Hamburg. Die Uni Hamburg erhält den Zuschlag für vier Exzellenzcluster und kann die Spitzenforschung vorantreiben. Was das jetzt bedeutet.
Monatelang hatten sie sich abgestimmt, ihre Pläne präzisiert und in Anträgen formuliert – nun stand die Entscheidung bevor: Um 16 Uhr versammelten sich am Donnerstag in Rotherbaum mehr als 70 Hamburger Forscher und Verwaltungsangestellte um Uni-Chef Dieter Lenzen vor einer großen Leinwand, um via Internet-Livestream das Votum der Gutachter und Minister in Bonn zu verfolgen. Mit dabei: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Eine halbe Stunde später brach in der Präsidialverwaltung am Mittelweg Jubel aus – Konfettikanonen knallten, Sekt wurde gereicht.
Exzellenzcluster: Hamburg muss 25 Prozent zahlen
Der Grund für die Freude: Hamburgs größte Hochschule erhält im Zuge der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder in den kommenden sieben Jahren voraussichtlich 164 Millionen Euro für vier „international wettbewerbsfähige Forschungsfelder“, sogenannte Exzellenzcluster. Starten können nun die Programme zu neuen Einblicken in die Materie, Klimawandel und Gesellschaft sowie je ein Programm zur Physik des Urknalls und zur Erforschung von alten Manuskripten.
Von den Fördermitteln zahlt der Bund 75 Prozent, das Land Hamburg wird 25 Prozent beisteuern. Mit der Entscheidung einher geht ein weiterer Erfolg für die Universität Hamburg: Sie darf sich nun bis zum 10. Dezember um eine zusätzliche Förderung als Exzellenz-Universität bewerben.
Seit 2012 sind bereits zwei Exzellenzcluster an der Universität gefördert worden. Deren Förderung läuft aber zum Jahresende aus. Dass es nun finanzielle Unterstützung für vier neue große Forschungsprogramme gibt, dürfte auch die Reputation der Universität weiter verbessern, deren Forschung lange als eher mittelmäßig galt – die jetzt aber die Chance hat, zu den forschungsstärksten deutschen Universitäten aufzuschließen.
"Meilenstein für die Forschung"
„Die Politik dieser Stadt ist außerordentlich wissenschaftsfreundlich geworden“, sagte Uni-Präsident Dieter Lenzen und sprach besonders Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) seinen Dank für ihren Einsatz aus. Bürgermeister Peter Tschentscher sprach von einem „Meilenstein für die Wissenschaft und Forschung in Hamburg“ und einem „exorbitanten Ergebnis“. Katharina Fegebank, die bei der Bekanntgabe vor Ort in Bonn war, sagte: „Nur wer außergewöhnliche Forschungsfragen auf internationalem Niveau bearbeitet und eine beeindruckende Infrastruktur vorweisen kann, wie wir in Hamburg, kommt so weit.“
Darum geht es in den vier neuen Exzellenzclustern
Klima, Klimawandel und Gesellschaft: Nicht nur das Klima ist dynamisch, auch die Gesellschaft verändert sich. Welche Klimaschutzmaßnahmen sind unter diesen Bedingungen sinnvoll, wie können sich Städte und Küsten anpassen? Damit wollen sich Natur- und Sozialwissenschaftler beschäftigen. Beteiligt sind außer der Uni auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Mit dem Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg ist zudem eine bundesweit einzigartige Einrichtung an dem Antrag beteiligt. Etwa 230 Wissenschaftler sollen mitmachen.
Neue Einblicke in die Materie: Sie erforschen Phänomene im Nanokosmos: 160 Wissenschaftler werden im Nachfolgeprogramm des Exzellenzclusters Hamburg Centre for Ultrafast Imaging zusammenarbeiten. Dabei geht es nicht nur um die Bewegungen von Atomen, sondern auch um die Frage, wie sich spezielle Eigenschaften winziger Strukturen gezielt kontrollieren lassen, um neuartige Medikamente, bessere Computer und Materialien für den verlustfreien Stromtransport zu entwickeln. Mit ihren Supermikroskopen und Röntgenlasern beteiligt sind das Deutsche Elektronen-Synchrotron, das Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie und die European XFEL GmbH.
Der Ursprung des Universums: Wie kann man mit Teilchenphysik und Gravitation die Entwicklung des Universums nach dem Urknall verstehen? Damit wollen sich etwa 390 Forscher in dem Programm „Das quantisierte Universum“ beschäftigen. Ausgangspunkt sind astrophysikalische Beobachtungen, wonach die bisherige Beschreibung der Natur unvollständig ist. So besteht der größte Teil der Masse im Universum aus einer unbekannten Form von Materie, der sogenannten Dunklen Materie, während die aus Laborexperimenten bekannte Antimaterie im Kosmos nicht vorkommt. Außerdem muss die beschleunigte Ausdehnung des Universums mit einer neuen Energieform beschrieben werden, der Dunklen Energie. Alle diese Beobachtungen hängen mit der Physik des Urknalls zusammen, um die es in dem Hamburger Projekt geht.
Alte Manuskripte verstehen: Es ist eine ungewöhnlich vielseitige Kooperation: In der Manuskriptforschung an der Universität Hamburg arbeiten Philologen, Historiker und Musikwissenschaftler mit Naturwissenschaftlern und Informatikern zusammen. Sie wollen bedrohte Manuskripte erhalten und die Entwicklung und Funktionen von Schriftartefakten verstehen – von den Anfängen im alten Mesopotamien bis ins digitale Zeitalter. Beteiligen werden sich die Helmut-Schmidt-Universität, die Technische Universität Hamburg und die Universität zu Lübeck. 290 Forscher sollen mitmachen.
Universität Hamburg im Ranking verbessert
Im „World University Ranking 2019“ des britischen Wissenschaftsmagazins „Times Higher Education“ (THE) hat die Universität Hamburg (UHH) Rang 135 erreicht und sich damit im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 65 Plätze verbessert. Auch im nationalen Vergleich schneidet die UHH mit Rang 14 – den sie sich mit dem Karlsruher Institut für Technologie teilt – im aktuellen THE-Ranking deutlich besser ab (zuvor Ranggruppe 21 bis 29). Da die Universitäten ab Ranglistenplatz 201 und im nationalen Ranking ab 21 in Gruppen eingeteilt werden, lässt sich der genaue Rang des vergangenen Jahres nicht exakt beziffern.
Das aktuelle nationale Ranking führt die Ludwig-Maximilians-Universität München an, die im internationalen Vergleich auf Rang 32 kommt. Dicht gefolgt von der Technischen Universität München (Rang 44) und der Uni Heidelberg (Rang 47). Zu den 13 deutschen Unis, die vor Hamburg liegen, gehören gleich vier aus Berlin: Die Humboldt-Universität, die national den vierten und international den 67. Rang belegt, die Charité, die auf Rang acht liegt (international: Rang 90) sowie die Freie Universität auf Rang neun (104) und die Technische Universität auf Rang 13 (131).