Altstadt. Wenn einer an diesem Nachmittag seinem Titel alle Ehre gemacht hat, dann Alterspräsident Jan Ehlers (SPD). Mit seinen 71 Jahren oblag es dem Parlamentsältesten, die erste Sitzung bis zur Wahl des Bürgerschaftspräsidenten zu leiten, und das tat er mit einer Mischung aus selbstironisch verpackter Senilität ("Was ham wir denn zu wählen?") und der Kühnheit eines Mannes, der bereits 20 Jahre als Abgeordneter und zehn Jahre als Senator hinter sich hat.
So gab es zunächst den fast großväterlichen Rat an die SPD, trotz des "wunderschönen Gefühls", eine Mehrheitsfraktion zu sein, nicht zu vergessen, dass man nicht die Regierung sei. Die Grünen durften lernen, dass es "in der Politik keine Dankbarkeit" gibt, und Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus wurde mit den Worten getröstet, er werde den "Mannesmut" aus der Zeit seiner Amtsübernahme auch in der Opposition gebrauchen können.
Als Schlag unter die Gürtellinie werteten einige jedoch den Appell an die FDP, "die freiheitlichen Gesichtspunkte" mitzutragen. Denn als Klientelpartei seien die Liberalen am einfachsten zu kalkulieren, was langweilig sei. FDP-Chef Rolf Salo empörte das: "Es gehört sich nicht für einen Parlamentspräsidenten, eine Partei so gezielt anzugreifen." Ein zweites Raunen ging durch das Plenum, als Ehlers erst die bislang höchste Zahl an Abgeordneten mit Migrationshintergrund lobte, um diese dann dazu aufzurufen, sich nicht fraktionsübergreifend zu verbünden und sich somit zu isolieren.
Auf Ehlers halbstündigen Auftritt folgte das Kontrastprogramm: Mit 108 Jastimmen (acht Gegenstimmen, drei Enthaltungen) wurde Dorothee Stapelfeldt (SPD) zur neuen Bürgerschaftspräsidentin gewählt. Mit beschwingter Stimme, aber in sachlichem Ton rief Stapelfeldt zu einer "guten politischen Kultur der Fairness" auf und gab zu bedenken, dass das Mandat ein Amt auf Zeit sei, und zwar auf "kostbare Zeit". Zudem kündigte sie an, das neue Wahlrecht ob der geringen Wahlbeteiligung zu prüfen. Zu ihren Stellvertretern wurden Frank Schira (CDU), Eva Gümbel (GAL) und Wieland Schinnenburg (FDP) gewählt.