Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat bei einer Diskussion mit Hamburger Schülern die Außenpolitik der Bundesregierung kritisiert. Derzeit könne man kaum erkennen, dass bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) „ein europäischer Gedanke herrscht“, sagte Schmidt.
Hamburg. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat die Außenpolitik der Bundesregierung kritisiert. Derzeit könne man kaum erkennen, dass bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) „ein europäischer Gedanke herrscht“, sagte Schmidt am Donnerstag vor rund 600 Schülern aus mehreren europäischen Ländern im Hamburger Schauspielhaus. Schmidt forderte mehr Solidarität gegenüber den finanzschwachen Ländern in Europa.
Als Beispiel nannte er den Umgang mit der griechischen Finanzkrise. Hier habe sich die Bundesregierung „nicht sonderlich solidarische verhalten“. Mit Blick auf den Außenminister sagte Schmidt, „Guido Westerwelle macht alles falsch“.
Es könne aber auch nicht sein, dass sich eine Regierung in Athen oder Lissabon in unverhältnismäßigem Maße auf der ganzen Welt verschulde „und es dann für selbstverständlich hält, dass der Rest der Welt sie aus ihrem Schuldendilemma befreit“, sagte der Altkanzler. Das bedeute für Europa, dass die Staatengemeinschaft „selbstverständlich helfen muss“, aber dann auch Bedingungen stellen dürfe.
Unter dem Titel „Europa ist Zukunft“ traf sich Schmidt in Hamburg mit jungen Menschen aus ganz Europa, um mit ihnen unter anderem über die politische Gestaltung sowie die Außen- und Sicherheitspolitik Europas zu sprechen. Dabei hatten insgesamt sechs der Gäste die Möglichkeit, dem Ex-Kanzler ihre Fragen auf einem Podium zu stellen.
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Jugendliche diskutieren mit Helmut Schmidt
Jugendliche aus zwölf Ländern diskutieren heute Vormittag mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) über die Zukunft der Europäischen Union. Die Körber-Stiftung organisierte die Veranstaltung im Hamburger Schauspielhaus in Zusammenarbeit mit diesem, dem Hamburger Abendblatt und dem Verlag C. H. Beck. Moderiert wird die Diskussion von Sandra Maischberger. Mit dabei sind diese drei:
Die 23-jährige Deutsche ist eine dieser Menschen, die andere zum Staunen bringen, weil sie so viele Dinge unter einen Hut bringen. Sport, Studium, musizieren, Freunde treffen, reisen und Politisches sowie soziales Engagement - Fiona Fritz bekommt das alles hin. Ihr Geheimnis: Dinge verknüpfen. "Wenn ich jogge, kann ich doch nebenbei über meine Seminare nachdenken. Und wenn ich mich mit Freunden treffe, dann diskutieren wir eben auch über die Entwicklung Europas."
Die Europäische Union (EU) bedeutet für Fritz vor allem Freiheit. "Ich studiere in Freiburg, und wenn ich will, bin ich mit dem Rad in zwei Stunden in Frankreich, ohne dass mich jemand aufhält", sagt sie. Auch ökonomisch und kulturell habe der Staatenbund viele Vorteile. "Für mich ist die europäische Perspektive völlig selbstverständlich. Ich profitiere ja auch sehr von der EU." Mit zwölf Jahren nahm sie an ihrem ersten Schüleraustausch teil. Damals ging es nach Ungarn. Seitdem verbrachte sie Auslandsaufenthalte in Frankreich, den USA, Nicaragua, England und Indien - kürzere Urlaube gar nicht mitgezählt. Reisen ist das größte Hobby des Multitalents. "Wenn ich in Europa unterwegs bin, finde ich es schon sehr praktisch, wenn ich nicht immer Geld umtauschen muss oder an Grenzen kontrolliert werde", sagt sie.
