Ärzte verdienen an ihnen deutlich mehr - und lassen gesetzlich Versicherte laut Studie länger warten

Hamburg. "Ärzte brauchen eben Privatpatienten, um über die Runden zu kommen", sagt Dieter Bollmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH). Den Vorwurf, die Mediziner klagten auf hohem Niveau, weist er zurück. "Das mag für diejenigen gelten, die den bundesdurchschnittlichen Jahresumsatz von 220 000 Euro erwirtschaften", bemerkt er. In Hamburg läge der durchschnittliche Umsatz jedoch bei etwa 120 000 Euro - davon müssten Gehälter, Steuern und Praxiskosten bezahlt werden. "Übrig bleiben etwa 55 000 bis 60 000 Euro im Jahr", rechnet Bollmann vor. "Für einen Zehn-Stunden-Tag ist das nicht viel."

Etwa sieben Prozent der Patienten sind nach Auskunft der KV in Hamburg privatversichert. Das entspreche in etwa der Mindestquote an Privatpatienten, die ein niedergelassener Arzt brauche, um wirtschaftlich arbeiten zu können. In Stadtteilen wie Steilshoop, Billstedt oder Wilhelmsburg sei das daher kaum möglich, so Bollmann. Unterdessen belegt eine neue Umfrage, dass gesetzlich Versicherte deutlich länger auf einen Termin beim Facharzt warten müssen als Privatpatienten. Am schwierigsten sei es, zu einem Kardiologen durchzudringen, berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf eine Studie der AOK Rheinland/Hamburg in ihrer Region. Kassenpatienten warteten dort im Schnitt rund 71 Tage, Privatpatienten 19 Tage.

Bei den Radiologen beträgt die Wartezeit der Befragung zufolge für gesetzlich Versicherte 46 Tage, für Privatpatienten sieben. Die Augenärzte vergeben demnach nach 37 Tagen Termine an ihre Kassenpatienten, an die private Kundschaft nach 16 Tagen.

Die AOK hatte im Juni mehr als 800 Testanrufe in Praxen getätigt. Dabei gaben sich die Mitarbeiter bei einem ersten Anruf als gesetzlich Versicherte aus. Später riefen sie als vermeintliche Privatpatienten an. Dabei fragten sie nach einem normalen Untersuchungstermin. Einen Notfall gaben sie nicht an.

"Das Verhalten mancher Fachärzte ist äußerst ärgerlich", sagt Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg. Daran werde sich jedoch nichts ändern, solange es keine wirkungsvollen Sanktionsmöglichkeiten gebe. "Die Kassen sollten das Recht bekommen, nicht mehr mit Fachärzten zusammenarbeiten zu müssen, die gesetzlich Versicherten keine zeitnahen Termine geben", fordert Jacobs.