Grüne fordern eine Reform der Abfallabgaben für Schiffe, um zu verhindern, dass massenhaft Plastik im Meer entsorgt wird. Rund 100.000 Meeressäuger und eine Million Seevögel verenden jährlich Müll im Wasser.
Hamburg. Es ist ein unnötiges und qualvolles Sterben. Rund 100.000 Meeressäuger und eine Million Seevögel verenden jährlich durch den Müll, den wir Menschen in die Gewässer kippen. Viele Tiere verhungern, weil Plastikmüll ihre Verdauungsorgane verstopft. Drei Viertel der zehn Millionen Tonnen Abfälle, die in die Meere gelangen, sind Plastikabfälle. So jedenfalls stellt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) die Lage dar.
Ein Großteil der Verunreinigungen der Meere stammt von Schiffen, die ihren Unrat einfach über Bord werfen – auch weil das billiger ist, als in den Häfen hohe Entsorgungsgebühren zu zahlen. Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) konstatiert: „Hauptverursacher sind ... die kommerzielle Schifffahrt und die Fischerei. Beobachtungen aus Flugzeugen in der südlichen Nordsee zeigten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Mülldichte und den Schifffahrtslinien.“ Das Umweltbundesamt warnt schon seit vielen Jahren eindringlich vor den Folgen der Meeresvermüllung.
„Durchschnittlich 13.000 Plastikmüllpartikel treiben mittlerweile auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche“, schreibt das Amt auf seiner Internetseite. „Vor allem Verpackungsmaterialien und Abfälle aus Fischerei sowie Schifffahrt wie Netzreste oder Taue sind für das Leiden von mehr als einer Million Seevögeln und weiteren circa 100.000 Meereslebewesen verantwortlich, die dadurch jährlich umkommen. Für 136 Arten von Meereslebewesen ist bekannt, dass sie sich regelmäßig in Müllteilen verheddern und strangulieren.“
Grüne wollen Müllgebühren in Häfen abschaffen
Bisher gelingt es nur selten, die Umweltsünder in der internationalen Seeschifffahrt dingfest zu machen und zu bestrafen. Die Grünen plädieren deswegen dafür, einen anderen Weg zu gehen, um das Problem möglicherweise zu entschärfen. Sie wollen die hohen Müllgebühren in den Häfen abschaffen oder vollständig in die Hafengebühren integrieren, damit der Anreiz für die illegale Entsorgung auf See wegfällt. Das aber lehnt der SPD-Senat für den Hamburger Hafen derzeit ab, wie sich aus seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Wirtschaftspolitikers Anjes Tjarks ergibt.
Zwar habe „jedes abgabepflichtige Seeschiff die Möglichkeit, eine kostenlose Standardentsorgung in Anspruch zu nehmen“. Allerdings müssen „Mehrmengen vom Schiff bezahlt werden“, so die Senatsantwort, nach der rund 7500 Kubikmeter Müll pro Jahr anfallen – mit zuletzt leicht steigender Tendenz. Die Stadt hat in den beiden vergangenen Jahren jeweils rund 1,7 Millionen Euro an Gebühren für die Müllentsorgung von Schiffen im Hafen eingenommen. „Die Schiffsabfallabgabe setzt sich aus einem Betrag für Schiffsmüll- und Abwasserentsorgung sowie einem Betrag für die Ölentsorgung zusammen“, so die Senatsantwort. „Die Abgabe für Schiffsmüll und Abwasserentsorgung ist nicht von der entsorgten Menge, sondern von der Schiffsgröße abhängig. Sie beträgt zwischen 10 Euro für Schiffe bis 1500 BRZ und 105 Euro für Schiffe mit mehr als 30.000 BRZ.“ BRZ ist die Abkürzung für Bruttoraumzahl, dem Maß, in dem Schiffsgrößen angegeben werden.
Zur Verbesserung der Umweltstandards habe sich Hamburg seit den 1970er-Jahren den dazu geschlossenen Internationalen Abkommen angeschlossen und im vergangenen Jahrzehnt die Richtlinien der EU dazu umgesetzt, so die Senatsantwort weiter. „Darüber hinausgehende Schritte sind seitens der zuständigen Behörde gegenwärtig nicht geplant.“
Das aber reicht den Grünen nicht. „Jeder kennt die Bilder von schwimmenden Müllbergen und von an Plastikmüll verendeten Vögeln. Die gesonderte Erhebung von Müllgebühren im Hamburger Hafen ist leider ein Anreiz für die illegale Müllentsorgung auf offener See. Der Hamburger Senat bleibt bei diesem Thema tatenlos, obwohl es im Hamburger Hafen einen wichtigen Hebel gegen die Vermüllung unserer Meere gibt – nämlich die Müllgebühren“, beklagt der Grünen-Wirtschaftspolitiker Anjes Tjarks. „Der Senat behauptet zwar, dass er eine nutzungsunabhängige Abgabe für den Müll verlange. De facto müssen die Schiffe aber zusätzliche Kosten tragen, wenn sie ein bestimmtes Kontingent überschreiten. Damit ist die Abgabe eben nicht nutzungsunabhängig und die Versuchung, Müll über Bord zu kippen, bleibt bestehen.“
Der Grünen-Politiker fordert den Hamburger SPD-Senat daher auf, sich ein Beispiel an anderen Häfen der Region zu nehmen. „Wenn Hamburg wie die meisten Ostseehäfen die Müllabgabe in die Liegegebühren integrieren würde“, sagt Anjes Tjarks, „dann wäre das ein wichtiger Beitrag für sauberere Meere“.