99,95 Prozent beteiligten sich an der Volkszählung. Die Ergebnisse liegen im Mai vor. Widerstände wie im Jahr 1987 gab es diesmal nicht.
Hamburg. Briefe an Tote, unnötige Mahnungen, ausgefallene Servicetelefone und doppelte Anschreiben: Nachdem der Zensus 2011 in Hamburg von vielen Pannen begleitet worden war, steht das Statistikamt Nord kurz vor der Veröffentlichung der Ergebnisse. Am 10. Mai 2013, einen Tag nach Himmelfahrt und zwei Jahre nach dem Beginn der Volkszählung, wollen die Statistiker die Resultate vorlegen. Trotz aller Widrigkeiten seien die Verantwortlichen mit dem Verlauf zufrieden, sagt Jürgen Delitz, Sprecher des Statistikamts Nord. Die Antwortbereitschaft der Hamburger sei groß gewesen.
Von den ausgewählten 84.000 Einwohnern, die an Haustüren und in Senioren- oder Studentenheimen befragt wurden, hätten zunächst 1850 die Antworten verweigert. Nach der zweiten Aufforderungswelle musste nur noch 235 Auskunftspflichtigen mit einem Zwangsgeld gedroht werden. Und davon wiederum blieben 40 Totalverweigerer übrig, die mit Strafen von bis zu 500 Euro belegt wurden. "Das entspricht einer Quote von 0,05 Prozent", sagt Delitz. "Für einen Statistiker ist das nicht viel." Die Beteiligung lag somit bei 99,95 Prozent. Verglichen mit den Widerständen bei der Volkszählung im Jahr 1987, als Sabotage-Akte und Verfassungsklagen die Arbeit der Statistiker überschatteten, habe die Bevölkerung beim Zensus sehr gut kooperiert. Damals waren Volkszähler sogar tätlich angegriffen worden. Heute dagegen herrscht eine völlig andere Mentalität - viele Menschen geben via Internet und sozialem Netzwerk frei- und bereitwillig Auskunft über sich und ihr Leben.
Problemlos war es auch bei den 288.000 befragten Immobilienbesitzern in Hamburg. Etwa 20.000 von ihnen hätten die ersten Anschreiben ignoriert und mussten ermahnt werden. "Inzwischen wissen wir aber, wem die meisten der 266.000 Wohngebäude in Hamburg gehören", sagt Delitz. Das ist insofern erstaunlich, weil eine der schwerwiegendsten Pannen beim Verschicken der Mahnschreiben passiert war. Die dazugehörigen Fragebögen waren vergessen worden, die Mahnungen blieben gegenstandslos. Wie viele Säumige es bei der Immobilienbefragung gegeben hat, ließe sich laut Statistikamt nicht beziffern. Aber nicht viele Grundeigentümer seien ihre Antworten schuldig geblieben.
Ergebnisse der Befragungen dürften zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet werden, sagt Delitz. Vor zehn Jahren hätte aber eine Stichprobe ergeben, dass möglicherweise 40 000 Menschen weniger in Hamburg leben als angenommen. Auch um dahingehend Gewissheit zu erlangen, ließ sich die Stadt Hamburg die von der EU verordnete Volkszählung sieben Millionen Euro kosten, heuerte 700 Interviewer an und besetzte die mit 2000 Anrufern zeitweise überlastete Telefonzentrale mit 70 Personen. "Dass es hier und da ruckelte, erstaunte uns angesichts der Komplexität aber wenig", sagt Jürgen Delitz. Der Zensus basiere zwar auf dem für Bürger schonenden Melderegisterabgleich, könne bei der Fülle an Faktoren nicht reibungslos gelingen. Dass zwischenzeitlich 70 Mitarbeiter mit der Auswertung der Daten beschäftigt waren, spiegele das aufwendige Verfahren.
Ob es überhaupt nötig war, Melderegister abzugleichen, Daten anzufordern und zusätzlich 45 teils intime Fragen an der Haustür zu stellen, bezweifelte unter anderen der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar. Er nannte das Ausmaß des Zensus zu teuer, zu umfangreich und zu persönlich. Die Pflichtangaben zu Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund seien bedenklich. Auch mit der Frage nach homosexuellen Lebenspartnerschaften habe der deutsche Fragenkatalog das von der EU verordnete Maß überschritten.
Heute, nach Abschluss der Befragungen, konstatiert Caspar, dass "erfreulich wenige Datenschutzverstöße zu beklagen waren". Gleichzeitig bemängelt er den Einsatz einiger Interviewer in Wohnortnähe. Für sie waren verschließbare Koffer und verplombte Umschläge als datensichere Transportmittel gefordert worden. "Unserer Forderung wurde jedoch nicht entsprochen", sagt Caspar.
Eine Vielzahl von Beschwerden habe den Datenschützer erreicht. "Die meisten Eingaben betrafen die Auskunftspflicht, die Nennung der Mieternamen, die Religionszugehörigkeit und unberechtigte Erinnerungsschreiben." Viele Befragte hatten mehrere Antwortbögen in einen Umschlag gesteckt, die nicht erfasst wurden. Eine Panne bei der Online-Beantwortung - eine Sendebestätigung fehlte - komplettierte das Chaos. "Ein zunächst befürchteter Datenverlust konnte aber nicht festgestellt werden", sagt Caspar. Die Forderung nach Datensparsamkeit hält er trotzdem aufrecht: "Bei künftigen Erhebungen darf nicht über die EU-Vorgaben hinausgegangen werden. Auf Fragen zu Religion und Migrationshintergrund sollte verzichtet werden." Caspar werde den Zensus weiterhin kritisch begleiten.
Wie detailliert die für Hamburg erhobenen Daten veröffentlicht werden, sei noch nicht geklärt, sagt Jürgen Delitz. Sehr kleinteilig dürfte es aber nicht werden. Denn das Grundprinzip des Zensus war, das große Ganze, etwa für politische Entscheidungen, zu aktualisieren. Hinweise auf veraltetes Zahlenmaterial gab es etwa im August 2012. Damals musste Schulsenator Ties Rabe (SPD) einräumen, dass nicht 157.000, sondern 165.000 Schüler die staatlichen Schulen besuchen. Beide Male mussten Mehrausgaben eingeplant werden. Mit den Zensus-Ergebnissen sollen solche Fehler vermieden werden.