Hamburg. Polizei nimmt drei Verdächtige fest. Die Männer gingen immer nach demselben Muster vor. Bei Einbrüchen hilft manchmal der Zufall.
Die Soko Castle muss ein Lieblingskind der Polizeiführung sein – weil sie am Fließband Erfolge in einem delikaten Deliktsfeld liefert: dem Einbruchdiebstahl. Die Soko, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer vor einigen Wochen, habe maßgeblich Anteil daran, dass die Zahl der Einbrüche 2016 um rund ein Sechstel gegenüber dem Jahr davor zurückgegangen ist.
Nun der nächste Paukenschlag der Anti-Einbrecher-Einheit, der nächste spektakuläre Fall: Sie hat eine Bande festgenommen, die seit Anfang 2016 mehr als 200 Einbrüche begangen haben soll. Damit hat die Mitte 2015 gegründete Soko ihren bisherigen „Rekord“ eingestellt. Selbst der amtierende „Einbrecher-König“, ein 35 Jahre alter Albaner, Spitzname „die Katze“, brachte es nur auf rund 170 Taten. „Auch dieser große Ermittlungserfolg zeigt, dass wir mit dem Ansatz, professionelle Einbrecherstrukturen zerschlagen zu wollen, auf dem richtigen Weg sind“, lobte Polizeichef Meyer.
"Ziehfix" – so gehen Einbrecher in Hamburg vor
Etliche blaue Sterne auf einer Hamburg-Karte, per Beamer auf eine Leinwand projiziert, zeigten bei der Vorstellung des Ermittlungserfolgs durch LKA-Chef Frank-Martin Heise am Freitag, wo die drei Verdächtigen im Stadtgebiet überall zugeschlagen haben sollen. Eine auffällige, räumliche Häufung von Tatorten ließ sich darauf nicht erkennen, die Einbrüche waren ziemlich gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt. Was aber verband die Einbrüche dann miteinander? Was war der „individuelle Aspekt“ der Taten, nach dem die Soko immer als Erstes schaut?
Der „Modus Operandi“ – die Begehungsweise also. Denn in allen Fällen verwendeten die Täter einen sogenannten „Ziehfix“, um sich Zutritt zu den Wohnungen und Häusern zu verschaffen. Dabei wird in den Schließzylinder der Tür eine Spezialzugschraube gedreht. Der Zylinder bricht und wird mit dem Ziehfix herausgezogen. So gehen nur professionelle Täter vor, nicht Gelegenheitsdiebe. „Das macht nicht jeder, das kann nicht jeder“, sagte Alexandra Klein, die Chefin der Soko Castle. Das Öffnen einer Tür mit einem Ziehfix brauche „Zeit und Geschick“.
Ermittlungen: Kameras helfen – und der Zufall
Wie genau die Täter ermittelt wurden, dazu wollte sich Klein aus taktischen Gründen nicht äußern. Die Dienststelle ist allerdings bekannt dafür, Massendaten aus den unterschiedlichsten Quellen miteinander zu vernetzen. „Anhaltemeldungen“, zufällige Personenüberprüfungen, werden beispielsweise verbunden mit Bildern aus Überwachungskameras, die beim Fahrkartenkauf entstanden; oder es gibt Schilderungen nach „Täter-Opfer-Kontakten“ und irgendwann eben Daten, die sich sinnhaft miteinander verknüpfen lassen – sogenannte Kreuztreffer. Der Weg bis zur ersten heißen Spur ist allerdings meist zäh und personalintensiv, bei der jetzt aufgeklärten Einbruchserie war es nicht anders. Seit Anfang 2016 ermittelten die Castle-Beamten in dem Fall. „Das war Sisyphusarbeit, wir mussten ein Puzzle zusammensetzen“, sagte Klein.
Einmal ins Visier geraten, ließen die Ermittler nicht mehr locker. Nachdem Beamte die Verdächtigen drei Tage observiert hatten, machte sich das Trio am 16. Juni an einem Mehrfamilienhaus an der Drögestraße in Barmbek zu schaffen – wieder mit einem Ziehfix. Dann nahmen die Beamten sie fest: einen Slowaken (47), der in Hamburg lebt und nicht polizeibekannt ist; einen Landsmann (38), der nicht in Hamburg gemeldet war, aber ebenfalls noch nicht auf dem Radar der Ermittler aufgetaucht war.
Polizei-Puzzle: Beweise müssen den Taten zugeordnet werden
Und einen 36 Jahre alten Polen, der wegen bandenmäßigen Diebstahls bereits drei Jahre Haft abgesessen hat. Einigermaßen überraschende Erkenntnis: Um reisende Täter, denen die Polizei das Gros der Einbrüche in Hamburg anlastet, handelt es sich bei den Verdächtigen nicht. Sie sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.
Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen habe die Polizei „umfangreiches Beweismaterial“ sichergestellt, mehr als 300 Asservate, die den 200 Taten nun zugeordnet werden müssen. „Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt“, so Klein. Die Auswertung laufe auf Hochtouren. Was bisher bekannt ist: Mal ließen sie Schmuck, mal eine Münzsammlung, mal eine Videokamera mitgehen. Kriminell aktiv waren sie offenbar schon länger, so stammte die sichergestellte Videokamera aus einem Einbruch von vor sieben Jahren. Allein 58 Einbrüche, die den Verdächtigen zugeordnet werden, passierten 2017. 19 Taten hätten ihnen bisher sicher nachgewiesen werden können, Klein: „Es vergeht kein Tag, an dem wir ihnen nicht eine weitere Tat zuordnen.“