Hamburg. Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels legt sich beim Wahlkampfauftakt auf ein Deutschland-Bündnis fest.
„Hei“, rief der Bundesvorsitzende gut gelaunt. Wie aus dem dunklen Nichts tauchte FDP-Chef Christian Lindner am Freitagabend vor dem Alten Hauptzollamt in der Speicherstadt auf. Zu Fuß, ohne Dienstwagen und sehr entspannt. Lindner war spät dran, und das Empfangskomitee um FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels war schon etwas unruhig geworden, weil der Zeitplan für den Wahlkampfauftakt der Liberalen ins Wanken zu geraten drohte.
„Gehen wir rein, es ist kalt“, sagte Lindner und übernahm gleich die Führung. So muss man es wohl machen. Im Saal des Alten Hauptzollamts warteten fast 500 Gäste auf den Auftritt der Matadore. Andere Parteien lassen die Bässe wummern oder Märsche erklingen, wenn die Parteispitzen einmarschieren. Anders die Liberalen: Anna von Treuenfels – ihren zweiten Nachnamen Frowein lässt sie seit Kurzem der Einfachheit halber weg – und Lindner bahnten sich einen Weg durch die Menge, grüßten freundlich nach links und nach rechts. Musik: Fehlanzeige.
Katja Suding: „Die Grünen wären in der Opposition“
Doch zunächst hatte die FDP-Landesvorsitzende Katja Suding das Wort. Die Bundestagsabgeordnete erinnerte an die Wahlkämpfe 2011 und 2015, als die FDP mit ihr als Spitzenkandidatin aus scheinbar aussichtsloser Lage aufholen konnte und doch noch in die Bürgerschaft einzog, aber in der Opposition blieb. „Diesmal haben wir eine deutlich bessere Ausgangslage und liegen in Umfragen bei sieben Prozent. Wir sind etwas entspannter, aber wir wollen mehr erreichen. Unser Ziel ist ein zweistelliges Ergebnis“, rief Suding unter Beifall.
Doch die Botschaft des Abends war eine andere. „Wir wollen Verantwortung übernehmen, wir wollen regieren, wir wollen in den Senat“, sagte die Parteichefin und brachte ihre Zuhörer damit so richtig auf Touren. „In diesem Wahlkampf geht es nicht darum, ob die SPD oder die Grünen am Ende vorne liegen. Entscheidend ist, welches Bündnis nach der Wahl geschlossen wird“, rief Suding und sagte dann den entscheidenden Satz: „Ich glaube, dass ein Deutschland-Bündnis aus SPD, FDP und CDU für Hamburg das Beste wäre.“ Und Suding legte nach: „Peter Tschentscher kann Bürgermeister bleiben, und die Grünen wären in der Opposition.“
Es war die zweite Satzhälfte, die die Zuhörer zum stärksten Beifall hinriss. „Man muss nicht SPD wählen, um eine grüne Bürgermeisterin zu verhindern. Man muss unbedingt alle zehn Stimmen der FDP geben“, setzte Suding hinzu.
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von Treuenfels: Keine „autofreie Innenstadt durch die Hintertür“
„Wir Freie Demokraten sind bereit, Regierungsverantwortung in dieser Stadt zu übernehmen“, sagte auch Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels zu Beginn ihrer programmatischen Rede. Die politischen Debatten hätten sich immer weiter vom Kern der bürgerlichen Mitte entfernt. Neuerdings seien sogar Enteignungsdebatten wieder salonfähig. „Wir Liberale haben einen klaren Kompass: Vernunft statt Ideologie, Haltung statt Beliebigkeit und keine Angst, sondern Mut“, rief von Treuenfels.
Und sie sprach vielen Zuhörern wohl aus dem Herzen, als sie sagte, dass „eine Politik, die den Autofahrer zum Kulturfeind erklärt, spaltet“. Mit der FDP werde es dagegen „eine autofreie Innenstadt durch die Hintertür“ nicht geben. Die FDP setze auf konkrete Lösungen wie eine bessere Baustellenkoordinierung.
„Das Verbandsklagerecht muss endlich eingeschränkt werden, damit der politische Arm der Grünen, die Umweltverbände, nicht sämtliche Infrastrukturprojekte dieser Stadt systematisch blockieren kann. Köhlbrandquerung, A 26 Ost! Ich erinnere an 17 Jahre Elbvertiefung“, rief von Treuenfels unter dem Beifall ihrer Parteifreunde. Beim Klimaschutz setzt die FDP-Spitzenkandidatin auf die Regulierung durch den CO2-Emissionshandel. „Das ist genau der richtige Weg. Nicht Verzichtskultur, Askese und Flugscham oder moralisierende Weltuntergangsdebatten“, sagte von Treuenfels.
Auch Lindner hält Deutschlandkoalition für geeignetes Bündnis
Die FDP stehe für Meinungsfreiheit und freien Diskurs. „Freiheit und Selbstverantwortung werden aus der bürgerlichen Mitte verteidigt“, sagte die Liberale und fügte den entscheidenden Satz hinzu: „Und diese Stadt wird auch am besten aus der Mitte heraus regiert – von uns, Christ- und Sozialdemokraten.“
FDP-Chef Lindner, der Anna von Treuenfels als „starke Persönlichkeit“ beschrieb, hatte schon am Vortag beim Blankeneser Neujahrsempfang angedeutet, dass er eine Deutschland-Koalition für ein geeignetes Bündnis in Hamburg hält. Auch CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg und Unions-Fraktionschef André Trepoll haben eine Präferenz für das Modell erklärt.