Staus, immer nur Staus: Geht es per Rad oder Bahn nicht schneller? Abendblatt-Reporter machten den Vergleichstest - mit überraschendem Ergebnis.
Hamburg. Andere stehen im Stau, sie nicht: Radfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs hängen im Hamburger Berufsverkehr derzeit das Auto oft locker ab. Das ist das Ergebnis eines großen Abendblatt-Tests auf drei klassischen Pendlerstrecken.
+++ Fahrrad, Bahn, Auto: Der direkte Vergleich +++
Auf zwei von drei Routen waren die Autofahrer mit Abstand am längsten unterwegs. Von Hummelsbüttel und Neu Wulmstorf aus gelangten Radfahrer und Nutzer des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) gestern früh deutlich schneller in die stauanfällige Innenstadt. Der Zeitvorteil beträgt bis zu 30 Minuten auf 28 Kilometern. Nur auf der Route aus dem citynahen Lokstedt erreichten die drei Streckentester fast zeitgleich das Ziel.
ADAC-Sprecher Matthias Schmitting sieht dringenden Nachholbedarf beim Verkehrskonzept. Die innerstädtischen Straßen seien "mit ihrer Kapazität am Ende" - zumal aktuell der Baumwall gesperrt ist, zwei Elbtunnelröhren geschlossen sind und eine Baustelle am Dammtorbahnhof den Verkehrsfluss behindert. Laut ADAC drängen täglich 300 000 Pendler in die Stadt, allein 125 000 Autos fahren durch den Elbtunnel. Hinzu kommen die 715 000 in Hamburg zugelassenen Autos. Der gigantische Berufsverkehr dränge sich im Hamburger 4000-Kilometer-Straßennetz auf etwa 500 Kilometer Ausfallstraßen - dies sei nicht mehr zu bewältigen, vor allem wenn an wichtigen Stellen gebaut werde. Schmitting: "Deshalb fordern wir seit Jahren ein länderübergreifendes Verkehrskonzept."
SPD-Verkehrsexpertin Martina Koeppen sagte: "Das Testergebnis zeigt, dass der Ausbau von Radwegen und die Investitionen in den Nahverkehr auch künftig höchste Priorität haben müssen." Ähnlich sieht es die GAL. "Radfahren muss noch komfortabler werden", sagte der frühere Justizsenator Till Steffen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club moniert, dass nur zehn Prozent der 1700 Radwege-Kilometer in Hamburg modernen Ansprüchen genügen. Der Rest sei in schlechtem Zustand, "zu schmal und nicht sicher", so Sprecherin Merja Spott. Immerhin zwölf Prozent aller Wege erledigten Hamburger mit dem Rad. "Deshalb fordern wir: Der Radverkehr gehört auf die Straße, auf Fahrstreifen."
Viele Hamburger reagieren auf die ständigen Staus mit dem Umstieg auf Bus und Bahn. Der HVV vermeldet jährlich neue Fahrgastrekorde: Im Jahr 2001 nutzten 501,8 Millionen Fahrgäste den öffentlichen Nahverkehr, 2009 waren es bereits mehr als 651 Millionen Kunden, Tendenz steigend. "Wir gehen von mehr als 670 Millionen Fahrgästen im Jahr 2010 aus", sagte HVV-Sprecher Rainer Vohl. In Zeiten steigender Benzinpreise und eines immer stärker werdenden Umweltbewusstseins werde der Umstieg immer attraktiver.
"Es war richtig, in Sicherheit und Sauberkeit von Bussen und Bahnen und die Förderung des Radverkehrs zu investieren", sagte CDU-Experte Klaus-Peter Hesse. Diese Politik gelte es fortzusetzen, aber auch die Situation für Autofahrer müsse verbessert werden.