Hamburg . Michael Westhagemann ist am Donnerstag vereidigt worden. Der Wirtschaftssenator setzt bewusst auf Alternativen zum Auto.

Seine Frau hat ihm den letzten Anstoß gegeben, Ja zu sagen. Ja zum Angebot, Hamburgs Wirtschaftssenator zu werden – denn er selbst war anfangs ein wenig zögerlich. Nun freut sich Michael Westhagemann auf den neuen Job. Im Abendblatt-Interview erzählt er, welche Themen ganz oben auf seiner Agenda stehen, wie er die Verkehrsprobleme in der Stadt lösen will – und warum er manchmal ohne Fahrradhelm durch die Stadt radelt.

Herr Senator …, wie hört sich das für Sie an?

Michael Westhagemann: Das hört sich gut an.

Vor wenigen Wochen haben Sie den Job als Wirtschaftssenator noch abgelehnt – warum nun doch der Wechsel in die Politik?

Ich bin zunächst aus der Politik angesprochen worden, ob ich mir grundsätzlich den Senatorenposten vorstellen kann. Ich habe das damals nur als unverbindliche Anfrage empfunden. Erst als meine Frau das im Abendblatt las und mich fragte: „Wie, du willst Senator werden?“, wurde mir klar, dass ich mich entscheiden muss – und da habe ich zunächst öffentlich abgesagt. Mir und meiner Familie war aber klar, dass trotzdem noch eine offizielle Anfrage kommen könnte.

Und die kam dann ja auch.

Genau. Ich habe mich mit dem Bürgermeister auf einen Termin für ein Gespräch verständigt. Mir war klar: Eigentlich kannst du das nicht ablehnen. Und es ist ja zunächst nur für einen überschaubaren Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren. Danach muss der Bürgermeister dann neu entscheiden, wie er seinen Senat zusammensetzt.

Sehen Sie sich denn als Übergangssenator, oder haben Sie den Anspruch, nach der Wahl 2020 weiterzumachen?

Ich bin gekommen, um zu bleiben. Ob ich weitermache, hängt natürlich zunächst von den Wahlen ab. Aber wenn es das Ergebnis zulässt, mir der Job Spaß macht und ich merke, dass ich etwas bewegen kann, kann ich mir vorstellen, dass ich weitermache.

Was machen Sie in der Zwischenzeit mit Ihrer Beratungsagentur?

Die liegt still.

Was werden Ihre Hauptthemen sein, die sie angehen wollen?

Als Erstes der Verkehr, wobei ich lieber über Mobilität spreche. Mir geht es darum, das Mobilitätsangebot für jeden Bürger zu verbessern – ob für Autofahrer, ÖPNV-Nutzer, Radfahrer oder die Wirtschaft. Da gibt es viele innovative Ideen, und über allem steht mein Vorhaben: Wir wollen alle fließenden Verkehr und müssen trotzdem weiter bauen – das ist eine Herausforderung. Denn für die Bürger und die Wirtschaft ist es wichtig, möglichst zügig von A nach B zu kommen.

Und Ihr zweites wichtiges Thema?

Die Hamburger Cluster sind mir wichtig. Das Cluster Erneuerbare Energien mit NEW 4.0, also der Norddeutschen Energiewende, kenne ich besonders gut. Da sind wir gut aufgestellt. Wir haben uns ja Ziele gesetzt, wie schnell wir die erneuerbaren Energien nach Hamburg bringen und wie stark wir den CO2-Ausstoß reduzieren wollen. Stärker beachten müssen wir die Sektoren-Kopplungen. Also zum Beispiel: Wie mache ich aus erneuerbaren Energien Wasserstoff? Oder Wärme? Wir werden in den nächsten Jahren einen Überschuss an erneuerbaren Energien haben, weil das Netz nicht ausgebaut wird.

Und drittens?

Innovation. Das ist der Treiber für die anderen beiden Felder. Wir müssen uns anschauen, wo wir bei den Startups in den jeweiligen Branchen stehen. Die Finanzwirtschaft ist da zum Beispiel sehr weit. Zu diesem Feld gehört auch die Digitalisierung: Die verändert ja nicht nur Wertschöpfungsketten, sondern unser aller Leben. Das ist ein gesellschaftlicher Transformationsprozess, und je eher wir die Menschen darauf einstellen und sie entsprechend mitnehmen, desto besser wird uns der gelingen. Dann entsteht auch eine Riesenchance für neue Arbeitsplätze, auch für Hamburg.

Zurück zur Mobilität. Sie sagen, dass Sie die Staus reduzieren wollen. Was planen Sie?

