Hamburg. Senat räumt Verzögerung ein. Beim Fernwärmenetz geht es um Hamburgs Klimaziele, Millionenverluste – und eventuell Untreue.

Das Gutachten zum aktuellen Wert des Fernwärmenetzes verzögert sich überraschenderweise um etwa einen Monat. Nach Informationen des Abendblattes liegt das vor allem daran, dass die von der Stadt und dem Energiekonzern Vattenfall beauftragten Gutachter nach einer vorläufigen Wertfeststellung zusätzliche Daten angefragt haben. Statt wie zunächst erwartet im April soll das endgültige Ergebnis nun erst „im Laufe des Mai 2018“ vorliegen, schreibt der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Fraktionsvorsitzenden Michael Kruse.

Das Gutachten wird mit Spannung erwartet, weil es dafür sorgen könnte, dass der im Volksentscheid 2013 beschlossene Rückkauf des Fernwärmenetzes nicht umgesetzt werden kann. Wie das Abendblatt exklusiv berichtet hatte, wurde der Wert des Netzes von den Gutachtern in einem Zwischenstand auf 550 bis 725 Millionen Euro beziffert. Der SPD-Alleinsenat hatte Vattenfall 2014 allerdings noch einen Mindestpreis von 950 Millionen Euro garantiert.

Unter Umständen darf die Stadt das Netz nicht zurückkaufen

Sollte der aktuelle Wert auch in der finalen Gutachtenversion weit unter dem Mindestpreis liegen, wäre es kaum möglich, das Netz zurückzukaufen. Die Stadt darf nämlich keinen überhöhten Preis zahlen, den das Netz nicht wert ist. Das wäre ein Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung. Die Verantwortlichen könnten sogar wegen Verdachts der Untreue angeklagt werden. Derzeit gehören der Stadt lediglich 25,1 Prozent des Fernwärmenetzes, der Rest gehört Vattenfall.

Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth neben Fernwärmeleitungen
Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth neben Fernwärmeleitungen © dpa | Christian Charisius

Eine zentrale Streitfrage ist, ob Vattenfalls Kohlekraftwerk Moorburg an das Fernwärmenetz angeschlossen wird. Das würde aus Sicht von CDU und FDP die Wärmeerzeugung günstiger machen, da keine umfassenden neuen Investitionen nötig wären. Damit, so die Theorie, könnte auch der Wert des Fernwärmenetzes wieder steigen.

Zugleich könnte das alte Kohlekraftwerk Wedel schneller abgeschaltet werden. Grüne und Umweltschützer lehnen den Anschluss von Moorburg strikt ab, weil die Fernwärme in Hamburg künftig aus regenerativen Energien und nicht aus Kohle gewonnen werden solle – auch um Hamburgs Klimaschutzziele zu erreichen.

FDP: Rückkauf wird ohne Not gefährdet

„Die verspätete Vorlage des Schiedsgutachtens wirft viele Fragen auf. Der ohnehin enge Zeitplan für den Rückkauf des Fernwärmenetzes wird dadurch völlig ohne Not gefährdet“, sagte FDP-Fraktionschef Kruse. „Umweltsenator Kerstan sollte sich der Realität stellen und den Weg freimachen für den Anschluss Moorburgs ans Fernwärmenetz. Ein weiteres Verzögern des Fernwärmenetzrückkaufs wäre nicht im Sinne des Volksentscheids.“

Kruse warf dem Senat auch „massive Intransparenz“ bei den bereits vollständig zurückgekauften Netzgesellschaften für Gas und Strom vor. Es sei „nicht hinnehmbar, dass der Senat seine Planungen für die Netzgesellschaften nicht offenlegt“, so Kruse. Da der Senat seine Anfrage dazu nicht beantwortet habe, habe er sich bei Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) beschwert.