Hamburg. Die Welt zu Gast im Rathaus: Bundespräsident Steinmeier und Lettlands Präsident Vejonis sprechen zu den rund 400 Gästen.
Wie sich die Themen doch wiederholen. Als Frank-Walter Steinmeier erstmals beim Matthiae-Mal zu Gast war, war er noch Außenminister und kam direkt aus Kiew angereist, wo er noch Vermittlungsgespräche zum Ukraine-Konflikt geführt hatte. „Das ist alles höchst fragil, und bei den leichtesten Fehlern kann das zurückkehren in das Blutvergießen der letzten Tage“, sagte Deutschlands oberster Diplomat kurz nach seiner Ankunft in Hamburg unter dem Eindruck der Reise. Das war 2014.
Mittlerweile ist Steinmeier Bundespräsident, und als solcher war er am Freitagabend zum zweiten Mal Ehrengast beim ältesten Festmahl der Welt. Der Ukraine-Konflikt ist zwar nach wie vor ungelöst, stand diesmal aber weniger im Mittelpunkt. Doch das Verhalten Russlands gegenüber seinen Nachbarstaaten war erneut ein zentrales Thema des festlichen Abends.
Denn ausländischer Ehrengast neben dem Bundespräsidenten war der lettische Staatspräsident Raimonds Vejonis, der gegen 19.20 Uhr zusammen mit seiner Frau Iveta Vejona im Rathaus von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und dessen Frau Eva Maria herzlich begrüßt wurde. Das Verhältnis der baltischen Staaten zu Russland ist traditionell von Spannungen geprägt, und seit Russland sich die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt hat, wachsen auch im Baltikum die Sorgen, der russische Präsident Vladimir Putin könnte mit den kleinen Ex-Sowjetrepubliken an der Ostsee ähnlich verfahren.
Steinmeier überzeugt bei seiner Rede
In seiner aktuellen, sehr launigen Rede erinnerte der Bundespräsident daran, wie er vor fünf Jahren nach Hamburg gedüst und „mit nicht viel mehr Zeit als für eine schnelle Rasur am Flughafen“ ins Rathaus geeilt war. Steinmeier betonte „die tiefe politische Bande“, die seit der Hanse zwischen Norddeutschland und dem Baltikum entstanden sei: An einem Gebäude auf dem Rathausplatz in Riga prange bis heute auch das Stadtwappen von Hamburg.
Der Bundespräsident warnte aber auch, dass die liberale Ordnung in Europa gefährdet sei. „Eine neue Faszination des Autoritären macht sich breit, bei unseren Nachbarn und Partnern in der Welt, aber auch in Europa. Die Sirenenrufe des Nationalismus werden lauter. Viel steht auf dem Spiel.“
Mit Blick auf das russische Expansionsstreben versicherte Steinmeier, dass Lettland und die anderen baltischen Staaten sich auf den Schutz ihrer europäischen Verbündeten verlassen könnten: „Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim haben die Nato-Partner militärische Mittel zum Schutz der baltischen Staaten ergriffen.“ Nato-Verbände stünden unter deutscher Führung in Litauen. Und direkt an den lettischen Präsidenten gewandt sagte Steinmeier: „Lettlands Schutz vor Fremdbestimmung und seine territoriale Integrität sind unsere Verpflichtung.“
Tschentscher setzt auf starkes Europa
Staatspräsident Vejonis, der erst nach 22.30 Uhr zu den Gästen sprach, betonte laut Manuskript, dass „das Zusammenhalten Europas mit seinen transatlantischen Partnern (...) angesichts der aggressiven Bestrebungen Russlands gerade auch im europäischen Interesse unabdingbar“ sei. Auch er verwies auf die engen historischen Verbindungen. Anfang des 20. Jahrhunderts sei Deutsch die Verkehrssprache der Region gewesen, die „jeder mittelprächtig gebildete Bürger“ beherrscht habe.
Tschentscher, der erstmals als Gastgeber beim Matthiae-Mahl auftrat, ging auf die Spannungen mit Russland zwar nicht direkt ein, plädiert aber nachdrücklich für ein friedliches Miteinander in Europa. „Die Hauptstadt der lettischen Republik Riga, die Hauptstädte der anderen baltischen Staaten und Hamburg waren schon zu Zeiten der Hanse enge Partner“, sagte Tschentscher.
Der Bürgermeister weiter: „Die Hanse vertrat also schon im Mittelalter eine erste Idee des Friedens und freien Handels in Europa, nach fairen und gleichen Regeln für alle“, erinnerte der Bürgermeister. „Dies führte zu einer wirtschaftlichen Blüte und einem beispiellosen Aufschwung der daran beteiligten Städte. Der Ostseeraum ist auch heute von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Hamburg und die baltischen Staaten.“
Deutschlands Beziehung zu Lettland
Deutschland sei zweitgrößter Lieferant nach Lettland und viertgrößter Abnehmer lettischer Exporte. Am Montag werde das „Digitalcluster Hamburg@Work mit dem größten Digitalverband Lettlands eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnen, über die künftige Zusammenarbeit in der Digitalisierung der Wirtschaft“, kündigte er an.
Es ging aber nicht ausschließlich um Politik – schließlich handelt es sich um ein Festmahl. Vor Beginn zeigte sich der diesjährige Chefkoch Heinz Wehmann zufrieden. „Das Matthiae-Mahl ist immer eine große Herausforderung, macht aber auch eine Menge Spaß“, sagte der langjährige Küchenchef und Geschäftsführer des Landhauses Scherrer. Die Bewirtung der mehr als 400 Gäste stellte er mit 17 Köchen und 140 Kellnern sicher.
Auf dem Menü standen Wachtel-Galantine mit Pistazien und Walnüssen, Klares Övelgönner Fischsüppchen – und Gefüllter Ochsenschwanz. Zum Dessert gab es Variationen von Quitte und Granatapfel, gratiniertes Parfait und Kompott mit Schlehenaroma. Zur Auswahl stand auch ein vegetarisches Menü. Das Menü wird traditionell auf dem Senatsgeschirr serviert, das nur einmal im Jahr zu diesem Zweck herausgeholt wird.
Auch diesmal war das Matthiae-Mahl nicht unumstritten: Am Heinrich-Heine-Denkmal auf dem Rathausmarkt demonstrierten rund 40 Menschen mit Transparenten wie „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten“. Angesichts wachsender Altersarmut sei es unverantwortlich, hohe Summen für ein solches Festessen zu verwenden, sagte Klaus Wicher vom Sozialverband Deutschland.