Hamburg. Bürgermeister wird auf Parteitag gefeiert und untermauert Führungsanspruch. Drei große Themen: „Wohnen, Wohnen, Wohnen.“

Politik ist mitunter ein sehr durchschaubares Geschäft. Dazu gehört, dass man Fehler entweder geräuschlos hinter den Kulissen korrigiert – oder aber demonstrativ auf offener Bühne. Die Hamburger SPD hat sich auf ihrem Landesparteitag am Wochenende für die zweite Lösung entschieden und damit zumindest informell klargestellt, wer sie in die kommenden Wahlen führen soll: Bürgermeister Peter Tschentscher.

Der „Fehler“, den es zu korrigieren galt, war auf dem letzten Parteitag im Juni passiert: Seinerzeit hielten die Landesvorsitzende Melanie Leonhard (deren Wiederwahl damals anstand), Fraktionschef Dirk Kienscherf und der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Reden – während der Mann, auf dessen Bekanntheit und Beliebtheit es für die SPD künftig eigentlich ankommt, überhaupt keine Rolle hatte und weitgehend im Abseits stand: der neue Bürgermeister. Auch in Tschentschers Umfeld hatte man sich über diese unglückliche Choreografie geärgert, weil sie unnötigerweise Zweifel an seinem Führungsanspruch und seinem Rückhalt in der Partei genährt hatte.

Vorbereitung auf Bezirkswahlen

Diese Zweifel galt es auszuräumen. Und so war die Rollenverteilung auf diesem Parteitag, der der Vorbereitung auf die Bezirkswahlen im Mai 2019 galt, eine völlig andere: Olaf Scholz stattete seinen Genossen im Bürgerhaus Wilhelmsburg zwar wieder einen Besuch ab und wurde mit viel Applaus empfangen, äußerte sich aber weder zu Hamburger noch zu Bundesthemen. Und die Parteivorsitzende Melanie Leonhard beschränkte sich auf eine kurze Begrüßung, in der sie als Konsequenz aus dem Absturz der SPD bei der Bayern-Wahl dazu aufrief, sich den konkreten Sorgen der Bürger zu widmen. Die SPD müsse deutlich machen, dass sie die Partei ist, „auf die sich die Menschen verlassen können“, so Leonhard. Der Garant dafür sei – natürlich der Bürgermeister.

SPD: Selbstkritik ist ein Anfang

Dessen Rede stand diesmal im Mittelpunkt – und Tschentscher nutzte die Vorlage für eine ungewöhnlich engagierte Rede: Nachdem er gut 30 Minuten lang seine „moderne Großstadtpolitik“ skizziert und für Optimismus, Selbstbewusstsein und einen „positiven Blick auf die kommenden Jahre“ geworben hatte, erhoben sich die mehr als 300 Delegierten demonstrativ und applaudierten eineinhalb Minuten lang. Das war die Rückendeckung, die man sich im Rathaus erhofft hatte.

Absage an Moorburg

Passend dazu trat Tschentscher gleich zu Beginn seiner Rede der Interpretation entgegen, die Grünen hätten sich beim Rückkauf der Fernwärmenetze gegen die SPD durchgesetzt. „Volksentscheide sind verbindlich“, sagte er. „Und im Gegensatz zu früheren Senaten setzen wir Volksentscheide um, darauf können sich alle Hamburger verlassen.“ Die Bürger hatten 2013 für den Rückkauf der Netze votiert.

In dem Zusammenhang erteilte der Bürgermeister der Nutzung von Wärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg eine klare Absage. „Wer preiswerte und ökologische Fernwärme will, dem sage ich: Finger weg von der Kohle.“ Das war angesichts der Anwesenheit von Olaf Scholz pikant: Tschentschers Vorgänger hatte das Kraftwerk bei der Einweihung 2015 noch als „leistungsstark“ und als „Ingenieurskunst nach state of the art“ gelobt. Für seine Haltung bekam Tschentscher viel Zuspruch von den Delegierten. „Es macht wieder Spaß, dem Bürgermeister zuzuhören“, meinte ein Genosse.

Wohnungsbau wichtiges Thema

Durchaus selbstbewusst erwähnte Tschentscher auch einen persönlichen Erfolg, mit dem er sich nicht oft schmückt: dass er als Finanzsenator 2011 einen Haushalt übernommen habe, der eine Milliarde Minus machte, und bei seinem Wechsel ins Rathaus einen Etat übergeben habe, der eine Milliarde Überschuss aufwies. „Das ist gutes Regieren in einer Zahl.“

Mit Blick auf die Bezirkswahl, bei der die SPD in allen sieben Bezirken ihren Nimbus als stärkste Kraft verteidigen muss, hob er drei wichtige Themen hervor: „Wohnen, Wohnen, Wohnen.“ Mit der Genehmigung von 80.000 Wohnungen seit dem Regierungswechsel 2011 habe die SPD für den dringend benötigten Wohnraum gesorgt und dafür, dass die Mieten in Hamburg deutlich geringer steigen als etwa in München oder Düsseldorf. „Wir sind in der Wohnungsbaupolitik in ganz Deutschland Vorbild“, sagte Tschentscher und verwies auf Themen wie serielles Bauen, Acht-Euro-Wohnungsbau, Verlängerung der Bindungsfrist für Sozialwohnungen oder die jüngst erfolgte Verschärfung des Wohnraumschutzes. Scharf kritisierte der Bürgermeister, dass vor allem in Hamburg-Mitte viele Wohnungen über Plattformen wie Airbnb an Touristen untervermietet würden: „Das ist Zweckentfremdung von Wohnraum.“

Tschentscher betonte zwar, dass die weitere Verdichtung der Stadt durch die Schaffung neuer Grünflächen oder Ausweisung neuer Naturschutzgebiete kompensiert werde. Er warnte aber auch vor Wachstumsskepsis: „Lasst euch bitte nicht erzählen, dass der Wohnungsbau in Hamburg, dass das Wachstum in Hamburg nicht weitergeht. Es geht!“ Berlin habe bei annähernd gleicher Fläche doppelt so viele Einwohner wie Hamburg, in Wien würden auf halber Fläche genauso viele Menschen leben. Tschentschers Fazit: „Wir können wachsen, ohne dass Hamburg seinen Charakter verliert.“