Die Parteien inszenieren ihre Kandidaten in personalisierten Kampagnen, sagt der Hamburger Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp. Der eine als König, die andere als Star.
Hamburg. Überall Köpfe. An Bäumen, Laternenpfählen, Häuserwänden und auf großen Plakatwänden buhlen Politiker wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg mit ihrem Konterfei um die Gunst der Wähler. Mehr als 100.000 Wahlplakate gibt es Schätzungen zufolge in der Stadt, gefühlt so viele wie noch nie.
Zu sehen sind die Spitzenkandidaten der Parteien, aber wegen des Zehn-Stimmen-Wahlrechts auch scharenweise Kandidaten aus den Wahlkreisen. Auffällig ist, dass kaum inhaltliche Aussagen gemacht werden. Für die Wähler – viele Hamburger sollen nach jüngsten Umfragen noch unentschieden sein – erschließen sich kaum Entscheidungskriterien. Eine Reaktion darauf, dass in der Stadt kaum eine Wechselstimmung zu spüren ist?
„Der Trend, auf Wahlplakaten mehr auf flotte Sprüche zu setzen als auf politische Inhalte, geht weiter“, sagt Professor Kai-Uwe Schnapp, der an der Universität Hamburg Politikwissenschaft lehrt. Dabei setzten die Parteien verstärkt auf personalisierte Kampagnen. „Die Politiker werben mit kurzen Schlagworten: Freiheit, Bildung, Kita-Plätze. Damit machen sie sich zur Projektionsfläche, einem Gefäß, in das die Wähler das hineininterpretieren können, was zu ihren eigenen Vorstellungen passt.“
Scholz-Plakate mit „Königs-Ikonografie“
Besonders auffällig ist, dass bei den alten Plakaten der SPD ihr Spitzenkandidaten Olaf Scholz nur mysteriös mit halbem Kopf auf meterhohen Plakatwänden zu sehen war. Auf den neuen Plakaten ist der wichtigste Mann der Sozialdemokraten komplett zu sehen, im eleganten Anzug mit selbstsicherem Lächeln auf den Lippen. Scholz macht keinen Hehl daraus, dass er für sich und seine SPD erneut die absolute Mehrheit anstrebt.
Politik-Professor Schnapp sieht darin eine „Königs-Ikonografie, die sehr selbstbewusst, sogar fast arrogant wirkt“. Die SPD sei in den vergangenen vier Jahren nicht besonders bürgernah gewesen - und sei es auch jetzt im Wahlkampf nicht. „Zur Bürgerschaftswahl 2011 machte Scholz konkrete Versprechungen: 6000 neue Wohnungen im Jahr, Abschaffung der Studiengebühren. Das ist diesmal deutlich weniger der Fall. Sein Versprechen lautet jetzt: Weiter so.“
Trotzdem, so Schnapp: „Olaf Scholz hat Zustimmungsquoten, auf die selbst die Bayern neidisch gucken.“
Wersich versucht, Standpunkte zu vermitteln
Ganz anders präsentiert sich sein Kontrahent Dietrich Wersich (CDU). Auf den Plakaten macht er Aussagen zu konkreten Vorhaben seiner Partei, etwa in der Verkehrspolitik, einem der wichtigsten Wahlkampfthemen. „Der Kandidat wirkt bürgernah und sympathisch. Er versucht, Standpunkte zu vermitteln“, sagt Politologie-Professor Schnapp. „Dass er nicht punkten kann, liegt daran, dass er gegen einen starken Bürgermeister kämpft und sich inhaltlich kaum von der SPD abgrenzen kann."
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Selbst die Grünen machen inzwischen, was sie früher strikt abgelehnt haben: Die beiden Spitzenkandidaten, Katharina Fegebank und Jens Kerstan, sind überall brav nebeneinander plakatiert. Ebenso die Linken. „Sie personalisieren auch, verbinden das aber stärker mit Inhalten“, hat Schnapp beobachtet.
Suding macht Foto-Shooting im Promi-Magazin
Meisterin des Fachs Wahlwerbung ist jedoch FDP-Frau Katja Suding. Fast allgegenwärtig ist das Gesicht der Spitzenkandidatin in der Stadt. Mal mit wehendem Haar, mal in schicker Lederhose und immer mit einem leichtgängigen Slogan wie etwa “Unser Jugendwort des Jahres heißt Bildung“. Viel geredet wurde in den vergangenen Tagen auch über eine Foto-Strecke im Promi-Magazin „Gala“, das Suding in Anlehnung an die Hollywood-Heldinnen „Drei Engel für Charlie“ gemeinsam mit den FDP-Politikerinnen Lencke Steiner und Generalsekretärin Nicola Beer präsentiert. „Da inszeniert sich eine Politikerin wie ein Star“, sagt Schnapp.
Schon zu Beginn des Wahlkampfes hatte die Liberale mit dem Slogan „Unser Mann für Hamburg“ für Diskussionen gesorgt. Inzwischen steht die aus der Wählergunst gefallene Partei in Hamburg laut Umfragen wieder vor dem Einzug in die Bürgerschaft.
Ob es an den Wahlplakaten liegt? Schätzungen zufolge geben die Parteien zwar zwei Drittel ihres Etats für Wahlplakate aus, der Nutzen ist nach einer neuen Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen allerdings begrenzt. Danach geben nur zwei Prozent der Bevölkerung an, dass sie sich von Wahlwerbung auf Plakaten bei ihrem Wahlverhalten beeinflussen lassen.