Hamburg drohen hohe Bußgelder für schlechte Luft. Nahezu alle Parteien kritisieren den Senat. Forderung nach Einführung einer City-Maut.
Hamburg. Stark überhöhte Stickstoffdioxidwerte, eine besorgte EU-Kommission und keine Maßnahmen in Sicht, mit denen die hohe Schadstoffbelastung rechtzeitig bis 2015 reduziert werden kann: Mit diesen Problemen muss sich die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) derzeit auseinandersetzen.
"Wir sind (...) besorgt über die noch verbleibenden Überschreitungen. Deshalb überwachen wir die von den Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen zur Einhaltung der geltenden Vorschriften genau", antwortet die EU-Kommission auf die Nachfrage des Umweltverbands BUND, ob der Stadt Hamburg ein Aufschub der Frist zur Einhaltung der Grenzwerte gewährt werden kann. Man wolle den Antrag unter strengen Bedingungen prüfen, heißt es aus Brüssel, jedoch geht nach Abendblatt-Informationen selbst die Behörde intern bereits davon aus, dass eine Ablehnung möglich ist.
Dennoch wird schon jetzt harsche Kritik von nahezu allen Parteien am Vorgehen des Senats geäußert. Allen voran wirft die GAL-Fraktion der Regierung große Versäumnisse vor. "Der Senat hat das Problem der gesundheitsgefährdenden Luftbelastung konsequent ignoriert und alle wirksamen Maßnahmen wie Stadtbahn, Umweltzone, City-Maut oder Parkgebühren-Zone zum Tabu erklärt", sagt der Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan. "Anscheinend will der Senat warten, bis der Eilbrief mit dem Bußgeldbescheid aus Brüssel im Rathaus eintrifft. Dann aber wird es teuer, für Strafzahlungen hat Hamburg kein Geld übrig." Tagessätze in Höhe von sechsstelligen Euro-Beträgen können fällig werden, sollte die Stadt die von der EU gesetzten Fristen nicht einhalten können.
Birgit Stöver, umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, ist empört darüber, dass die Behörde anscheinend "hinter vorgehaltener Hand die Ausmaße der hohen Stickoxidbelastung kennt, jedoch keines ihrer Konzepte endlich aus der Schublade holt". Laut Stöver ist maßgeblich der starke Schiffsverkehr im Hafen schuld an der hohen Schadstoffbelastung. "Es muss endlich eine Landstromversorgung für die Schiffe im Hafen her", sagt die Umweltexpertin. Zudem müsse man noch effektivere Konzepte für den öffentlichen Nahverkehr entwickeln. Nur so könne man den starken Verkehr in der Innenstadt stark minimieren.
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Genauso sieht es Kurt Duve von der FDP-Fraktion, der wie Stöver keine Lösung durch die Einführung einer City-Maut oder einer Umweltzone in Betracht zieht. "Man sollte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen", sagt der umweltpolitische Sprecher. "Wichtig ist, dass weiterhin Messungen durchgeführt werden, um Maßnahmen zu entwickeln, die das Problem effektiv bekämpfen." Kritisch würde es werden, sollte die Stadt bis 2015 keine wirkungsvolle Lösung finden. "Dann muss man mit punktuellen Notfallmaßnahmen einschreiten, beispielsweise durch zeitlich begrenzte Umweltzonen."
Einen anderen Ansatzpunkt sieht Duve in alternativen Antriebsmethoden für Autos, die einen erheblichen Beitrag an der Luftverschmutzung leisten. "Das ist kein Problem, das Hamburg allein lösen kann", so Duve. "Ohne Autos, die weniger Schadstoffe ausstoßen, wird es deutschlandweit dieses Problem in den Innenstädten geben."
Heike Sudmann, umweltpolitische Sprecherin der Linken, sieht in der Einführung einer flächendeckenden Tempo-30-Zone, einer Förderung des Radverkehrs und einer Landstromversorgung der Schiffe sinnvolle Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes. "Die Stadt verfolgt die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs zur Minderung der Schadstoffe in der Luft nicht ernsthaft", sagt Sudman. "Das beobachten wir schon seit über einem Jahr."
SPD-Umweltexpertin Monika Schaal wirft hingegen dem Vorgängersenat von CDU und Grünen Versäumnisse vor, die es der aktuellen Regierung schwer machen würden, schnell auf das Problem der Schadstoffbelastung zu reagieren. "Dem SPD-Senat bleibt nichts anderes übrig, als mit verschiedenen Maßnahmen Stück für Stück für eine bessere Luft zu sorgen. Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht. Das haben wir bei der vorangegangenen Regierung vermisst."
Um das Problem anzugehen, steht bei der Umweltbehörde als Nächstes der Luftreinhalteplan auf dem Programm. "Diesen wird es geben, egal, wie die Antwort der EU-Kommission ausfallen wird", sagt Behördensprecher Frank Krippner. In der Verkehrsbehörde hält man sich bedeckt. "Federführend ist in diesem Bereich die Umweltbehörde", sagt Sprecherin Helma Krstanoski. "Welche zusätzlichen Maßnahmen die Verkehrsbehörde ergreifen wird, steht erst nach der Entscheidung der EU-Kommission fest."