Als Fritz die E-Mail bekam, dass sie bei der Diskussion mit Helmut Schmidt dabei sein darf, war sie total stolz. "Inzwischen wechselt sich dieses Gefühl mit Nervosität ab. Jetzt wird es Ernst." Besonders interessiert die angehende Englisch- und Geschichtslehrerin, wie bewusst sich Politiker der Wirkung ihrer Reden sind, während sie sie halten.
Für den 23-jährigen Polen ist das Heute mit dem Gestern fest verbunden. "Man muss seine eigene Geschichte kennen, um zu wissen, wer man ist", sagt er. Deshalb ist die Ahnenforschung sein größtes Hobby. Seinen Familienstammbaum hat er bereits sieben Generationen weit nachrecherchiert. "Aber ich bin noch lange nicht fertig", sagt Senderski.
Viel Freizeit zum Weitermachen hat er allerdings nicht. Im Sommer wird er seinen Master in Betriebwirtschaftslehre machen, nebenher arbeitet er bereits für verschiedene Unternehmen, und zudem engagiert er sich für die Europäische Union. Preise, gute Noten und repräsentative Ämter - nichts davon fehlt in seinem Lebenslauf.
Gerade in Polen sei der Staatenbund aber noch eine "really fresh idea", eine sehr neue Idee. "Mittlerweile sind aber noch mehr Bürger für eine Mitgliedschaft unseres Landes als zu Zeiten des Referendums über den Beitritt 2003", sagt Senderski. Besonders die Jüngeren seien sehr aufgeschlossen gegenüber der EU. Und eben dieser europäische Nachwuchs tut Senderskis Meinung nach auch gut daran, viel über Geschichte zu wissen. "Um ein Land und seine Menschen zu verstehen, muss man ihre Vergangenheit kennen", sagt Senderski. Dafür sei es allerdings wichtig, sich auch mal auf andere Blickwinkel einzulassen. Deswegen interessiere ihn besonders Helmut Schmidts Einschätzung der Vergangenheit. "Aus seinen Erfahrungen können wir für die Zukunft lernen."
Mit mehreren Teilen, die zu einem zusammenwachsen sollen, kennt sich die 25-Jährige aus. Sie kommt aus Belgien und gehört der niederländischsprachigen flämischen Gemeinschaft des Landes an. Noch heute beeinflussen die unterschiedlichen Interessen der französisch-, niederländisch- und deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen die Politik Belgiens. "Aber im täglichen Zusammenleben gibt es nie Probleme", sagt Vandekerckhove. Etwas mehr Selbsthumor bei kleinen Späßchen übereinander könne aber nicht schaden. "Und ganz ohne Unterschiede wäre es doch auch langweilig." Belgien könne für die Europäische Union also ein Beispiel sein, was richtig und was falsch laufen kann beim Zusammenbringen verschiedener Gruppen.
Ihr Interesse für das Thema EU entdeckte Vandekerckhove während ihres Studiums der Internationalen Politikwissenschaften. "In einem meiner ersten Seminare hatte ich einen tollen Dozenten, der gut erklären konnte. Europa muss nicht kompliziert sein!" Seitdem hat sich viel getan. Mittlerweile ist sie Präsidentin der Jungen Europäischen Föderalisten Belgiens und des Jugendkomitees der Europäischen Bewegung Belgiens. Denn gerade für ihr Heimatland sei es sehr wichtig, Teil der Staatengemeinschaft zu sein. "Als Kontinent hat man mehr normative Power, und Belgien allein ist einfach zu klein", sagt sie. Zudem gebe es viele Probleme, die alle betreffen und auch nur gemeinsam gelöst werden können, wie zum Beispiel der Klimawandel. "Und schlussendlich sind wir doch alle nur Menschen, mit demselben Bedürfnis nach einem guten Leben." Vandekerckhove freut sich auf das Gespräch mit dem geschichtsträchtigen Politiker. "Ohne seinen Beitrag zur deutsch-französischen Annäherung wäre die EU gar nicht denkbar gewesen", sagt sie.