Hamburg. FDP-Bürgerschaftsfraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein schlägt „Hamburger Konvent für Meinungsfreiheit“ vor.

Mal ist es die Bürgerschaftsabgeordnete, die nach Äußerungen zu Migration und Integration nicht nur einen Shitstorm aus dem rechten Spektrum im Netz erleben muss, sondern auch bedroht wird. Oder es ist der Professor, der seine Vorlesung nicht halten kann, weil seine Veranstaltung aus dem linken Spektrum lautstark gestört, besser gesagt niedergebrüllt wird.

Für Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Bürgerschaftsfraktionschefin und Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar, gibt es eine Krise der Meinungsfreiheit, die auch eine Krise der Demokratie ist. „Während von der politischen Rechten die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben werden und die Tür für Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung und Hass geöffnet wird, wird vonseiten der politischen Linken der Meinungskorridor in öffentlichen Debatten immer weiter verengt“, sagt die Liberale. „Beide Entwicklungen sind Gift für den Diskurs und auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn diese Ent-Grenzung und Be-Grenzung von Sprache spaltet die Gesellschaft und bietet den Nährboden für Extremismus.“

Meinung nicht mehr ohne Bedenken aussprechen

Treuenfels-Frowein sieht längst auch Rückwirkungen auf das Verhalten von Politikern. „Es gibt immer mehr Politiker, die nicht anecken wollen. Die nicht riskieren wollen, bei Themen wie dem Klimaschutz mit der moralischen Keule bedroht zu werden, nur weil sie weiterhin gerne Fleisch essen oder Auto fahren. Also reden sie nicht darüber. Das ist eine fatale Entwicklung“, sagt die FDP-Spitzenkandidatin, die auch eine Allensbach-Umfrage zitiert, nach der 63 Prozent der Befragten angaben, dass sie ihre Meinung nicht mehr ohne Bedenken aussprechen könnten.

„Die rechts- und linksradikal, zum Teil auch religiös motivierten Tiraden im Netz auch gegen engagierte Politiker aus der Mitte der Bürgerschaft haben derart zugenommen, dass wir aktiv werden müssen“, sagt die Liberale, die in einem Bürgerschaftsantrag die Schaffung eines „Hamburger Konvents für Meinungs­freiheit“ vorschlägt. An dem Forum sollen „alle am Meinungsbildungsprozess beteiligten und an dem gemeinsamen Austausch interessierten demokratischen Akteure (beispielsweise Hochschulen und Bildungseinrichtungen, Verbände, Religionsgemeinschaften, soziale Träger, Vereine, Behörden, zivilgesellschaftliche Initiativen und Vertreter der Medien und Politik) teilnehmen.

Meinungsfreiheit soll debattiert werden

Unter anderem sollen nach dem Willen der Liberalen mehrere Debattenrunden zur aktuellen Situation der Meinungsfreiheit in Hamburg und darüber hinaus stattfinden. „Ich stelle mir vor, dass an den Debattenrunden des Konvents zwischen 30 und 50 Menschen teilnehmen. Dabei muss es meiner Ansicht nach um einzelne Themenfelder wie die Rolle der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien, den klassischen Medien und auch in Bildungseinrichtungen wie Schule und Universität gehen“, sagt Treuenfels-Frowein.

Die Liberalen wollen auch Erkenntnisse der Demoskopie einbeziehen. Dazu soll eine „groß angelegte Evaluation“ zum Thema Meinungsfreiheit in Hamburg durchgeführt werden. „Die Evaluation sollte Antworten der Hamburger vor allem auf diese Fragen liefern: Fühlen sie sich in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt? Beobachten sie eine Verrohung der Sprache? Themen müssten auf jeden Fall die Verkehrspolitik, die Klima- und auch die Migrationspolitik­ sein“, sagt die FDP-Politikerin.

„Hamburger Charta für Meinungsfreiheit“

Die Diskussionen des Meinungskonvents sollen nach der Vorstellung von Treuenfels-Frowein in die Arbeit an einer „Hamburger Charta für Meinungsfreiheit“ münden. Vorbild könnte die „Erklärung der Vielen“ sein, die Ende 2018 eine Reihe von Künstlerinnen und Künstler ins Leben gerufen hatten, um ein deutliches Zeichen gegen rechtspopulistische Tendenzen und Einflussnahme auf die Kunst- und Kulturszene zu setzen. „Rechte und nationalistische Gruppierungen und Parteien stören Veranstaltungen, wollen in Spielpläne eingreifen, polemisieren gegen die Freiheit der Kunst und arbeiten an einer Renationalisierung der Kunst. Wir, die Unterzeichnenden, wehren die illegitimen Versuche der Rechtsnationalen ab, Kulturveranstaltungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“, heißt es unter anderem in der Erklärung.

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  • Die FDP-Fraktionschefin, der es auch um politische Instrumentalisierung auf der linken Seite geht, erinnert an die Auseinandersetzung um Sticker der Antifa Altona-Nord an der Ida-Ehre Schule in Eimsbüttel. „Im Streit um die Antifa-Entgleisungen an der Ida-Ehre-Schule war ich die einzige Politikerin in der Bürgerschaft, die die Durchsetzung des Neutralitätsgebots verteidigt hat. Das hat mich betroffen gemacht“, sagt Treuenfels-Frowein.

    „Es geht auch darum, dass die Deutungshoheit in wichtigen politischen Debatten wieder in die Mitte der Gesellschaft rückt und nicht von den Populisten an den Rändern beansprucht wird. Wir stehen ein für einen freien Diskurs, in dem jeder sagen kann, was er denkt – aber immer mit Respekt vor dem anderen“, sagt Treuenfels-Frowein.