Hamburg. Finanzpolitiker sind alarmiert und bezweifeln, dass die 50 Millionen Euro vom Bund für OSZE und G20 ausreichen.
Der „Verwaltungsvereinbarung“ zwischen der Bundesregierung und der Stadt Hamburg vom März lag offensichtlich noch eine optimistische Einschätzung zugrunde. „Der Bund stellt Hamburg zur pauschalen Abgeltung zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen im Rahmen des OSZE-Ministerrats und des G20-Gipfels einen Betrag in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verfügung“, heißt es dort. Und weiter: Die „bestimmungsgemäße Verwendung“ habe Hamburg schriftlich nachzuweisen. Sollte die Stadt dem nicht ordnungsgemäß nachkommen – das Geld also nicht in Gänze benötigen –, könne der Bund die Mittel „einschließlich Zinsen zurückfordern“.
Der umgekehrte Fall, dass die Stadt nämlich mit diesen 50 Millionen nicht auskommt, wird gar nicht thematisiert. Mit gutem Grund: Denn „sämtliche“ noch von der weiteren Entwicklung abhängende Kosten“, die über die 50 Millionen hinausgehen, müssten „von Hamburg alleine getragen werden“, hatte der Senat seinerzeit der Bürgerschaft mitgeteilt. Dieser Fall scheint nun einzutreten, und er sorgt bereits für Diskussionen.
Auslöser war eine Mitteilung des Senats von Ende Juni, mit der die Bürgerschaft darüber informiert wurde, dass die Innenbehörde 2016 ihren Etat um mehr als 17 Millionen Euro überzogen habe und nun Hilfe aus anderen Behörden benötige. Zur Begründung wird unter anderem auf „die Durchführung des OSZE-Ministerrats im Dezember 2016“ verwiesen, ohne dass dazu Zahlen genannt werden.
G20: Deutliche höheres Polizeiaufgebot als beim OSZE-Treffen
Auf Anfrage des Abendblatts, was das OSZE-Treffen, das bis heute nicht final abgerechnet ist, denn gekostet habe, teilte die Innenbehörde mit: „Nach heutigem Stand kann von ca. 20 Millionen Euro Kosten im Sicherheitsbereich ausgegangen werden.“ Diese Summe kommt für viele Finanzpolitiker überraschend: „Wenn OSZE schon 20 Millionen Euro gekostet hat, könnte G20 bis zu 80 Millionen gekostet haben“, schätzt CDU-Haushaltsexperte Thilo Kleibauer.
Die Annahme stützt sich auf mehrere Daten: Während das Außenministertreffen im Dezember von 13.000 Polizisten geschützt wurde, waren es bei G20 rund 20.000. Waren beim OSZE-Gipfel nach Senatsangaben 6000 Polizisten aus anderen Bundesländern im Einsatz, dürften es bei G20 mindestens 10.000 gewesen sein. Etliche Hundertschaften wurden wegen der schweren Ausschreitungen sogar noch nachträglich angefordert.
Während es beim Außenministertreffen weitgehend ruhig blieb, waren die Sicherheitskräfte während G20 nahezu pausenlos im Einsatz – dabei dürften Hunderttausende Überstunden angefallen sein, die alle vergütet werden müssen. Außerdem hatten die Sicherheitsbehörden rund um G20 ein Ausrüstungsarsenal aufgefahren, das jenes vom OSZE-Treffen deutlich in den Schatten stellte: 3000 Einsatzfahrzeuge vom Motorrad bis zum Räumpanzer, elf Hubschrauber, mehr als 153 Diensthunde und 62 Pferde.
Innenbehörde überzieht Etat um 17 Millionen Euro
Und diese enorme Masse an Personal und Material war auch nicht nur wenige Tage im Einsatz wie bei OSZE, sondern zum Teil über Wochen. So waren schon 14 Tage vor G20 etliche auswärtige Hundertschaften – die sich die Länder mit rund 25.000 Euro pro Tag vergüten – in der Stadt. Auch aus Sicht von Katja Suding spricht daher „viel dafür“, dass die 50 Millionen Euro vom Bund nicht ausreichen werden. „Wir stehen dazu, dass wir den Gipfel hier in Hamburg gern ausgerichtet haben“, sagte die FDP-Chefin. „Aber der Bund war der Veranstalter, und er muss daher die Mehrkosten tragen.“
Allerdings fordern die Haushaltspolitiker erst einmal eine Abrechnung: „Wir brauchen jetzt schnell Klarheit“, sagte CDU-Finanzexperte Kleibauer. Die Ankündigung des Senats vom März, dass alle über 50 Millionen Euro hinausgehenden Kosten „grundsätzlich aus den fachlich zuständigen“ Behörden getragen werden sollen, bereitet ihm Sorge.
Leitartikel: Warum macht Scholz das?
Dass die Innenbehörde schon 2016 ihren Etat massiv überzogen habe, lasse befürchten, dass sie 2017 nicht auch noch weitere G20-Kosten schultern könne. „Wenn in der Innenbehörde plötzlich 17 Millionen Euro fehlen, lässt dies deutliche Zweifel aufkommen, ob Rot-Grün ausreichend Mittel für die innere Sicherheit eingeplant hat“, so Kleibauer, der auch den Zeitpunkt der Mitteilung kritisiert: „Es kann nicht sein, dass dem Parlament erst ein halbes Jahr später berichtet wird, wenn in einer Behörde ein so massiver Fehlbetrag entstanden ist. Das wirkt nicht gerade wie eine seriöse Haushaltsplanung.“
SPD-Finanzexperte Jan Quast wies das zurück. Der Fehlbetrag sei zwar „nicht schön“, aber angesichts eines Behördenetats von mehr als einer Milliarde Euro sei eine Abweichung um 17 Millionen Euro „fast eine Punktlandung“. Im Übrigen sei die Abrechnung des Haushaltsjahres 2016 ja noch gar nicht abgeschlossen.