Ich werde mir das gesamte Thema Verkehr mit dem zuständigen Staatsrat genau anschauen. Wir haben ja auch nicht über alle Fragen zu diesem Thema die Hoheit. Zum Beispiel die Einrichtung von Tempo-30-Strecken: Das Thema liegt in der Innenbehörde. Aber einige Dinge fallen mir da schon ein, die ich mir anschauen möchte. Ein Beispiel ist die grüne Welle. Wo haben wir sie, wie gut funktioniert sie, lässt sie sich ausweiten? Da gibt es ganz neuartige Ansätze aus dem Bereich der intelligenten Verkehrssysteme. Hier können wir die Digitalisierung gut nutzen. Ein weiteres Beispiel sind Umleitungen. Es ist den Autofahrern schwer vermittelbar, wenn wir wegen einer Baustelle eine Umleitung einrichten, auf der es auch wieder Staus gibt, weil dort weitere Baustellen sind. Kurz gesagt, ich will mir anschauen, ob und wo wir bei der Koordinierung besser werden können, denn wir müssen weiter sanieren und bauen.

Der S-Bahn-Verkehr – gerade aus dem Süden der Stadt – stößt oft an seine Kapazitätsgrenzen. Wie wollen Sie das verbessern?

Auch das werde ich mir genau anschauen. Ich erinnere aber daran, dass neue Züge bestellt sind, um die Taktzeiten zu verdichten. Und mit dem Fahrplanwechsel im Dezember startet die Angebotsoffensive bei Bus und Bahn, die der Bürgermeister im Sommer vorgestellt hat. Nur wenn wir es schaffen, den öffentlichen Nahverkehr verlässlich und attraktiv zu erhalten, kann es uns gelingen, mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Und das muss ja unser Ziel sein: weniger Pendler auf der Straße.

Wie stehen Sie zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge?

Davon halte ich ehrlich gesagt nicht viel. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ich bin vor allem enttäuscht darüber, wie die Automobilkonzerne mit der Dieselthematik umgehen. Man könnte doch viele Fahrzeuge ordentlich und ohne Probleme nachrüsten. Warum man nur auf Software-Updates setzt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Und auch für viele Dieselauto-Besitzer nicht.

Sie haben noch gar nicht den Hafen erwähnt, haben Sie den mit Blick auf sinkende Umschlagzahlen schon abgeschrieben?

(Lacht) Nein, natürlich nicht. Der Hafen ist so wichtig, der schwebt für mich über allem. Selbstverständlich werden wir die Frage beantworten müssen: Wie soll der Hafen der Zukunft aussehen? Dabei geht es nicht nur um das klassische Ladungsgeschäft, sondern auch um die Ansiedlung innovativer Unternehmen im Hafen. Ich denke da zum Beispiel an den Drei-D-Druck. Warum nicht eine Fertigungsstraße für Drei-D-Druck im Hafen ansiedeln? Das ist für mich eine wichtige Zukunftstechnologie.

Sind Sie eigentlich für eine Brücke oder einen Tunnel als Ersatz für die alte Köhlbrandbrücke?

Als Bürger Michael Westhagemann bin ich für einen Tunnel. Aber ich werde mir natürlich als Wirtschaftssenator ganz genau alle Argumente anhören und bewerten. Ich kann verstehen, dass viele Hamburger nostalgisch werden, wenn sie die alte Köhlbrandbrücke sehen. Aber unter dieser Brücke passen eben nicht mehr die größten Frachter durch. Und wenn wir eine noch höhere Brücke bauen würden, könnten wir erhebliche Probleme mit dem Steigungswinkel bekommen.

Vor den Bürgerschaftswahlen 2015 hatten Sie sich als Industriechef deutlich für eine absolute Mehrheit der SPD ausgesprochen und vor Kompromissen in Koalitionen gewarnt. Wie kompromissbereit werden Sie als Senator nun gegenüber Ihren neuen Senatskollegen von den Grünen sein?

Ich bin parteilos. Und ich habe als Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation ein klar definiertes Aufgabengebiet. Ich bin mir sicher, dass ich mit allen Senatskollegen gut auskommen werde.

Also werden Sie sich als Wirtschaftssenator für mehr Straßenbau und weniger Fahrradwege einsetzen?

Nein, warum? Beides muss sein! Gerade den Fahrradverkehr müssen wir fördern und die Radwege ausbauen. Denn das Fahrrad ist in einer modernen Großstadt eine gute Alternative. Ich fahre übrigens selbst gerne mit dem Fahrrad durch die Stadt.

Tragen Sie dann einen Fahrradhelm?

(Lacht) Meistens schon. Manchmal ist mir das mit Helm aber zu kalt, dann trage ich lieber eine Mütze.