Stadtplaner von nexthamburg und der Architekturkritiker Dirk Meyhöfer halten Konzept der Behörde für nicht ausreichend. Es sei eine „nachträgliche Rechtfertigung“ für den Bau der HafenCity.

Hamburg. Die neue 150-Seiten-Broschüre der Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau zur Entwicklung der Innenstadt hat die Stadtplaner von nexthamburg auf den Plan gerufen. Sie sammeln, moderieren und kanalisieren seit 2009 Bürgerideen für die Weiterentwicklung der Innenstadt und haben aus dem in Workshops und digital laufenden Diskussionsprozessen das Wohnen in der City als ihren Schwerpunkt herauskristallisiert. Die Ideen der Stadtentwicklungsbehörde aber gehen nexthamburg nicht weit genug, man könne das Wohnen „viel massiver“ in die City bringen.

Auch der renommierte Hamburger Architekturkritiker Dirk Meyhöfer kritisiert das Behördenkonzept. Es sei eher eine „nachträgliche Rechtfertigung“ für den Bau der HafenCity und weniger ein Konzept für die gesamte Innenstadt.

Hintergrund der City-Konzepte ist nicht nur die Idee der Integration von Wohnen und Arbeiten. Noch bis zum Feuersturm des Zweiten Weltkriegs wurde innerhalb des Wallrings überwiegend gewohnt, und viele Hamburger hätten diese verlorene Stadtstruktur gern zurück. Der zweite Punkt ist, dass sich mit der HafenCity und ihren neuen Büro- und Einzelhandelsflächen die Schwerpunkte verschieben: Die alte City könnte mittelfristig zur 1b-Lage werden. Schon heute gebe es Probleme am Großen Burstah und am Rödingsmarkt.

Mieter lassen sich nicht beliebig vervielfältigen

Mieter für Büros und Läden lassen sich nicht beliebig vervielfältigen. Mit der HafenCity wächst das Flächenangebot um 40 Prozent. Auch Meyhöfer sieht die HafenCity eher als Konkurrenz denn als Ergänzung zum Einzelhandelsangebot der alten Innenstadt. Beizeiten sind also Weichen zu stellen. Dazu gehört es laut nexthamburg auch, nicht mehr marktgerechte Büros zu Wohnungen zu machen oder für Wohnungsneubau abzureißen. Auch müssten die Mieten gedeckelt werden, damit nicht nur für Besserverdienende geplant werde.

Die City-Hochhäuser etwa, in denen das Bezirksamt Mitte residiert, könnten mit einem durchgehenden Dachgarten verbunden und fürs Wohnen umgebaut werden. Vielfach könne auch durch Anbauten oder Aufstockungen Wohnraum geschaffen und eine bessere Mischung der City erreicht werden.

Damit auch aus der östlichen Innenstadt ein Wohnquartier werden könne, sei der Neubau von 10.000 bis 20.000 Wohnungen nötig. Parallel müsse dazu eine Infrastruktur entstehen wie in der gut funktionierenden Neustadt. Das heißt: Die Ansiedlung von Kultur und inhabergeführtem Einzelhandel wäre gezielt zu fördern, es müssten Restaurants entstehen und Plätze für städtisches Leben im Freien.

Wohnräume zurückgewinnen

Die Verwandlung der sechsspurigen Ludwig-Erhard- und Willy-Brandt-Straße in einen Boulevard mit großen Bäumen und mehr Geschäften, wie es die Stadtentwicklungsbehörde vorschlägt, reicht den Planern von nexthamburg nicht. Die Rückgewinnung solcher Räume fürs Wohnen erfordere einen bunten Mix von Nutzungen. Und den Rückbau der sechsspurigen Straße, die de facto eine Transitautobahn sei. Die Achse Domplatz–HafenCity sei teilweise stark überdimensioniert und könne zurückgebaut werden.

Den Bürgerplanern von nexthamburg schwebt ein „Michaelisquartier“ rund um den Michel mit vielen Hundert Wohnungen vor. Dafür müsse der Schwerlastverkehr weitestgehend aus der Straße genommen werden. Auch könnten die kostenlose Nutzbarkeit von Bus und Bahn innerhalb des Wallrings und Parkhäuser am Cityrand den Pkw-Verkehr in der Straße reduzieren. Als gelungenes Beispiel für eine solche Rückeroberung einer Straße nannten die Planer von nexthamburg die Stuttgarter Theodor-Heuss-Straße, die sich von einer Stadtautobahn zur gefragten Meile für nächtliche Szenegänger gemausert habe.

nexthamburg will die Ideenansätze mit Diskussionen im Netz und bei einem Bürger-Workshop am 2. Juli, 18 Uhr, im Hamburg Museum vertiefen. Eine Anmeldung ist nicht obligatorisch, aber wünschenswert unter session@nexthamburg.de Mehr Infos unter www.nexthamburg.de