fall. Was den Punkt angeht, eine klare Haltung zu haben und dazu zu stehen, sehe ich da eine eindeutige Parallele“, sagt Treuenfels. „Wenn ich ein Ziel vor Augen habe, dann verfolge ich das konsequent. Ich habe einen klaren Kompass. Und wenn es eng wird, gilt das Motto: jetzt erst recht“, fügt die Liberale hinzu.

    Nach dem sensationellen Erfolg beim Volksentscheid verstärkte sich ihr Interesse vor allem an der Schulpolitik. Von Treuenfels ist die einzige aus der Spitzencrew der Volksinitiative, die dauerhaft in die Politik gewechselt ist. Dass ihr Weg frühzeitig in die FDP führte, war aus damaliger Sicht naheliegend. Die außerparlamentarische FDP war die einzige Partei, die konsequent gegen die Primarschulreform stritt.

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    Schulpolitik bleibt ihr Schwerpunkt

    Die Schulpolitik ist für von Treuenfels auch als Bürgerschaftsabgeordnete ein Schwerpunkt geblieben. So hat sie mit dafür gesorgt, dass sich die Bürgerschaft mit Schulsenator Ties Rabe (SPD) im vergangenen Jahr auf eine Verlängerung des Schulfriedens verständigt hat.

    Dabei hat von Treuenfels, die gegen die Primarschule und damit gegen die Verkürzung der Gymnasialzeit stritt, sich klar gegen eine Rückkehr des längeren Wegs zum Abitur (G9) ausgesprochen.

    Sie hat sich stets für eine stärkere Leistungsorientierung der Schulen eingesetzt. Dass die Bildungspläne in zentralen Unterrichtsfächern in den nächsten Jahren überarbeitet und verpflichtendes Fachwissen stärker eingearbeitet werden soll, hatte die FDP-Politikerin in den Verhandlungen durchgesetzt.

    "Digitalisierung der Schulen geht zu langsam voran"

    Das hindert die FDP-Spitzenkandidatin nicht, im Wahlkampf kräftig gegen Schulsenator Ties Rabe (SPD) auszuteilen, weil ihr die Digitalisierung der Schulen viel zu langsam vorangeht. Auch ihr Verhältnis zu Justizsenator Till Steffen (Grüne) ist alles andere als störungsfrei. Von Treuenfels, auch justizpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, attackiert ein ums andere Mal die aus ihrer Sicht unzureichende Personalausstattung von Gerichten und Staatsanwaltschaft.

    Eine gewisse Robustheit in der politischen Debatte nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ zeigte von Treuenfels auch nach Thüringen. Kaum hatte sie gesagt, dass ihr die Vorgänge in Erfurt leid täten, empörte sie sich darüber, dass SPD, Grüne und Linke die FDP in die rechte Ecke stellen wollten. Plötzlich war es ein Thema, dass die Liberalen in der Bürgerschaft mehr als 40 AfD-Anträgen zugestimmt hatten.

    Während FDP-Landeschefin Katja Suding schon erklärte, das „nie wieder“ tun zu wollen, sagt von Treuenfels nur: „Wir werden in Partei und Fraktion darüber sprechen, wie wir mit der AfD in Zukunft umgehen.“ Nachzugeben oder sich öffentlichem Druck zu beugen ist nicht die Stärke der Anna von Treuenfels.