Hamburg. Dora Heyenn zieht Konsequenzen: Hinter ihrem Rücken hatte die Linke eine Doppelspitze gebildet - ohne sie. Selbst Gysi war machtlos.
Es ist nicht Dora Heyenns Art, ihre Gefühle zu verstecken. Und so machte die bisherige Vorsitzende der Linken Bürgerschaftsfraktion auch am Montag kein Geheimnis aus dem, was in ihr vorgeht. „Ich bin enttäuscht, ich bin ärgerlich, ich bin wütend“, sagte die 65-Jährige am Montag dem Abendblatt.
Am Wochenende hatte sich ihre Partei nicht nur für eine künftige Doppelspitze der Fraktion ausgesprochen, sondern mehrheitlich auch gegen sie: das Zugpferd der Hamburger Linken. Und genau darin lag für parteiinterne Kritiker auch das Problem. Heyenn sei inzwischen so präsent, dass die Partei hinter ihr verschwinde.
Heyenn zog eine überraschend deutliche Konsequenz und erklärte während der konstituierende Sitzung der Bürgerschaft am Montag ihren Austritt aus der Fraktion. „Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, meine Arbeit als fraktionslose Abgeordnete verantwortungsvoll fortzusetzen.“ Sie bleibe jedoch Mitglied ihrer Partei.
Eine spätere Rückkehr in die Linke-Fraktion schloss Heyen gleichsam nicht kategorisch aus. Dafür müsse jedoch erst erneut "eine Basis" geschaffen werden. Mit der Einführung der Doppelspitze hinter ihrem Rücken sei jedoch seitens der Fraktion "eine Grenze überschritten" worden.
Politiker anderer Parteien drückten persönlich und in den sozialen Netzwerken ihr Verstädnis für den Schritt Heyenns aus.
Heyenn war bei der Bürgerschaftswahl zum dritten Mal in Folge als Spitzenkandidatin ihrer Partei ins Rennen gegangen. Seit 2008 fungierte sie als Fraktionsvorsitzende. Vor der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft hatte sich die Linksfraktion gegen Heyenn gestellt. Vorausgegangen war ein Antrag von Christiane Schneider und Norbert Hackbusch, die auf eine Doppelspitze in der Fraktion drängten. Darin kritisieren die Beiden, dass der Wahlkampf zu sehr auf Heyenn zugeschnitten gewesen sei.
„Die Tendenz zur Hierarchisierung hat sich vor allem in den letzten Monaten sehr stark ausgeprägt“, heißt es im Antrag. Sichtbarer Ausdruck dieser Hierarchisierung sei das Großplakat mit Heyenn gewesen: „Eine höchst einseitige Personalisierung.“ Schneider sagte, dass sie am Antrag für eine Doppelspitze „nichts Demontierendes“ auf Heyenn bezogen finde. „Mit der Entwicklung danach bin ich allerdings nicht zufrieden.“. Der Landesvorstand hatte sich mit 7:5 Stimmen für eine Doppelspitze der Fraktion ausgesprochen. Heyenn: „Schon das habe ich als Bruch empfunden.“ Gleichwohl sollte sie nach Wunsch des Landesvorstands Teil der Doppelspitze bleiben. Das ergab ein zweiter Beschluss - einstimmig.
Als sich aber auf einer Fraktionssitzung sechs von elf Abgeordneten gegen Heyenn stellten, warf die 65-Jährige das Handtuch. Nicht einmal der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, konnte sie zu einer erneuten Kandidatur bewegen. Irgendwann sei Schluss, sie sei nicht Heide Simonis, sagte Heyenn. Mit 8,5 Prozent hatte die Linke bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar ihr bislang bestes Ergebnis in Hamburg erreicht. Damit geht die Fraktion mit elf statt bisher mit acht Abgeordneten in die fünfjährige 21. Legislaturperiode. Die Fraktion sollen künftig die Abgeordneten Cansu Özdemir (26) und Sabine Boeddinghaus (58) führen. Damit vollzieht die Fraktion auch den von Schneider und Hackbusch angestrebten Generationswechsel. Dennoch gestand Özdemir am Montag selbstkritisch ein, dass dies „alles andere als ein guter Start“ ist.
Am Montagnachmittag war rund zwei Wochen nach dem Wahlsieg der SPD die Hamburgische Bürgerschaft zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Eröffnet wurde das erste Treffen der Abgeordneten in der 21. Legislaturperiode mit einer Rede des Alterspräsidenten Karl-Heinz Warnholz. Um 16 Uhr wurde Carola Veit mit 109 von 120 Stimmen erneut zur Bürgerschaftspräsidentin gewählt worden. Anschließend wurde der CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich und Barbara Duden mit jeweils 107 Ja-Stimmen, Wieland Schinnenburg (FDP) mit 94 Ja-Stimmen, Antje Möller (Grüne) mit 93 Stimmen und Christiane Schneider (Linke) mit 70 Ja-Stimme zu den Vizepräsidenten des Parlaments gewählt
Der AfD-Politiker Detlef Ehlebracht scheiterte mit nur 34 Ja-Stimmen bei der Wahl zum Bürgerschaftsvizepräsidenten. Die Wahl solle bei der ersten regulären Sitzung erneut durchgeführt werden, sagte Carola Veit im Plenum. Ein neuer Bürgermeister wird erst gewählt, wenn SPD und Grüne ihre derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen abgeschlossen haben.
Mit Material von dpa