Behörde erhält „ungefragt“ neue Hinweise über eine mögliche Stasi-Vergangenheit des Linkenfraktionschefs. Daher werde die Entscheidung über eine Anklage gegen Gysi weiter verschoben, wohl bis nach der Europawahl.

Hamburg. Kurz vor der erwarteten Entscheidung über eine mögliche Anklage gegen Linksfraktionschef Gregor Gysi steigt die Hamburger Staatsanwaltschaft wieder in die Ermittlungen ein. Es seien neue Hinweise eingegangen, die möglicherweise für das Verfahren um neue Stasi-Vorwürfe relevant seien, sagte Behördensprecherin Nana Frombach. „Wir können das nicht ignorieren.“

Ob Gysi mit einer Anklage rechnen muss oder ob das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, werde daher frühestens in mehreren Wochen feststehen – und damit deutlich nach der Europawahl. Die Staatsanwaltschaft will mehrere weitere Zeugen vernehmen, wie Frombach ankündigte – unter anderem ehemalige Mitarbeiter der Stasi und des Zentralkomitees (ZK). Die Ermittler prüfen seit Anfang vergangenen Jahres, ob der Politiker eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat.

Es geht um die Frage, ob er als Anwalt in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet hat oder nicht. Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und ein pensionierter Richter hatten Anzeige erstattet. Vor Gericht hat sich Gysi bisher stets erfolgreich gegen den Vorwurf gewehrt, er habe Mandanten in der DDR verraten oder ausspioniert. Die neuen Hinweise hätten die Staatsanwaltschaft „ungefragt und ganz kurzfristig“ am Montag erreicht, berichtete Frombach. Von wem sie kamen, wollte die Sprecherin nicht sagen.

Die Hinweise sollten jetzt auf ihre Verfahrensrelevanz hin geprüft werden. Daraus könne sich die Notwendigkeit der Vernehmung weiterer Zeugen ergeben. Bei ihnen handele es sich um ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees der SED in der DDR.

Nach dpa-Informationen handelt es sich bei den Hinweisen um ein E-Book des pensionierten Richters, der Anzeige erstattet hatte. Mitte April hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Gysi eigentlich für beendet erklärt. Die Entscheidung über eine Einstellung des Verfahrens oder eine Anklage war eigentlich Mitte Mai erwartet worden.

Gysi selbst äußerte sich noch nicht zu den wieder aufgenommenen Untersuchungen. Bis gestern weilte der 66-Jährige in Moskau zu Vermittlungsgesprächen in der Ukraine-Krise.