Im Einkaufszentrum Alstertal hängen 24 rechtswidrige Kameras. Datenschützer Caspar strebt ein Musterverfahren an.

Hamburg. Nach Ansicht mehrerer Landesdatenschutz-Behörden ist die großflächige Videoüberwachung in Einkaufszentren der ECE-Gruppe rechtswidrig. Caspars Behörde hatte das Alstertal-Einkaufszentrum überprüft und angeordnet, 24 der 75 aufgehängten Videokameras abzubauen.

"Obwohl im Alstertal-Einkaufszentrum die einzelnen Ladenbesitzer schon Kameras aufgestellt haben, werden zusätzlich noch die Ein- und Ausgänge sowie die Ladenpassage gefilmt", sagte der Datenschutzbeauftragte des Landes Hamburg, Johannes Caspar, dem Abendblatt. Grundsätzlich habe jeder Bürger die Freiheit, sich unbeobachtet in öffentlichen Räumen zu bewegen, eine Kamerüberwachung müsse die rechtstaatlichen Anforderungen erfüllen. "Dies ist hier nicht der Fall", so Caspar.

Die Hamburger Firma ECE, die in Deutschland 93 Shoppingcenter betreibt und zum Besitz der Otto-Familie gehört, hatte die Kameras aufgehängt, um für mehr Sicherheit zu sorgen. "Die Prävention von Straftaten ist nicht Sache des ECE, sondern des Staates", sagt Caspar.

Für die Aufzeichnung verwendet EEC einen digitalen Ringspeicher, der das Material für 48 Stunden speichert, ähnlich der Überwachung im öffentlichen Nahverkehr, also auf Bahnhöfen, in Bussen und Bahnen. "Dort ist die Bedrohungslage aber eine ganz andere", sagt Caspar. "Wir haben uns die Vorfälle in den Einkaufszentren informiert, es gibt dort vereinzelt Verstöße gegen die Hausordnung, wie Rauchen oder Verteilen von Flugblättern, aber das ist für uns nicht hinreichend, um das Aufstellen der Kameras zu rechtfertigen."

Über die Rechtmäßigkeit der Kameras soll nun vor dem Verwaltungsgericht Hamburg entschieden werden, ein Urteil hätte bundesweite Auswirkungen. In Absprache mit der Hamburger Behörde hatten Datenschützer in mehreren Bundesländern ECE-Einkaufszentren unter die Lupe genommen. Die beanstandeten Kameras hingen dort unter anderem in den Eingängen zu Toiletten und Umkleideräumen der Mitarbeiter.

Bis Prozessbeginn werden noch einige Wochen vergehen: Zur Zeit liegt Caspar die Widerspruchsbegründung des EEC noch nicht vor. Ob die Kameras schon vor der Entscheidung des Gerichts abgehängt werden, ist noch unklar. Caspar müsste dazu einen sofortigen Vollzug anordnen.

+++ Das sagen Hamburger zur Videoüberwachung in Kaufhäusern +++

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Beschwerden beim Datenschutz dramatisch gestiegen

Mehr als 1000 Hamburger haben sich im Jahr 2010 schriftlich an den Datenschutz gewandt. "Damit ist die Zahl der schriftlichen Beschwerden um 40 Prozent gestiegen", sagte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. Fast 80 Prozent der Eingaben befassten sich mit Datenschutzproblemen im privaten Bereich. Laut Caspar herrsche gegenwärtig Wildwuchs bei der Überwachung durch Videokameras etwa in Restaurants, Einkaufszentren und bei Hausbesitzern.

Zu bemängeln sei auch der Umgang von Firmen mit personenbezogenen Daten. So hatte etwa Airbus zur Korruptionsbekämpfung Kontonummern von 20.000 Mitarbeitern mit denen von Zulieferfirmen abgeglichen. Und Beiersdorf bat Bewerber zum Bluttest. Nicht rechtmäßig sei die Überwachung des öffentlichen Raums durch Behörden. Zwar seien die Videokameras noch in Betrieb. Allerdings würden demnächst neue Regelungen beschlossen, die die Überwachung klären sollen. "Videoüberwachung durch private, aber auch staatliche Stellen bedroht die offene Gesellschaft", kritisierte Caspar.

Er bezeichnete die Videoüberwachung auf der Reeperbahn als ungeeignet, Straftaten zu verhindern. Gewalttaten seien dort gestiegen. Zwar werden Taten durch die Videoüberwachung aufgeklärt. Aber für eine derartige Strafverfolgungsmaßnahme reicht das Polizeigesetz nicht aus. Dies müsste in der Strafprozessordnung geregelt werden - ist aber kaum umsetzbar.

Die Innenbehörde mag an die Unwirksamkeit nicht glauben. "Prävention ist schwer messbar", sagt deren Sprecher Ralf Kunz. "Man sollte zunächst die Wirksamkeitsanalyse abwarten, bevor dieses gute und wichtige Instrument polizeilicher Arbeit zerredet wird." Die Analyse soll in einigen Wochen vorliegen.

Auch die Aufnahmen von Straßenzügen durch den Internet-Giganten Google kritisiert Caspar. Das Unternehmen habe Zugeständnisse gemacht, dass Widersprüche gegen die Veröffentlichung von Gebäuden im Internet eingelegt werden können. Dennoch gebe es noch Gesetze, die dieses verhindern. Das will Hamburgs Justizsenator Till Steffen (GAL) nun ändern: "Google Street View verletzt Datenschutzrechte permanent und flächendeckend. Deswegen werde ich mich für eine klare gesetzliche Regelung einsetzen."

Auf die 17 Hamburger Datenschützer kommen weitere große Aufgaben zu. Seit Februar hat das soziale Netzwerk Facebook seine Deutschlandzentrale in der Hansestadt. Seitdem sind Caspar und seine Kollegen auch für dieses Internetunternehmen zuständig. Facebook hat 7,5 Millionen Nutzer in Deutschland.