Die Immobilie in Nienstedten war wegen der Erweiterung des Airbus-Geländes gekauft worden. Seit 2007 könnte sie wieder vermietet werden.

Hamburg. Als Geisterhäuser erlangten sie hamburgweite Bekanntheit. Jene rund 50 Gebäude in Neuenfelde, die vor der umstrittenen Airbus-Landebahn-Verlängerung von der Stadt gekauft und leer wurden, um Klagen der Bewohner zu vermeiden. Seither dominieren an der Hasselwerder Straße vergilbte Gardinen und vernagelte Eingänge - sowie der Wunsch nach zurückkehrendem Leben beispielsweise bei der Bürgervertretung Neuenfelde-Francop-Cranz.

Auch im Norden der Stadt gab es im Zuge der Landebahnverlängerung auf der anderen Elbseite heftige Proteste. Prominente Geistersiedlungen finden sich dort jedoch nicht, vielmehr sind es versteckte Gräber von Steuergeld, wie etwa eine Immobilie in Nienstedten. Auch sie wurde von der Stadt gekauft, um die Startbahnverlängerung auf Finkenwerder durchsetzen zu können. Unweit des Anlegers Teufelsbrück handelt es sich um eine 215-Quadratmeter-Luxuswohnung am Lünkenberg. Viel Raum, viel Garten, viel Elbvorort - besser geht es in Hamburg kaum. Doch die Nobelwohnung - Kaufpreis: knapp eine Million Euro - ist seit acht Jahren unbewohnt.

Lange Zeit zog sich die Stadt auf den Standpunkt zurück, die leer stehenden Immobilien in Neuenfelde und Nienstedten seien unverkäuflich und nicht zu vermieten, weil Klagen gegen den Fluglärm befürchtet werden. Daniel Stricker von der Finanzbehörde sagt auf Abendblatt-Anfrage zur Wohnung am Lünkenberg: "Sie wurde ganz bewusst nicht mehr vermietet." Und so schreibt die Stadt nicht nur in Neuenfelde geschätzte 27 000 Euro Mieteinnahmen pro Monat in den Wind, sondern auch etwa 4000 Euro am Lünkenberg. Summa summarum ergibt sich im Lauf der nunmehr fast zehn Jahre ein immobiliengewordenes Millionenloch in der Einflugschneise.

Zum Hintergrund: Im Zuge der Airbus-Werkserweiterung, bei der auch ein Fünftel des Mühlenberger Lochs verfüllt wurde, waren die Immobilien Anfang des Jahrtausends gekauft worden. Zur Abwehr von Klagen erwarb die Stadt auf Geheiß der Wirtschaftsbehörde die Häuser und Wohnungen. Auch die Wohnung am Lünkenberg 21, die sich skurrilerweise in einem Haus mit zwei weiteren durchgängig bewohnten Eigentumswohnungen befindet. Als damals klar wurde, dass Airbus seine Landebahn verlängern würde, beabsichtigte der Vorbesitzer, der anonym bleiben möchte, gegen die Werkserweiterung auf Finkenwerder zu klagen. Mit dem Ziel, einem Gerichtsstreit aus dem Weg zu gehen, kaufte die Stadt die Wohnung 2002. "Klagebefugnisse", wie Finanzbehördensprecher Daniel Stricker sagt, konnten damit abgewendet werden. Gleiches geschah in Neuenfelde im großen Stil. Und tatsächlich verzichtete der großzügig abgefundene Vorbesitzer in Nienstedten auf eine Klage, stattdessen zog ein anderer Anwohner aus der Nachbarschaft vor Gericht. Zunächst sogar mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, die Lärmbelastung sei unzumutbar. Eine Vermietung der Luxuswohnung durch die Stadt wäre damals unmöglich gewesen.

Bekanntlich wurde es im Gegenzug Airbus aber nur durch Startbahnverlängerung und der Werkserweiterung möglich, am Programm A380 teilzunehmen. Kabinenausstattung, Lackierung und Auslieferung konnten damit in Hamburg gewährleistet werden. Neben der Sicherung von Arbeitsplätzen seien mit der A380-Produktion mehr als 2000 zusätzliche Arbeitsplätze in Entwicklung und Produktion sowie weitere 2000 bei Zulieferern in der Metropolregion geschaffen worden, sagt Airbus-Sprecherin Nina Ohlerich. Und so erklärten die nächsthöheren Instanzen im Streit um die Landebahnverlängerung, das Oberverwaltungs- und das Bundesverwaltungsgericht, in den Jahren 2005 und 2007 die Werkserweiterung doch für rechtens. Der Lärm sei für Anwohner hinnehmbar, ergaben weitere Messungen.

Spätestens im Jahr 2007 hätte die Stadt demnach einen Mieter oder Käufer für ihre teure Luxusimmobilie am Lünkenberg finden können. Zumal Airbus parallel ein Schallschutzprogramm umgesetzt hat, bei dem weit mehr als 100 Gebäude mit neuen Fenstern oder Lüftungsanlagen ausgerüstet wurden. Auch am Lünkenberg 21.

Warum die Immobilie danach nicht verkauft oder zumindest vermietet wurde, bleibt das Geheimnis der Stadt. Finanzbehörden-Sprecher Stricker meint, er könne dazu nichts sagen. Der Vorbesitzer der Wohnung ist der Auffassung, es handele sich um einen handfesten Verschwendungsfall, weil die Stadt in ihrer Position verharrte. Denn seit dem letzten Gerichtsurteil hätten monatliche Mieteinnahmen oder der Verkauf die Stadtkasse entlasten können. Passiert sei indes nichts. Im Gegenteil. Mittlerweile habe ein Wasserschaden Teile der Wohnung renovierungsbedürftig gemacht.

Warum der lange Stillstand? Analog zu den Geisterhäusern in Neuenfelde wurde wohl hinter den Kulissen geprüft und gemessen. Ergebnis war ein noch immer unveröffentlichtes Gutachten, wonach die Häuser in der Einflugschneise tatsächlich wieder bezogen werden könnten. Zumindest in Neuenfelde ließ die Stadt sogar schon verlautbaren, Teile des Geisterhausbestands zu revitalisieren (das Abendblatt berichtete). Zeitgleich existieren Pläne, dort Asylbewerber unterzubringen. Auf Abendblatt-Anfrage zur Zukunft der Luxusimmobilie am Elbufer sagt Daniel Stricker: "Die Finanzbehörde prüft derzeit einen Verkauf."

Es wäre ein Neustart mit Verspätung am Lünkenberg, wenngleich ein Verkauf in den Elbvororten nicht das Problem sein dürfte. Immerhin wird auf Finkenwerder im Gegensatz zum Flughafen Fuhlsbüttel nach 22 Uhr weder gestartet noch gelandet.