Hamburg. Verbal-Scharmützel zwischen Kahrs (SPD) und de Vries (CDU) über eine potenzielle Kanzlerin AKK. Was dahintersteckt.
Zwei prominente Hamburger Politiker liefern sich ein Fern-Scharmützel über die Frage, ob die SPD einfach aus der Großen Koalition in Berlin ausscheiden darf, wenn Angela Merkel die Kanzlerinnenschaft an Annegret Kramp-Karrenbauer ("AKK") vor 2021 "abtreten" sollte. Dass das zumindest "angedacht" ist, pfeifen die Beobachter im politischen Berlin von den Dächern. Auch außerhalb der Hauptstadt meint man das, wie Äußerungen von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel zeigen.
AKK, die Merkel als CDU-Vorsitzende beerbte, könnte so im Bundestagswahlkampf einen Vorsprung gegenüber den anderen Spitzenkandidaten haben, namentlich von der SPD. Das gefällt den kriselnden Genossen wenig.
Was also, wenn Merkel nicht die gesamte Legislaturperiode weitermacht und vorher abtritt? Für Johannes Kahrs (55) gibt es da nur eine Lösung: Sofort Neuwahlen, ist sein Credo. Schließlich habe seine SPD mit Merkel die so unbeliebte Koalition geschlossen, nachdem FDP-Mann Christian Lindner an einem Abend doch nicht nach "Jamaika-Koalition" mit Union und Grünen war.
Johannes Kahrs: "Wir würden Amok laufen"
"Nein", polterte Christoph de Vries (44), Christdemokrat aus Hamburg und noch jung im Bundestag. Erst seit 2017 ist der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete in Berlin. Kahrs kennt den Reichstag seit 1998 von innen. Was beide voneinander halten? Ein Streitgespräch im Abendblatt brachte dazu Erhellendes.
Der konservative Kahrs ("Seeheimer Kreis") hat jetzt noch einmal verdeutlicht, wie die SPD das durch seine Brille handhaben würde. Ein Abgang der amtierenden Kanzlerin würde "zwingend" eine Neuwahl bewirken. Kahrs sagte der "Passauer Neuen Presse", seine Fraktion würde ja nun nicht einfach Annegret Kramp-Karrenbauer zur Kanzlerin küren. "Die Menschen haben bei der letzten Bundestagswahl Angela Merkel gewählt, aber nicht die CDU."
Das brachte Christoph de Vries auf: "Ich möchte die SPD daran erinnern, dass sie einen Koalitionsvertrag mit zwei Parteien geschlossen hat und nicht mit der Kanzlerin", so de Vries zur Deutschen Presse-Agentur. De Vries warf der SPD vor, sie habe eine "abstrakte Debatte" losgetreten. Merkel habe doch erklärt, dass sie bis zum Ende der Legislaturperiode als Bundeskanzlerin zur Verfügung stehen wolle.
De Vries war für Friedrich Merz
De Vries hatte sich in der Debatte um die Merkel-Nachfolge in der CDU für Friedrich Merz ausgesprochen. Merz war AKK beim Parteitag in Hamburg unterlegen.
Auch Kahrs sagte, er habe nicht den Eindruck, dass Merkel amtsmüde sei. "Ganz im Gegenteil, seit sie die Last des CDU-Vorsitzes abgestreift hat, macht sie die Politik, die sie für richtig hält, wenn wir nur an ihre zustimmende Äußerung zum Klimastreik der Schülerinnen und Schüler denken." Bei einem geplanten Wechsel von Merkel auf AKK auch im Kanzleramt gelte: "Das aber bedeutet Neuwahlen. Nicht nur wir Seeheimer würden bei einem Wechsel Amok laufen."
Auch wenn Merkel ihren Rückzug aus der Politik für 2021 angekündigt hat, kann es aufgrund der neuen Konstellation in der CDU auch vorher zu einem Wechsel kommen. Sigmar Gabriel sagte der "Augsburger Allgemeinen" an diesem Sonnabend: "Ich persönlich glaube nicht, dass Angela Merkel so dumm ist, Annegret Kramp-Karrenbauer zweieinhalb Jahre wie so einen Pudel neben sich herlaufen zu lassen."