Hamburg. Der Altbürgermeister favorisiert ein Bündnis aus CDU und Grünen. Auch zwischen Fegebank und Tschentscher knarzt es.

Je heißer der Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl 2020 wird, desto mehr herrscht Eiszeit auf der Senatsbank – jedenfalls auf den Premiumplätzen. Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seine Nachbarin, die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), probten während der aktuellen Stunde der Bürgerschaft am Mittwoch erfolgreich das Stück „Das große Schweigen“.

Tschentscher, Spitzenkandidat seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar, kommunizierte ausschließlich und so intensiv mit seinem Laptop, dass er nicht einmal aufblickte. Tschen­tschers Herausforderin Fegebank schaute eher missmutig in den Plenarsaal, und wenn ihr nach Smalltalk war, blieb ihr Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt zur Rechten – man muss es fast betonen: eine Sozialdemokratin.

Tschentscher und Fegebank: Da ist was vorgefallen

Es gab schon einmal mehr Austausch zwischen den beiden Hauptkontrahenten dieses Wahlkampfs, Tschen­tscher und Fegebank, aber es ist in den vergangenen Tagen auch einiges vorgefallen, was die wechselseitige Gesprächsfreude getrübt hat. Tschentscher hat die Herausforderung durch Fegebanks Anspruch angenommen, Erste Bürgermeisterin werden zu wollen.

Der Bürgermeister stichelt gegen die Grünen bei Themen wie der Elbvertiefung, dem Hafen und der Wirtschaft im Allgemeinen oder der von den Grünen bis vor einer Woche propagierten Lockerung des Vermummungsverbots bei Demon­s­trationen im Speziellen.

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Vertwittert: Aber Tschentscher verweigert Entschuldigung

Auch wenn Tschentscher nicht persönlich wird, so versucht er doch zunehmend, sich auf Kosten des Koalitionspartners zu profilieren. Und der Bürgermeister zeigt den Grünen in einem anderen Punkt die kalte Schulter: Er weigert sich beharrlich, für den unterirdischen Tweet seines Büroleiters Daniel Stricker um Entschuldigung zu bitten. „#grünistgewaltbereit“, hatte Stricker als Reaktion auf den Plan geschrieben, Vermummungen nicht mehr als Straftat zu verfolgen.

Fegebank hatte ihrerseits Anfang der Woche den Ton auch etwas verschärft. Sie nannte ein vor allem von CDU und FDP ins Spiel gebrachtes Bündnis mit der SPD im Abendblatt eine „Stillstandskoalition“ und warf Tschen­tscher vor, er habe sich bislang in der Koalitionsfrage „um eine klare Position gedrückt“. Was stimmt.

Ole von Beust: Unerbetene Ratschläge?

Als Tschentscher und Fegebank am Mittwoch auf der Senatsbank so beredt miteinander schwiegen, kam ausgerechnet Stricker dazu und stellte sich neben Tschentscher. Man hätte es in einem Drehbuch für das aktuelle Senatsdrama nicht besser erfinden können. Es war ein kurzer Auftritt des Büroleiters, der Fegebank ebenfalls keines Blickes würdigte. Sie hatte Tschentschers Verhalten in der Tweet-Affäre als „unsouverän“ bezeichnet, was den nicht erfreut haben dürfte.

Andere haben andere Probleme, allen voran CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg, der sich derzeit so fühlen dürfte, als ob er im falschen Film ist. Altbürgermeister Ole von Beust (CDU) hat sich auf „Zeit online“ klar für ein Bündnis der CDU mit den Grünen ausgesprochen und ist damit Weinberg kräftig in die Parade gefahren, der zusammen mit der wahlkämpfenden Unionsspitze eine Deutschlandkoalition mit SPD und FDP vorzieht.

Damit nicht genug: Von Beust hält Fegebank für eine geeignete Erste Bürgermeisterin, während Weinberg meint, mit Fegebank an der Spitze des Senats würden „grundsätzliche Funktionen der Stadt bei Sicherheit, wirtschaftlicher Entwicklung und Infrastrukturprojekten infrage gestellt“.

Die CDU ist demoskopisch nicht gerade auf Rosen gebettet

Schließlich teilt Ole von Beust gegen die SPD mächtig aus – arrogant, ohne Idee für die Zukunft der Stadt –, während sich Weinberg genau dieser SPD nun andient. Mit anderen Worten: Die CDU, ohnehin demoskopisch mit 15, 16 Prozent nicht auf Rosen gebettet, hat drei Wochen vor der Wahl einen massiven strategischen Konflikt.

