Anwohner sind wegen des Grundwasserspiegels in Sorge und fürchten das Absacken von Häusern. Der Bezirk sieht keine Gefahr. Bauarbeiter entdecken Hohlräume und ein stark verbogenes Abwasserrohr.
Eppendorf. Der Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in der Eppendorfer Landstraße sorgt für Unmut bei vielen Bürgern im Stadtteil. Sie sind in Sorge, dass während der monatelangen Bauarbeiten zu lange und zu viel Grundwasser abgepumpt worden ist. Die mögliche Folge: Eine Veränderung der Grundwasserstände in einem großen Radius um die Baugrube am Eppendorfer Marktplatz und die Beeinträchtigung der Standfestigkeit von umliegenden Gebäuden. Die Bürgerinitiative „Wir sind Eppendorf“ hat jetzt mit der Meldung einer akuten Gefahrenlage den Bezirk zum Handeln aufgefordert.
„Seit einigen Tagen haben wir beobachtet, dass sich Teile des Gehweges im Bereich der Haspa-Filiale am Eppendorfer Marktplatz stark abgesenkt haben“, sagt Edith Aufdembrinke von der Initiative. Mittlerweile haben Bauarbeiter an drei Stellen in dem großen Kreuzungsbereich die Straße aufgerissen. „Sie sind an einer Stelle in einer Tiefe von etwa zwei Metern auf große Hohlräume und ein aus unerklärlichen Gründen stark verbogenes Abwasserrohr gestoßen“, sagt Aufdembrinke. Sie hat Bezirksamtschef Harald Rösler aufgefordert, umgehend das gesamte Gebiet, in dem das Grundwasser durch die Baumaßnahme abgesenkt wurde, von unabhängigen Gutachtern auf weitere Schädigungen überprüfen zu lassen. „Außerdem müssen die Bürger schnellstens über die Eingriffe in den Wasserhaushalt informiert werden.“
Da das Grundstück in Eppendorf aufgrund der Alsternähe im Hochwassergebiet liegt, sind für Neubauten, die beispielsweise durch unterirdische Garagen eine erhebliche Bautiefe benötigen, besondere Gründungsmaßnahmen erforderlich. Eine Möglichkeit ist die Trogbauweise, bei der die Sohle und die seitlichen Stützwände in einem Guss betoniert werden. Sie ist aber in diesem Falle nicht angewendet worden.
Politische Unterstützung findet die Initiative bei Karin Haas. Die Fraktionsvorsitzende der Linken hat drei Anfragen zu den wasserrechtlichen Genehmigungen für den Neubau gestellt. „Das Amt für Umweltschutz hatte ursprünglich eine Absenkung des Grundwassers um etwa drei Meter für die Dauer von rund drei Monaten erlaubt“, sagt Haas. Es sei aber von der Behörde darauf hingewiesen worden, dass aufgrund des sensiblen Untergrunds eine „Grundwasserabsenkung auf das Notwendigste zu beschränken“ und „so gering wie möglich zu halten und schnellstmöglich zu beenden“ sei. Eine Abdichtung durch wasserundurchlässige Stahlwände hielt man jedoch nicht für erforderlich.
Eine Fehleinschätzung? Tatsächlich sind nämlich bei den Bauarbeiten so große Wassermengen entstanden, dass diese durch große Rohre monatelang über die Kellinghusenstraße direkt in die Alster abgeleitet wurden. Schon da wurden viele Bürger stutzig und begannen, sich näher mit dem Bauvorhaben auseinanderzusetzen. „Der Bauherr hatte deshalb Folgegenehmigungen für die Dauer der Grundwasserabsenkung bis zu neun Monaten sowie eine Erhöhung der Menge des abzupumpenden Wassers beantragt“, sagt Haas. Die Anträge wurden vom Umweltschutzamt genehmigt. Mit der Auflage, Grundwasser-Messstationen in einem größeren Radius bis hin zur Alster einzurichten. Karin Haas und die Initiative vermuten, dass große Mengen Grund- und Alsterwasser in die Baugrube geflossen sind, weil diese nicht ausreichend abgedichtet wurde. Und dass sich durch den größeren Radius der Absenkung die Gefahr für Beeinträchtigungen von bestehenden Gebäuden erhöht hat.
„Nachdem die Dauer und die Menge des abgepumpten Grundwassers den ursprünglichen Umfang erheblich überschritten hatten, hätte man den Bau stoppen müssen und die weit kostspieligere Stahlspundwandbauweise anordnen sollen“, sagt Karin Haas.
Marthe Friedrichs von der Initiative weist darauf hin, dass laut Messberichten in den neun Monaten der Bautätigkeit in einem großen Radius rund um die Baustelle „weit über 500.000 Kubikmeter Wasser abgepumpt und in die Alster geleitet worden sind“. Andernorts wären Behörden zudem konsequenter als in Hamburg. So sei in Berlin bei allen Baumaßnahmen im Innenstadtbereich mit mehr als einem Tiefgeschoss generell eine wasserundurchlässige Trogbaulösung erforderlich. „Nur so ist von vornherein zu vermeiden, dass in einem weiten Umkreis Grundwasserstandsänderungen hervorgerufen werden, die möglicherweise zu Schäden an benachbarter Altbausubstanz führen können“, lässt die dortige Stadtentwicklungsbehörde verlauten.
„Wir können Ihre Ängste und Sorgen verstehen“, heißt es in einem Antwortschreiben des Bezirks an die Initiative. Für die Absackungen im Gehwegbereich sei eine „schadhafte Abwasserhausschlussanleitung“ verantwortlich, zu deren Reparatur die Tiefbaufirma angerückt sei. Außerdem habe man vor Beginn der Bauarbeiten ein Beweissicherungsverfahren in der angrenzenden Nachbarschaft durchgeführt. „Nach Rücksprache mit dem bauleitenden Architekten hat es keine Risse, Setzungen und dergleichen gegeben.“ Auch seien im Bezirk bisher keine Beschwerden von Nachbarn eingegangen, sodass weiterhin davon auszugehen sei, dass der beobachtete Schaden „ausschließlich auf die schadhafte Hausanschlussleitung zurückzuführen ist“.