Tarifstreit im öffentlichen Dienst: Mehr als 1200 Beschäftigte gehen auf die Straße. Erstmals sind vom Ausstand auch die Horte der Grundschulen betroffen.

Hamburg. In den Fahrradständern vor der Kita Markusstraße, wo sonst kaum ein Platz zu finden ist, gibt es an diesem Vormittag freie Auswahl. Überhaupt ist es sehr ruhig, als Zoe Marcopoulos mit ihrer Tochter Helena auf das Gelände der Elbkinder-Kita in der Neustadt kommt. An der Tür klebt ein Zettel, der über den Warnstreik der Beschäftigten im öffentlichen Dienst informiert und die Eltern um Verständnis für mögliche Unannehmlichkeiten bittet. Die 46-Jährige ist deshalb ein bisschen später dran. „Ich bin sehr froh, dass eine Notbetreuung angeboten wird. Sonst hätte ich ein Problem, weil ich zur Arbeit muss“, sagt die Einzelhandelskauffrau. Auch Karolin Illies bringt die zweijährige Ida trotz des Streiks in die städtische Kita, aber nur für drei Stunden. „Ich habe Verständnis für die Forderungen der Erzieher, aber für uns Eltern ist es schwierig. Wir sind auf die Betreuung angewiesen“, sagt sie.

Am Tag vor der heutigen Tarifrunde im öffentlichen Dienst lassen die Gewerkschaften die Muskeln spielen. Mehr als 1200 Menschen sind am Mittwoch zu einer zentralen Kundgebung vor das Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof gekommen. Mit Trillerpfeifen und Rasseln machen sie lautstark für Lohnerhöhungen mobil. „Wir haben uns hier versammelt, um Flagge zu zeigen für unsere Forderungen“, sagt der Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Abel. Erzieher, Müllwerker oder Hafenarbeiter seien die Stars des Alltags, ohne deren Engagement das Gemeinwesen nicht funktionieren würde. Sollten die Arbeitgeber nicht in die Verhandlungen einzusteigen, drohten weitere Arbeitsniederlegungen. „Wir sind nicht streikwütig, aber streikfähig.“

Gefordert wird eine Erhöhung der Entgelte um einen Sockelbetrag von 100 Euro plus weiteren 3,5 Prozent. „Schließlich arbeiten wir für die Bürger und erbringen wichtige Dienstleistungen“, sagt Heike Schüssler, Bibliothekarin in der Bücherhalle Altona. Auch Heiko Sturm, der bei der Stadtreinigung arbeitet, streikt für mehr Gehalt. Viele Mitarbeiter der Stadtreinigung sind gleich mit ihren Reinigungsfahrzeugen zum Besenbinderhof gekommen und haben ihre Arbeit niedergelegt. Für den 42-Jährigen, der die Großkehrmaschinen fährt, würde die Tariferhöhung 180 Euro mehr im Monat ausmachen.

Unter den Demonstranten ist auch Erzieherin Tatjana Arndt. „Ich will zeigen, dass ich mich für meinen Berufsstand einsetze“, sagt die 27-Jährige, die in der Elbkinder-Kita Johannes-Mohr-Weg in Othmarschen arbeitet. 1500 Euro netto verdient sie in ihrem Vollzeitjob. „Davon kann man gerade mal so leben“, sagt sie. Wenn immer mehr Leistung gefordert wird, muss auch die Bezahlung angemessen sein, fordert Ilka Wöckner von der Kita Gropiusring in Steilshoop. „Wir fühlen uns wie im Hamsterrad.“ Knapp 1500 Erzieher der städtischen Kitas beteiligten sich an dem Warnstreik.

Die Kita Glashüttenstraße im Karoviertel ist komplett geschlossen. „Wir streiken“ klebt in großen Buchstaben in den Fenstern. „Wir wurden rechtzeitig informiert“, sagt Steffen Wendt, der mit Tochter Enna gerade auf dem Weg zu einem Treffen mit anderen Kita-Eltern ist. Für den Streik hat er Verständnis. „Erzieher müssen gut bezahlt werden, damit sie gute Arbeit leisten.“ 31 der 178 Elbkinder-Kitas waren am Mittwoch laut Elbkinder-Geschäftsführerin Katja Nienaber komplett geschlossen, in mehr als 100 Einrichtungen wurden Notdienste angeboten. Auch Mitarbeiter in Einrichtungen des ASB, des Hamburger Schulvereins und der Rudolf-Ballin-Stiftungen waren im Ausstand.

Teilweise schlossen Eltern sich zusammen, um den Betreuungsengpass zu überbrücken. „Unsere Kinder werden bei einer Familie von einem Babysitter betreut, den wir bezahlen“, sagt eine Mutter aus Eimsbüttel. Sie ist genervt, weil schon am Dienstag die Elbkinder-Kitas wegen einer Betriebsversammlung nachmittags geschlossen hatten. Erstmals sind Schulen von den Arbeitsniederlegungen betroffen, denn auch die Erzieher in der Ganztagsbetreuung waren zum Streik aufgerufen. Laut Schulbehörde wurde die Betreuung an den elf betroffenen Standorten von Lehrkräften übernommen. Ein schnelles Ende der Auseinandersetzung ist nicht zu erwarten. „Die Forderungen der Gewerkschaft sind aus unserer Sicht zu hoch“, sagt Personalamtschefin Bettina Lentz. Sie ist im Vorstand der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg, in der die öffentlichen Arbeitgeber zusammengeschlossen sind, und sitzt heute am Verhandlungstisch der Tarifpartner. In Hamburg sind 20.000 Beschäftigte betroffen.

Die Zusatzkosten beziffert Lentz auf 70 Millionen Euro. „Diesen Spielraum haben wir nicht“, sagt die Arbeitervertreterin. Die Folge wäre, dass an anderer Stelle gespart oder die Gebühren etwa bei der Stadtreinigung erhöht werden müssten. Und auch die Gewerkschaften positionieren sich: „Das war erst unsere erste Aktion – wir sind bereit zu Steigerungen.“ Weitere Gesprächstermine sind bereits vereinbart.