Ausgerechnet Weinberg und von Beust: Während des schwarz-grünen Bündnisses im Rathaus von 2008 bis 2010 war der heutige CDU-Spitzenkandidat einer der treuesten Weggefährten des damaligen Ersten Bürgermeisters von Beust. Man kann ohne Übertreibung sagen: Weinberg hat, wie nicht viele andere in der CDU, den Kopf hingehalten und damit auch von Beust gestützt, als die Kritik an dem Bündnis etwa wegen der geplanten Primarschulreform massiver wurde.

Und: Weinberg ist nicht zuletzt deswegen Spitzenkandidat geworden, weil er als „anschlussfähig“ galt – in Richtung Grüne und SPD. Es ging immer darum, dass die Union eine erkennbare Machtperspektive haben muss, um attraktiv für Wähler zu sein.

Weinberg hat für grüne Akzente gesorgt

Weinberg hat im CDU-Wahlprogramm für „grüne“ Akzente gesorgt, etwa in der Verkehrspolitik. Er hat aus seiner Nähe zu den Grünen nie einen Hehl gemacht, auch wenn er gern darauf verweist, dass er als Familienpolitiker im Bundestag mit der SPD in der GroKo zusammenarbeitet. Für den Altonaer Lehrer war Schwarz-Grün ein Modell, das übrigens zuerst mit seiner Hilfe im Bezirk Altona erprobt wurde. Letztlich geht es bei der Prioritätensetzung zugunsten der SPD auch um die Glaubwürdigkeit des Spitzenkandidaten.

Weinberg ist in einer Zwickmühle. Der Druck konservativer Kräfte in der Landes-CDU war so groß geworden, dass sich Weinberg in Richtung SPD bewegen musste. Sicher: Dem CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator oder CDU-Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll stehen die Sozialdemokraten inhaltlich in vielen Bereichen näher als den Grünen. Aber es geht bei der Richtungsentscheidung in Sachen Koalition vor allem um die strategische Ausrichtung der Partei.

Leidet die CDU unter "taktischem" Wahlverhalten?

Die CDU befürchtet nicht zu Unrecht, angesichts der Zuspitzung auf das „Duell“ Fegebank/Tschentscher marginalisiert zu werden. Und die CDU-Wahlkämpfer hören immer wieder, dass Menschen, die eigentlich der CDU nahestehen, diesmal taktisch wählen wollen. Sie wollen Tschentscher und der SPD ihre Stimme geben, um zu verhindern, dass mit Fegebank eine Grüne Erste Bürgermeisterin wird. Die SPD-Koalitionspräferenz soll nun die Stimmenabwanderung verhindern. Motto: Auch mit den Stimmen für die CDU kann Fegebank als Bürgermeisterin verhindert werden. Genau so argumentiert auch die FDP.

Ob damit tatsächlich Wähler zu überzeugen sind, steht dahin, schließlich gibt es von der SPD umgekehrt kein Bekenntnis zur Deutschland-Koalition, sieht man einmal von einzelnen Sympathiebezeugungen ab.

Warum Dreier-Konstellationen fragiler sind

Nebenbei bemerkt: Der Reiz eines Dreier-Bündnisses mit CDU und FDP hält sich bei SPD wie Grünen in Grenzen. Dreier-Konstellationen sind prinzipiell fragiler und komplizierter als Koalitionen zweier Partner. Und mit Christ- und Freidemokraten kämen senatsunerfahrene Politiker an die Macht. Auch wegen solcher Überlegungen setzen Sozialdemokraten eher auf die Fortsetzung von Rot-Grün und die Grünen eben auf Grün-Rot.

Von Beust scheint jedenfalls nicht an einen solchen Swing zurück zur CDU zu glauben. Weinberg, der die Koalitionsfrage eigentlich offenlassen wollte, ist dagegen auf die Anti-Grüne-Linie eingeschwenkt. „Ein Spitzenkandidat muss auch die Stimmung in der eigenen Partei einfangen. Und ich höre zu“, sagt Weinberg. Wer der SPD seine Stimme gebe, um eine grüne Erste Bürgermeisterin zu verhindern, so Weinberg, der werde trotzdem Rot-Grün bekommen – mit deutlich stärkeren Grünen als 2015.

Von Beusts Stimme hat Gewicht

Von Beusts Äußerungen haben für Irritationen und Verärgerung in der CDU gesorgt. Die Stimme des Altbürgermeisters hat heute noch Gewicht. Er ist nach wie vor der bekannteste (und vielleicht beliebteste) Hamburger Christdemokrat, auch wenn er politisch nicht mehr aktiv ist. „Für Wahlkämpfer ist es immer schwierig, wenn Koryphäen der Vergangenheit einen großen Stein ins Wasser werfen“, sagt Weinberg über von Beust und man spürt die zusammengebissenen Zähne.

„Aber wir spielen auf unterschiedlichen Spielfeldern, und ich stehe auf Platz eins“, fügt der CDU-Mann hinzu, der bis vor Kurzem Kapitän des ruhmreichen FC Bundestags war.