Hamburg. Die Ermittler in der Stadt bekommen deutlich mehr Befugnisse. Rot-Grün verzichtet aber auf Einsatz von “Staatstrojanern“.
Elektronische Fußfesseln zur Überwachung von Islamisten und Beziehungstätern, automatische Datenauswertung und längere verdeckte Ermittlungen: SPD und Grüne wollen die Hamburger Polizei mit einer Reihe von zusätzlichen Befugnissen ausstatten. Die Regierungsfraktionen haben sich auf eine Novellierung des Polizeirechtes geeinigt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern verzichtet Hamburg aber auf umstrittene Maßnahmen wie den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern.
Die Innenexperten der Regierungsparteien sprechen von einem vernünftigem Kompromiss. „Es ist klar, dass sich Hamburg nicht an einem Wettbewerb um das schärfste Polizeigesetz beteiligen wird“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sören Schumacher. Laut der Grünen-Abgeordneten Antje Möller orientierten sich die nun geplanten Änderungen an den Erfahrungen aus der Praxis und „weniger an ideologischen Debatten“. Die CDU und der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisieren dagegen, dass etwa der Verzicht auf Online-Durchsuchungen in der heutigen Zeit fahrlässig sei.
Polizeigesetz erweitert Einsatz von Fußfesseln
Die wichtigste Neuerung ist der erweiterte Einsatz der elektronischen Fußfesseln. Sie sollen in Zukunft etwa Beziehungstätern angelegt werden dürfen, um sie zu überwachen. „Heute müssen wir häufig das potenzielle Opfer verstecken und dessen Freiheit einschränken, und wir würden gerne die Freiheit desjenigen, der gefährlich ist, einschränken“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) im Norddeutschen Rundfunk. Das Anlegen der Fußfessel muss jedoch von einem Richter angeordnet werden, wenn eine sehr hohe Gefahr für Leib, Leben und Freiheit drohe.
Auch islamistische Gefährder, denen schwere Anschläge zugetraut werden, könnten demnach mit einer Fußfessel überwacht werden. Bislang war dies nur bei bereits verurteilten Straftätern im Rahmen einer Führungsaufsicht möglich. Die Politik erhofft sich von dem technischen Mittel, die Umtriebe der Gefährder ohne aufwändige Observationen besser im Blick zu behalten.
In diesem Zusammenhang soll es der Polizei auch leichter gemacht werden, die Daten von sogenannten Kontakt- und Begleitpersonen der Gefährder zu speichern. Der Entwurf sieht außerdem vor, dass die Einsätze von verdeckten Ermittlern künftig bis zu neun Monate dauern dürfen – nach den bundesweiten Richtlinien sind dies nur drei Monate. Auch die automatisierte Auswertung von Daten wird nach den Plänen deutlich ausgebaut – allerdings nur bei schweren Verbrechen.
Bundesweit gibt es Streit um neue Polizeigesetze
Bundesweit wird derzeit über die neuen Befugnisse für die Polizei gestritten. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat eine Novellierung der Ländergesetze nötig gemacht. Zuletzt kam es unter anderem in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Sachsen zu einer hitzigen Debatte und Demonstrationen gegen die geplante Ausweitung der Möglichkeiten für die Ermittler.
Die umstrittensten Maßnahmen in der Diskussion – darunter die Online-Durchsuchung mithilfe von Spionagesoftware, die Möglichkeit zur Präventivhaft bei als gefährlich eingestuften Personen und eine Ausweitung des allgemeinen Gefahrenbegriffs – finden sich in dem Hamburger Konzept jedoch nicht wieder.
„Als Grüne ist für uns die Verhältnismäßigkeit zwischen Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit und Einschränkung der Freiheitsrechte maßgebliches Kriterium“, betonte die Abgeordnete Antje Möller. Aus der Innenbehörde heißt es, es gebe bundesweit nur sehr wenige Fälle, in denen die Online-Durchsuchung im strafrechtlichen Bereich infrage käme. „Das rechtfertigt den Eingriff in die Privatsphäre bislang nicht“. Das Thema sei jedoch keinesfalls dauerhaft vom Tisch.
BDK fordert "digitalen Streifendienst" der Polizei
Der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), bedauert diese Entscheidung. „Die Kriminalität und Aktivität der Täter verlagert sich bereits jetzt immer mehr ins Internet“. Mittelfristig werde die Online-Durchsuchung deshalb eingeführt werden müssen – ebenso wie ein „digitaler Streifendienst“ der Polizei.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, nannte das neue Konzept halbgar. „Wenn SPD und Grüne so tun, als ginge es bei der Onlinedurchsuchung um Ideologie oder Schärfe, haben sie weder die aktuellen Gefahrensituationen, noch die Bedarfe der Sicherheitsbehörden verstanden“, sagte Gladiator. Auch die Präventivhaft sei ein sinnvolles Mittel.
Der FDP-Innenexperte Carl Jarchow sprach davon, dass die Überarbeitung der Gesetze „überfällig“ sei. Die einzelnen geplanten Maßnahmen müssten auch mithilfe von Experten geprüft werden. Die Bürgerschaft soll sich ab dem Spätsommer mit dem Entwurf befassen. SPD und Grüne rechnen damit, dass die Neufassungen der Gesetze noch vor Jahresende in Kraft treten.