Fegebank rief die 1.650 Hamburger Grünen-Mitglieder in einer hitzigen Diskussion zu mehr Engagement auf. Die GAL steht vor Kurswechsel.

Hamburg. Hamburgs Grüne wollen nicht so weitermachen wie bisher. Das machen sie bei ihrer Landesmitgliederversammlung am Sonnabend mehr als deutlich – und nehmen den kritischen Antrag einer Gruppe um den ehemaligen Justizsenator Till Steffen und Ex-Parteichef Kurt Edler an. Der Parteispitze mit Chefin Katharina Fegebank liest die Grünen-Basis gehörig die Leviten, wirft ihr zu wenig Demokratie innerhalb der Partei und einen Niedergang der Debattenkultur vor.

Nach einer mehrstündigen Diskussion entscheiden sich die rund 230 Grünen dann aber doch für ein Friedensangebot. Um die Parteispitze nicht zu demontieren, nimmt die Basis nicht nur den Antrag der Kritiker um Edler, sondern auch den Leitantrag der Parteispitze an.

Wie verärgert die Basis über den Umgang der Chefs mit ihr ist, zeigt sich auch am Wahlergebnis: Nur 68,07 Prozent der Stimmen bekommt Fegebank bei der Wahl zur Parteivorsitzenden, und damit deutlich weniger als die annähernd 90 Prozent bei der vorherigen Wahl vor zwei Jahren. Nur 145 Parteimitglieder stimmten für Fegebank - eine deutliche Warnung für die neue und alte Partei-Chefin.

Die Grünen in der Hansestadt waren 2008 mit viel Optimismus in die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene gestartet. Nur rund zweieinhalb Jahre später war die Regierung am Ende. Bei der folgenden Neuwahl konnte die GAL nicht wie erhofft vom bundesweiten grünen Höhenflug profitieren. Hinzu kam, dass für die Grünen elementar wichtige Projekte wie die Schulreform oder der Stopp des Kohlekraftwerks Moorburg scheiterten.

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Bereits kurz nach der Wahl vor rund acht Monaten wurden Forderungen nach einer umfassenden Aufarbeitung laut und rissen auch nie ab. Wie groß der Gesprächsbedarf ist, zeigen auch die deutlich über 20 Redebeiträge bei der Debatte um Aufarbeitung und Neuausrichtung der Partei.

Die Kritiker bemängeln, dass es in der Partei zu wenig Basisdemokratie gebe und die einfachen Mitglieder zu wenig mitreden dürften. Edler kritisiert die Vorgabe des Vorstandes, den Aufarbeitungsprozess abzuschließen und nach vorne zu blicken: „Das ist so eine Floskel, die ich hasse, weil wenn sie aus Politikermund kommt, meistens damit gemeint ist, Schwamm drüber, Augen zu und durch. Das wollen wir nicht.“

Fegebank wirbt trotz aller Kritik für den gemeinsamen Neuanfang. „Ich glaube nicht, dass wir am Ende sind, wir stehen nämlich jetzt am Anfang“, betont sie. Sie wolle eine Politik des Dialogs und zusammen offen und transparent nach vorne gehen. Nicht gefallen lassen will sie sich Vorwürfe, die Basis sei entmündigt worden. Auch verwahrt sie sich gegen Warnungen vor einer „substanzlosen Personalisierung“.

Die 34-jährige Bürgerschaftsabgeordnete darf also an der Spitze der Partei weitermachen. Aber nur unter genauer Beobachtung, lässt die Basis Fegebank wissen.

Fegebank sucht gemeinsamen Neuanfang

Gleichgültigkeit kann sie nur schwer ertragen. „Diese Eigenschaften mag ich an Menschen überhaupt nicht“, sagt die Landesvorsitzende der Hamburger Grünen, Katharina Fegebank, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Ihr sei noch nie egal gewesen, was um sie herum passiere. Das sei eine Motivation gewesen, warum sie einst in die Politik ging. Und aus diesem Grund stellte sich die 34 Jahre alte Politologin am Samstag auch erneut der Wahl um den Landesvorsitz – mit Erfolg. Seit 2008 hat sie dieses Amt inne, war zuletzt jedoch stark in die Kritik geraten.

Fegebank wurde am 27. Februar 1977 im schleswig-holsteinischen Bad Oldesloe geboren. Sie studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Anglistik sowie Europawissenschaften in Freiburg und Berlin. Nach Stationen bei der UNO in New York und der Deutschen Botschaft in Ankara arbeitete sie als Projektmanagerin bei einem europäischen Beratungsinstitut.

Seit 2004 ist sie Mitglied bei den Grünen. In der Folge war sie Referentin für Migrations- und Integrationspolitik der Bürgerschaftsfraktion der Grün-Alternativen Liste (GAL), wie sich die Grünen in der Hansestadt nennen. Seit 2007 ist sie an der Leuphana Universität Lüneburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Präsidium tätig.

Im Juni 2008 wurde Fegebank erstmals zur Landesvorsitzenden der GAL gewählt und ist damit die jüngste Parteichefin in der Geschichte des Grünen-Landesverbandes. Seit der Bürgerschaftswahl im Februar 2011 ist sie zudem Mitglied der Bürgerschaft und muss ihre Partei nun in der neuen Rolle, von der Regierung in die Opposition, führen. Seit dem 7. März regiert der SPD-geführte Senat unter dem früheren Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) die Hansestadt.

Fegebank weiß, dass auch sie während des Scheiterns von Schwarz-Grün und danach Fehler gemacht hat. Doch sie kämpft – erst um ihr Amt, nun um einen Neuanfang ihrer Partei. „Es ist eine Mischung aus meiner Biografie und meinem Wesen, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit anderen Wege zu finden, wie die Gesellschaft verbessert werden kann“, sagt sie. Und das könne sie auf dem Posten der Landeschefin gut. „Man wird gehört, man wird ernst genommen.“

Die innerparteiliche Kritik der vergangenen Monate an ihrer Person hat sie getroffen, gesteht sie. Kritiker werfen der Hamburger Parteispitze vor, sie habe sich von den Mitgliedern entfernt, habe zu oft schlichtend agiert, die Basis nicht mehr in Entscheidungen einbezogen. „Da spielt Enttäuschung und Frust eine große Rolle - über den Ausgang der Wahl und das, was am Ende übrigblieb. Das habe ich schon zum Ende der schwarz-grünen Regierungszeit gespürt“, sagt Fegebank.

Die 34-Jährige, die sich als Brückenbauerin sieht, will sich aktiv an der Neuausrichtung ihrer Partei beteiligen. Ein Neuanfang gehe nur gemeinsam, betont die Landeschefin, die die GAL in den kommenden zwei Jahren klarer profilieren und mehr Raum für Debatten schaffen will. Ein Vorbild will Fegebank nicht sein. Aber sie will jungen Menschen, insbesondere Frauen, zeigen, dass sie sich nicht entmutigen lassen sollten. „Geht euren Weg, findet Unterstützer!“