Steigerung um mehr als 76 Millionen Euro und Verzögerungen von bis zu 15 Jahren. Die größten Mehrkosten in absoluten Zahlen gab es offenbar bei der neuen Software Jus-IT.

Hamburg. Die Kosten für die unterschiedlichen städtischen IT-Projekte laufen immer weiter aus dem Ruder. Außerdem werden die vereinbarten Fertigstellungszeiten nur selten eingehalten. Das ergibt sich aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Robert Bläsing und aus weiteren Drucksachen zu Softwaregroßprojekten der Stadt. Nach Auswertung des Liberalen-Politikers sind die Kosten von insgesamt 77 Projekten bis heute um mehr als 76 Millionen Euro gestiegen, im Spitzenfall liegt die Zunahme bei deutlich mehr als 300 Prozent. Drei Viertel aller Vorhaben wurden oder werden außerdem später fertig als angegeben – in einem Fall liegt die Verzögerung demnach bei 15 Jahren, in sechs weiteren Fällen bei mehr als zehn Jahren.

„Die IT-Bilanz der Stadt ist ein einziges Dekadendesaster. Hier versagen Steuerung und Ausführung auf ganzer Linie“, sagte FDP-Politiker Bläsing. „Statt kostenstabiles wird hier ununterbrochen kostenlabiles Programmieren betrieben.“ Die größten Mehrkosten in absoluten Zahlen gab es demnach bei der neuen Software Jus-IT, mit der Jugendhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld neu organisiert werden. Sie wurde 21,5Millionen Euro teurer. An zweiter Stelle steht die städtische Personalsoftware ePers/KoPers, die bereits mit 17,5Millionen Euro Mehrkosten zu Buche schlägt. Die Einführung des neuen Haushaltswesens (NHH) und die dafür nötige IT-Umstellung wurde neun Millionen Euro teurer als geplant.

Auch die IT-Betriebskosten sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Lagen sie im Jahr 2010 noch bei 106 Millionen Euro, so waren es 2013 bereits 131 Millionen Euro. Dieser Anstieg um etwa ein Viertel in nur drei Jahre lasse sich allein mit der zunehmenden Digitalisierung der Verwaltung erklären, so FDP-Mann Bläsing. Prozentual war die Kostensteigerung beim Projekt WTS Internet Infrastrukturaufbau am höchsten, das um 316Prozent teurer wurde. Mehr als 200-prozentige Kostensteigerungen gab es auch bei der Softwareeinführung für den elektronischen Petitionsprozess, beim Zentralen Adressmanagament und dem nationalen Waffenregister in Hamburg. Den Rekord bei den Verzögerungen hält das Projekt Archiv Datawarehouse mit 15 Jahren, gefolgt von den Projekten Hauptfürsorge OASIS (13 Jahre) und KITA 2000 (11,5 Jahre). Im Durchschnitt werden die Hamburger IT-Projekte etwa dreieinhalb Jahre später fertig als geplant und etwas mehr als 50 Prozent teurer als veranschlagt. Dabei zeigt sich, dass die Verspätungen und Kostensteigerungen bei Projekten mit sogenanntem Lastenheft geringer ausfallen als bei Vorhaben, die ohne Lastenheft umgesetzt wurden.

In einem Lastenheft werden von Auftraggebern vor allem im Softwarebereich die genauen Anforderungen festgelegt. Es präzisiert und ergänzt also den Projektauftrag.

Angesichts der immer stärker steigenden Kosten im IT-Bereich fordern nun sowohl die FDP als auch die SPD-Mehrheitsfraktion vom Senat ein generelles Umsteuern. Beide haben ähnliche Anträge für die Bürgerschaftssitzung am Mittwoch und Donnerstag der nächsten Woche eingereicht. In beiden wird ein Konzept für eine Eindämmung der IT-Kostensteigerungen gefordert – analog zum Konzept für kostenstabiles Bauen, das der Senat als Reaktion auf die zahlreichen Kostensteigerungen bei städtischen Bauprojekten beschlossen hat.

„Wir wollen weiteren Kostenexplosionen bei IT-Projekten vorbeugen, wie wir sie jüngst bei KoPers und Jus-IT erleben“, sagte SPD-Haushaltspolitiker Jan Quast. „Die Analyse unabhängiger Gutachter zeigt, dass Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen oft auf Versäumnisse schon bei der Planung zurückzuführen sind. Auch bei diesen beiden IT-Projekten rächt sich jetzt, die schlechte Planung des Vorgängersenats. Wir wollen deshalb das zentral vorhandene Know-how in der Finanzbehörde stärken und bei Bedarf auch externe Projektsteuerer einsetzen, um möglichst schon zu Projektbeginn Klarheit über Anforderungen und Kosten zu erreichen.“ Entscheidend sei, „dass alle Beteiligten ihre Hausarbeiten machen und nicht erst im Projektverlauf mit neuen Anforderungen und Wünschen kommen. Das ist teuer und muss künftig möglichst vermieden werden”, so Quast.

Die FDP fordert den Senat in ihrem Antrag zur Erarbeitung eines „Konzeptes zum kostenstabilen Programmieren“ auf. Dafür seien „Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sowohl bezüglich der Betriebskostensteigerungen bei der IT-Infrastruktur als auch bezüglich der Kostensteigerungen und Terminverzögerungen von IT- und Softwareprojekten zu analysieren“. Außerdem solle der Senat „Verbesserungsvorschläge für Beschaffung und Betrieb von IT-Infrastruktur und Software“ entwickeln. „Die FDP fordert, dass der SPD-Senat dringend eingreift, um weiteren Schaden von Hamburg abzuwenden“, so FDP-Politiker Bläsing zum Hamburger Abendblatt.

Ob die beiden ähnlichen Anträge gemeinsam debattiert und dann auch beschlossen werden, ist nach derzeitigem Stand noch offen. Darüber will die SPD-Fraktion Anfang kommender Woche beraten.