Hamburg. Abgeordnete debattieren über Antisemitismus und notwendige Maßnahmen gegen ihn. Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge?
Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen hat die Bürgerschaft nach dem rechtsextremistischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle und der Ermordung zweier Menschen über Antisemitismus debattiert. Einig sind sich SPD, Grüne, CDU, FDP und Linke darin, dass Hamburg nach dem Vorbild der meisten Länder und des Bundes einen Antisemitismusbeauftragten bekommen soll und die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen sowie die Präventionsprojekte überprüft werden sollen.
Einig waren sich die Abgeordneten jedenfalls im Prinzip auch darin, dass jüdisches Leben in der Stadt sichtbarer werden sollte. Doch die Idee von Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, die 1938 zerstörte Bornplatz-Synagoge im Grindelviertel wieder aufzubauen, spielte in der Debatte keine große Rolle.
„Ein interessantes Projekt wäre es, die zerstörte Synagoge wieder aufzubauen“, hatte Bistritzky im Abendblatt-Interview am Wochenende gesagt. Alle Parteien einschließlich der AfD sowie die Kirchen hatten sich daraufhin grundsätzlich für einen Wiederaufbau ausgesprochen oder Gesprächsbereitschaft gezeigt.
CDU-Fraktionschef Trepoll: "Jüdisches Leben sichtbarer machen"
In der Bürgerschaft wurde CDU-Fraktionschef André Trepoll am deutlichsten. Er forderte dazu auf, Tacheles zu reden, wenn die Demokratie angegriffen werde. „Wir schauen nicht weg, wir verharmlosen nicht, wir handeln“, sagte Trepoll mit Blick auf den Kampf gegen Antisemitismus.
Es gehe darum, jüdisches Leben in der Stadt zu fördern und zu schützen. „Und es ist jetzt auch geboten, jüdisches Leben sichtbarer zu machen. Dazu zählt die Idee, die Bornplatz-Synagoge wieder aufzubauen, die viel Zustimmung erfahren hat“, sagte Trepoll.
Linke steht Wiederaufbau der Synagoge "aufgeschlossen gegenüber"
In Berlin ist geplant, die orthodoxe Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg wieder aufzubauen. Über einen Förderverein sollen Spenden für den rund 20 Millionen Euro teuren Neubau eingeworben werden. Ein Kuratorium, dem unter anderem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Hamburgs Altbürgermeister Ole von Beust (CDU) angehören, ist gegründet worden. „Wir sollten nach dem Vorbild Berlins auch einen Förderverein gründen und ein Kuratorium einrichten. Diese Chance sollten wir ergreifen“, sagte Trepoll.
Auf das Thema Bornplatz-Synagoge ging außer Trepoll nur die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider direkt ein. „Wir stehen dem Wiederaufbau der Synagoge am Bornplatz aufgeschlossen gegenüber. Wir brauchen mehr Raum für jüdisches Leben. Es ist gerade für junge Menschen wichtig, die Erfahrung zu machen, wie vielfältig jüdisches Leben ist“, sagte Schneider, die außerdem forderte, die liberale jüdische Gemeinde dabei zu unterstützen, einen eigenen Raum zur Zusammenkunft zu schaffen.
Melanie Leonhard: "Nicht über Menschen reden, sondern mit ihnen"
„Ich finde es richtig, wenn die Fraktionen sich auf den Weg machen zu fragen, wie man jüdisches Leben in der Stadt fördern kann. Dazu muss die Position der jüdischen Gemeinden einbezogen werden. Wir sollten nicht über die Menschen, sondern mit ihnen reden“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), ohne auf den möglichen Wiederaufbau der Synagoge einzugehen.
Leonhard wies darauf hin, dass der Senat bereits 2013 das Landesprogramm „Hamburg – Stadt mit Courage“ zur Vorbeugung und Bekämpfung des Rechtsextremismus gestartet habe, dessen Fortschreibung nun vorliege. „Wir müssen die Positionen der Betroffenen einbeziehen. Wir können uns kaum vorstellen, welche Alltagsdiskriminierung jüdische Menschen erleben, weil wir nicht betroffen sind“, sagte Leonhard.
„Es ist gut, dass alle demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft den Konsens haben: nie wieder Faschismus!“, sagte die Grünen-Abgeordnete Antje Möller. Rechtsextremismus und Antisemitismus müsse mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. „Hass und Hetze zu akzeptieren, wäre der größte politische Fehler, den man machen kann“, sagte Möller.
AfD fordert "empfindliche Strafen für Hassrede"
„Die AfD hat sich immer gegen politischen Extremismus jeglicher Couleur ausgesprochen. Wir sind für ein nachhaltiges und konsequentes Vorgehen gegen rechtsextremistische Tendenzen“, sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Wir fordern empfindliche Strafen für Hassposts und Hassreden, in denen Menschen bloßgestellt und herabgesetzt werden. Das kann die Vorstufe für verbrecherische Taten sein“, sagte Nockemann und löste damit Unruhe im Saal aus, weil viele Abgeordnete der AfD genau das vorwerfen. „Sie können selbst viel gegen Hass im Netz tun, indem Sie die Kommentare auf Ihren eigenen Websites löschen“, sagte Leonhard an die AfD gerichtet unter starkem Beifall.
Die Anträge von SPD, Grünen, CDU und FDP zur verstärkten Bekämpfung des Antisemitismus und der Schaffung des Postens eines Antisemitismus-Beauftragten sollen im Sozialausschuss der Bürgerschaft beraten werden. Ziel ist ein interfraktioneller Antrag.