Hamburg . Am Montag trafen sich Hamburgs Volksvertreter zum ersten Mal. Knackpunkte: die niedrige Wahlbeteiligung und der Zwist in der Linksfraktion.

Karl-Heinz Warnholz schaute zufrieden in die Bürgerschaft als die beiden jüngsten Abgeordneten neben ihm im Präsidium Platz genommen hatten. Das 70-jährige CDU-Urgestein leitete als Alterspräsident die konstituierende Sitzung der Bürgerschaft und Annkathrin Kammeyer (25, SPD), und Cansu Özdemir (26, Linke) waren als Schriftführerinnen benannt worden. „Ist doch ein schönes Bild mit zwei so jungen Damen“, sagte Warnholz. Die Abgeordneten antworteten mit warmem Applaus.

Die Harmonie wehrte nicht lang. Als in der ersten Sitzungspause die Stimmen für die Wahl von Carola Veit zur Präsidentin der Bürgerschaft ausgezählt wurden, erklärte Dora Heyenn ihren Austritt aus der Linksfraktion, die sie noch bis Ende der vergangenen Legislaturperiode angeführt hatte.

Zuvor hatte Warnholz, die Bürgerschaft für konstituiert erklärt – um genau 15.22 Uhr. Von den 121 Abgeordneten waren 120 dabei. Sylvia Wowretzko (SPD) fehlte krankheitsbedingt. Ein Wahlperiodenwechsel bringe immer mit sich, sich von verdienten Abgeordneten zu verabschieden und neue zu begrüßen, sagte Warnholz: „Dieser Wandel ist ein Wesen der Demokratie.“ Schon der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss habe gesagt: „Das Charakteristische an der Demokratie ist die Herrschaft auf Zeit.“ Nicht mehr dabei in der 21. Wahlperiode sind etwa Robert Heinemann (CDU), Christa Goetsch (Grüne) und Kersten Artus (Linke). Ein Drittel der Abgeordneten seien neu in der Bürgerschaft. Er appellierte an die erfahreneren Parlamentarier, die Neuen zu unterstützen.

Carola Veit, die neu gewählte Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft
Carola Veit, die neu gewählte Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft © Axel Heimken

Warnholz, der seit 1997 in der Bürgerschaft sitzt, bezeichnete politische Mandate als „kostbares Gut“. Er bedauerte die erneut gesunkene Wahlbeteiligung: „Wir müssen gemeinsam dafür arbeiten, dass die Hamburger wieder Vertrauen in die Politik gewinnen.“ Und mit Blick auf die AfD, mit der nun erstmals sechs Parteien in der Hamburgischen Bürgerschaft vertreten sind, sagte Warnholz: „Wir haben es schon häufig in diesem hohen Hause erlebt, dass neue Parteien eingezogen sind. Einige haben sich etabliert, andere waren nur kurz dabei.“

Als letzte Amtshandlung verkündete Warnholz das Ergebnis zur Wahl der Bürgerschaftspräsidentin. Carola Veit, 41, erhielt 109 von 120 Stimmen. Vier Bürgerschaftsabgeordnete stimmten gegen sie, sieben enthielten sich. Veit, die keinen Gegenkandidaten hatte, wurde damit nach 2011 zum zweiten Mal in das Amt gewählt. Damals war sie nur mit Mühe in Hamburgs protokollarisch höchste Amt gekommen. Vom Parlament hatte Veit lediglich 65 von 119 gültigen Stimmen erhalten.

46 Abgeordnete votierten gegen sie, acht enthielten sich der Stimme. Veit hatte damit indirekt die fraktionsübergreifende Kritik an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zu spüren bekommen: Denn zwei Wochen zuvor erst hatte die Bürgerschaft Dorothee Stapelfeldt (SPD) zur Präsidentin gewählt. Doch Scholz berief Stapelfeldt wenig später zur neuen Wissenschaftssenatorin und löste damit großes Unverständnis innerhalb der Opposition aus.

Hamburger Linke kippt Heyenn aus Fraktionsspitze

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    Über ihre Wiederwahl sagte Veit am Montagnachmittag: „Das ist eine große Ehre, zum zweiten Mal das Amt der Bürgerschaftspräsidentin ausführen zu dürfen.“ Sie sei sich der Verantwortung bewusst und erklärte, dass nun eine mit fünf Jahren lange „und nicht ganz einfache“ Legislaturperiode bevorstehe. Die Bürger erwarteten, dass die Regierungsfraktionen nicht nur „Ja und Amen“ sagten. Auch sollte die Opposition nicht immer nur „dagegen“ sein. Veit zeigte sich angesichts der Wahlbeteiligung ebenfalls besorgt: „Unsere Aufgabe ist es, alle zu vertreten und zu aktivieren.“

    Ein überzeugendes Ergebnis erzielte der ehemalige CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich bei der Wahl zum ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft. Er erhielt 107 Ja-, und sieben Nein-Stimmen bei sechs Enthaltungen. Der Kandidat der AfD ist dagegen beim ersten Versuch bei den Abgeordneten durchgefallen. Detlef Ehlebracht kam auf nur auf 34 von 119 gültigen Stimmen. 53 Abgeordnete lehnten Ehlebracht ab, 32 enthielten sich.

    Damit muss bei der Sitzung am 25. März ein AfD-Kandidat gewählt werden. Dabei hatten sich die Fraktionen darauf geeinigt, einen Vize-Posten der AfD zuzugestehen. Zwar gibt es auf diese Weise sechs Stellvertreter von Veit. Die AfD sollte somit nicht die Gelegenheit erhalten, sich als Opfer zu stilisieren. Gewählt wurden Barabara Duden (SPD) mit 107 Ja-Stimmen, Wieland Schinnenburg (FDP) mit 94, Antje Möller (Grüne) mit 93, Christiane Schneider (Linke) mit 70 Ja-Stimmen.

    Parallel zur konstituierenden Sitzung haben die Fraktionen ihre Spitzen gewählt. Bei der SPD bleibt der Fraktionsvorstand kommissarisch im Amt - also erst einmal weiter mit Andreas Dressel als Fraktionsvorsitzendem. Spätestens Mitte April, also mit der Wahl des neuen Senats, soll ein neuer Fraktionsvorstand gewählt werden.

    Die CDU wählte wie erwartet André Trepoll zum neuen Fraktionschef. Alle 20 Abgeordneten der Christdemokraten stimmten für den Juristen. Anders als noch in der Fraktionssitzung in der vergangenen Woche. Da hatte Trepoll noch eine Gegenstimme erhalten. Auch die Grünen votierten einstimmig: Jens Kerstan bleibt Fraktionschef. Hier kann es nach der Senatsbildung ebenso zu Veränderungen kommen. Einstimmig entschied sich die FDP für die Wiederwahl von Katja Suding.

    Die Linke votierte für Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus als neue Fraktions-Doppelspitze. Für die AfD übernimmt Jörn Kruse das Amt des Fraktionsvorsitzenden. Er erhielt sieben Ja-Stimmen bei einer Enthaltung (und keiner Gegenstimme).

    Nach nur zweieinhalb Stunden waren alle Wahlvorgänge abgeschlossen. Zügig verließen die Abgeordneten schließlich die Bürgerschaft. Nur SPD-Fraktionschef Andreas Dressel kam noch einmal zurück. Der neue CDU-Fraktionschef Trepoll hatte dessen Wagen eingeparkt. „Na, das geht ja gut los“, sagte Dressel schmunzelnd und machte sich auf die Suche nach seinem Amtskollegen.