Hamburg. Für Kinderschutz ist bisher fachlich der Senat, die Bezirke aber für die Umsetzung zuständig. Das führe zu Chaos mit fatalen Folgen.

Nach der Häufung der Todesfälle von Kindern in staatlicher Obhut in Hamburg plädiert die CDU für einen grundlegenden Umbau der Jugendhilfe. Sie will eines der Grundprobleme beheben, nämlich die Tatsache, dass die Sozialbehörde zwar die Fachaufsicht über die Maßnahmen der Jugendämter hat und bestimmte Richtlinien vorgibt – diese aber nicht durchsetzen kann, wenn die zuständigen Bezirke und ihre Jugendämter sie nicht umsetzen. Das passiert immer wieder.

Zuletzt wurde durch einen Abendblatt-Bericht bekannt, dass die Bezirke auch vier Jahre nach dem Tod der elfjährigen Chantal in einer Pflegefamilie bei jedem zweiten der in Hamburg betreuten rund 1300 Pflegekinder die Vorgaben der Sozialbehörde ignorieren. So werden etwa die vorgeschriebenen Hausbesuche nicht durchgeführt oder die nötigen Berichte nicht verfasst. Für die Aufsicht über die Bezirke ist im Senat nicht die Sozial-, sondern die Finanzbehörde zuständig, was die Lage nicht übersichtlicher macht.

Vier schwerwiegende Fälle seit Mai 2015

Die CDU hat nun einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, nach dem die Verantwortung für den Kinderschutz in Hamburg künftig zentral gebündelt werden soll. „Die Häufung von Todesfällen von Kindern in staatlicher Obhut in Hamburg ist bundesweit einmalig“, heißt es in dem Antrag. „Die Wiederholung folgenschwerer Fehler und Versäumnisse in den Jugendämtern lässt befürchten, dass Verbesserungen in den derzeitigen Strukturen nicht möglich sind.“

Seit Mai 2015 habe es vier weitere Fälle gegeben, „in denen Kinder, die in staatlicher Obhut waren oder vom Jugendamt betreut wurden, zu Tode gekommen sind oder bleibende schwere Schädigungen durch Gewalt erlitten haben. Allein in den letzten vier Monaten haben sich mit Jamie, Maximilian, Tayler und Deljo vier Fälle ereignet.“

Als grundlegendes Problem der Jugendhilfe in Hamburg habe sich „die Teilung von Aufgaben und Verantwortung für den Kinderschutz“ zwischen der Sozialbehörde und den bezirklichen Jugendämtern erwiesen. Die Sozialbehörde habe „nur sehr eingeschränkte Durchgriffsrechte in Bezug auf Personal, Struktur und Organisation der Bezirksämter“.

Probleme laut CDU systemimmanent

Der Antrag sei „die logische Konsequenz aus den tragischen Todesfällen kleiner Kinder in Hamburg“, sagte CDU-Jugendpolitiker Philipp Heißner. „Die parlamentarische Aufklärung hat gezeigt, dass der kleine Tayler wahrscheinlich noch am Leben wäre, wenn das Jugendamt Altona die geltenden Regeln zum Kinderschutz befolgt hätte. Immer wieder mussten wir erleben, dass sinnvolle Regeln von der Behörde erlassen wurden, aber niemand sichergestellt hat, dass die bezirklichen Jugendämter sie auch umsetzen.“

Die „Arbeits- und Organisationsstrukturen schwächen in ihrer Summe den Kinderschutz und machen daneben das Hilfesystem noch sehr teuer“, heißt es in dem von Heißner formulierten Antrag. „Insbesondere die Fälle Deljo und Yagmur haben gezeigt, dass diese Teilung von Aufgaben und Verantwortung in der Praxis zu erheblichen Defiziten bei der Ausübung des staatlichen Schutz- und Wächteramts führt. Diese Probleme scheinen systemimmanent und nicht behebbar durch einzelne fachliche Maßnahmen, die für sich zweifellos sinnvoll sind.“

Antrag soll Mitte Juni in die Bürgerschaft

Zugleich beklagten die pädagogischen Fachkräfte in den Jugendämtern eine Überforderung durch überbordende fachliche Vorgaben und Arbeitsüberlastung durch eine unzureichende Personalausstattung. Auf der anderen Seite reagiere die Fachbehörde auf die Todesfälle von Kindern regelmäßig mit zusätzlichen fachlichen Vorgaben und beklage die Nichtbefolgung des Regelwerks, wenn es erneut zu aufsehenerregenden Fällen mit offenkundigen Fehlern kommt.

„Die Organisation der Jugendhilfe gehört deshalb auf den Prüfstand“, so der CDU-Antrag. Für wirksamen Kinderschutz sei es nötig, die Verantwortung in eine Hand zu legen. Der Senat solle darauf hinwirken, „dass Aufgaben und Verantwortung für den Kinderschutz in Hamburg fachlich, organisatorisch und ressourcenmäßig zusammengeführt werden“, so die Forderung. Die bezirklichen Dienststellen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) sollten in einer zentralen Einheit gesteuert werden – die „bezirklichen Personalbudgets und Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung“ ebenfalls.

„Wenn es um das Leben unserer kleinsten Kinder geht“, so CDU-Mann Heißner, „können wir uns ein Zuständigkeitswirrwarr nicht leisten“. Der Antrag wird voraussichtlich Mitte Juni in der Bürgerschaft debattiert.