Altstadt. Was tun!? So will Hamburg Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt bringen. 1,5 Millionen Euro stehen für das Projekt W.I.R. zur Verfügung.
Hamburg startet noch in diesem Monat ein bundesweit einzigartiges Programm, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Richtige Vorbilder haben wir für das Projekt nicht“, sagt Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), „aber wir müssen ja mal anfangen“.
„Bislang wisse man relativ wenig über die mitgebrachten Qualifikationen der Flüchtlinge“, bekennt er bei der Vorstellung des Projekt mit dem Namen W.I.R. – work and integration for refugees, bei dem die Sozialbehörde, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter team-arbeit.hamburg und Träger der Flüchtlingshilfe eng zusammen arbeiten wollen. Die Spekulationen über die Qualifikationen der Asylbewerber gingen weit auseinander und seien häufig interessengeleitet, sagt Scheele, „wir wollen herausfinden, was das für Menschen sind“.
Dafür sollen im ersten Schritt die beruflichen Kenntnisse und Kompetenzen der Flüchtlinge systematisch erfasst und danach für jeden von ihnen ein individuelles Förderprogramm erarbeitet werden – nach dem Vorbild der Jugendberufsagentur. Zielgruppe von W.I.R sind nach Angaben des Sozialsenators Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive, also Menschen, die aller Voraussicht nach in Hamburg bleiben dürfen. Das seien etwa Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan, Irak, Sudan, Somalia oder Eritrea. Derzeit handelt es sich Scheele zufolge um mindestens 5000 Menschen – und es dürften mehr werden. Asylbewerber vom Balkan seien aber definitiv nicht die Zielgruppe, so Scheele.
Mobile Teams des 20-köpfigen W.I.R-Projektteams werden vom 15. September an die Betreffenden in den Flüchtlingsunterkünften direkt aufsuchen und die Schul- oder Ausbildung sowie berufliche Qualifikation erfassen, aber auch die gesundheitliche Situation erfragen. Wenn nötig, würden die Teams von Dolmetschern begleitet.
In einem zweiten Schritt werden die Flüchtlinge im gemeinsamen Büro der beteiligten Institutionen am Millerntor 1 weiter beraten. „Da sitzt ein Mitarbeiter des Jobcenters neben einem Mitarbeiter der Ausländerbehörde“, sagt Scheele, der sich von den kurzen Wegen unter einem Dach raschere Entscheidungen verspricht. „Künftig muss man nur in ein anderes Zimmer gehen, aber keinen Brief an die andere Behörde schicken.“
1,5 Millionen Euro stehen für W.I.R. zur Verfügung. Bis spätestens Ende 2016 soll jeder Flüchtling im erwerbsfähigen Alter bei der Bundesagentur für Arbeit erfasst und möglichst vermittelbar sein. Scheele fordert von der Bundesregierung, dass Flüchtlinge schneller Zugang zu Deutschkursen bekommen müssen. „Sprache ist ein wesentliches Element für die Integration“, sagt auch Friedhelm Siepe, Geschäftsführer des Jobcenters. Die Mehrheit der Flüchtlinge bringe keine ausreichenden Deutsch- oder Englischkenntnisse mit, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.
Für Sönke Fock, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Hamburg, steht fest: „Der Status als Flüchtling ist ein flüchtiger. Es kommen Menschen, die dauerhaft in Hamburg bleiben wollen. Sie suchen den Weg in unsere Gesellschaft über Ausbildung und Arbeit. Deshalb ist es wichtig, ihnen den Weg zu bereiten.“ Die Flüchtlinge müssten qualifikationsgerecht in den Arbeitsmarkt integriert werden.
„Den viel zitierten syrischen Arzt gibt es sicher auch darunter“, sagt Fock, aber es brauche Zeit, die Flüchtlinge zu qualifizieren, auch wenn die Wirtschaft die Erwartung habe, sie möglichst schnell in Arbeit zu bringen. Freie Stellen gebe es reichlich in Hamburg. Fock spricht von gut 15.000 Angeboten etwa in den Bereichen Reinigungsgewerbe, Pflege, Hotellerie und Gaststätten. „Da ist der Hamburger Arbeitsmarkt aufnahmebereit.“ Wichtig sei aber, den Arbeitgebern klar zu machen, dass für anerkannte Flüchtlinge exakt die gleichen Regularien gelten wie für alle Arbeitnehmer. „Ein ,Abfischen‘ von billigen Arbeitskräften werden wir nicht zulassen“, sagt auch die DGB-Vorsitzende Katja Karger, die die Integrationsbemühungen des Senats lobt: „Jetzt sind die Betriebe gefragt, um Arbeitsplätze zu schaffen, mit denen eine Integration gelingen kann.“
Viel Zustimmung zu W.I.R gibt es von den Grünen. „Das breit aufgestellte Hamburger Projekt leistet Pionierarbeit, besonders freut mich, dass so viele Kooperationspartner sich aktiv engagieren“, sagt Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Karin Prien, flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, betont, die Initiative zur Arbeitsintegration sei von der CDU ausgegangen. Sie kritisiert aber, dass das „Konzept mit seiner mageren finanziellen und personellen Ausstattung nur einen ersten Schritt darstellen“ könne und plädiert für ein Vor-Ort-Team in jeder Erstauf- nahmeeinrichtung“. Inge Hannemann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, fragt sich, woher bei Jobcenter und Agentur für Arbeit das Personal für den neuen gemeinsamen Standort für Flüchtlinge kommen solle. Bereits jetzt seien die Jobcenter unterbesetzt.