Für das Bauprojekt am Hörgensweg wurden bis zu elf Millionen gezahlt, weil der Investor die Bürgerverträge nicht akzeptieren will.
Hamburg. Hamburg zahlt für den Bau von Expresswohnungen für Flüchtlinge offenbar Zuschüsse in Millionenhöhe. Für die Unterkunft am Hörgensweg in Eidelstedt seien an das Wohnungsbauunternehmen Fewa bis zu 11,3 Millionen Euro zusätzlich zugesagt worden, sagte die FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke am Mittwoch und bestätigte damit einen Bericht der „Bild“-Zeitung. Der Baukostenzuschuss betrage 2,50 Euro pro Quadratmeter.
Auch für die Flüchtlingssiedlung am Mittleren Landweg in Bergedorf – hier wurden von Fewa 800 Wohnungen errichtet – wurde der Zuschuss vereinbart. Zur Höhe dieses Zuschusses wollte die für den Expresswohnungsbau zuständige Stadtentwicklungsbehörde am Mittwoch zunächst nichts sagen. Nach ihrer Darstellung ist der Zuschuss allerdings gerechtfertigt. Der rasche Bau der Gebäude, die zunächst als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollen, habe Mehrkosten verursacht. Zudem seien die Gebäude mit zusätzlichen Fluchtwegen ausgestattet worden. Nur so könne die Sicherheit der Bewohner gewährleistet werden.
Vertrag mit Investor widerspricht Bürgerverträgen
Das Problem: Der Vertrag zwischen Behörde und Fewa wurde nach Abendblatt-Informationen am 12. Juli 2016 geschlossen und sah die Errichtung von 350 Wohnungen für bis zu 1500 Flüchtlinge vor. Zur gleichen Zeit vereinbarten die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Andreas Dressel und Anjes Tjarks, jedoch mit den Bürgerinitiativen, dass in einer Einrichtung nicht mehr als 300 Flüchtlinge untergebracht werden sollen.
Das bedeutet, dass am Hörgensweg lediglich 175 Wohnungen für Flüchtlinge gebraucht werden. Das hätte eigentlich eine Reduzierung der Baukostenzuschüsse zur Folge. Der Investor Fewa pocht allerdings auf die mit dem städtischen Unternehmen „Fördern & Wohnen“ geschlossenen Mietverträge: am Hörgensweg für 350 und am Mittleren Landweg für 800 Flüchtlingswohnungen.
Behörde: Derzeit werde mit Investor nachverhandelt
Die Stadtentwicklungsbehörde erklärte am Mittwoch lediglich, aufgrund der Bürgerverträge würden nun „erhebliche Teile der Flüchtlingsunterkunft bereits früher als reguläre Sozialwohnungen genutzt“. Mit dem Vermieter müsse nun geklärt werden, wie mit diesem vom ihm eingeplanten Zuschuss für den Rest der 15-jährigen Laufzeit umgegangen werde. „Diese Gespräche laufen derzeit.“
Nach Abendblatt-Informationen hatte man in der Behörde die große Sorge, dass sowohl das Projekt am Hörgensweg als auch am Mittleren Landweg nicht realisiert würden, wenn der Zuschuss nicht in der ursprünglich vereinbarten Höhe gezahlt werde.
Die FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke sprach von einem „ungewöhnlichen“ Baukostenzuschuss. „Die Koste-es-was-es-wolle-Politik muss endlich ein Ende haben.“ CDU-Fraktionsvize Karin Prien fragte, wie es sein könne, dass mit den Bürgerinitiativen über eine Obergrenze von 300 Plätzen für eine Unterkunft verhandelt worden sei, die Baubehörde zur gleichen Zeit mit Investoren einen Vertrag akzeptiere, der für die Stadt einen Millionenschaden bedeute. „Das ist sehr nahe an der Haushaltsuntreue.“
Opposition wirft Senat Verschwendung vor
In der Bürgerschaft waren am Mittwoch die Baukostenzuschüsse und die Ausgaben der Stadt für die Versorgung von Flüchtlingen Anlass für eine lebhafte Debatte. Während die Opposition von CDU, FDP und AfD dem rot-grünen Senat Verschwendung und Intransparenz vorwarfen, verteidigten Abgeordnete von SPD und Grünen die hohen Ausgaben von mehr als 900 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Weder Innensenator Andy Grote noch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (beide SPD) – beide sind für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zuständig – äußerten sich in der Debatte.
Die FDP-Abgeordnete Jennyfer Dutschke meinte: Der Senat habe kaum eine Übersicht über die Kosten gehabt, auch die später abgeschlossenen Betreiberverträge hätten kein Licht in das Dunkel gebracht. So habe die Einrichtung Schmiedekoppel zwar über Monate leer gestanden, sei aber für mehr als 500.000 Euro bewacht und gereinigt worden. Das vor wenigen Tagen vorgelegte Teilcontrolling reiche nicht aus, Transparenz herzustellen.
Auch CDU-Fraktionsvize Karin Prien warf dem Senat ein „Versagen beim Kostencontrolling“ im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung vor. Das Verhalten der Regierung sei intransparent und verschwenderisch. Das Motto heiße: „Koste es, was es wolle. Geld spielt keine Rolle.“ Bis heute sei Rot-Grün nicht in der Lage, einen genauen Überblick über die Ausgaben im Zusammenhang mit Flüchtlingen zu erstellen.
Der AfD-Poliker Bernd Baumann unterstellte dem Senat, die Kosten für die Flüchtlingsversorgung zu niedrig angesetzt zu haben. Jetzt würden die Kosten explodieren, weil der Senat überstürzt und hektisch gehandelt habe. „Sie haben das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen ausgegeben“, sagte Baumann in Richtung SPD und Grüne.
SPD und Grüne verteidigen den Senat
Die SPD-Abgeordnete Ksenja Bekereis wies die Vorwürfe der Opposition zurück. „Die Bürgerverträge haben Auswirkungen auf die Standorte - auch am Hörgensweg.“ Die Wohnungen am Hörgensweg seien als Sozialwohnungen geplant. Bei der Erstellung von Wohnhäusern für Flüchtlingsunterkünfte entstünden allerdings zusätzliche Kosten. „Es war allen klar, dass die Bürgerverträge bedeuten, noch einmal Geld in die Hand zu nehmen.“ Der Grünen-Abgeordnete Farid Müller meinte, Hamburg habe das „transparenteste Verfahren bundesweit“.
Christiane Schneider von der Linken-Fraktion verteidigte die hohen Ausgaben für die Versorgung von Flüchtlingen. Vor dem Ausbruch der Flüchtlingskrise seien die Kapazitäten dafür deutlich abgebaut worden. Daran trügen frühere Senate, an denen die CDU und FDP beteiligt gewesen seien, eine Mitschuld. Jetzt würden „Baulöwen und Grundstücksbesitzer die Situation schamlos ausnutzen“ und „sich bereichern“. Deshalb benötige der Senat öffentliche Flächen, um im Falle eines Falles darauf zurückgreifen zu können.