Katja Suding ist die Spitzenkandidatin der FDP. Sie ist das neue, “sexy Gesicht“ der Partei und will mit pragmatischer Politik punkten.
Hamburg. Die "Mitte der Gesellschaft" liegt in Hamburg beinahe außerhalb. So nennt die FDP die Herkunft ihrer Spitzenkandidatin, der Weg dorthin führt die Elbe entlang nach Westen, vorbei am Hügel von Blankenese nach Rissen. In diesem Dörfchen am Stadtrand schließen Boutiquen am Sonnabend um 13 Uhr, durch die ruhigen Straßen laufen Zweitklässler ganz ohne Begleitung ihrer Eltern. Und doch läuft hier nicht alles von selbst. Eine berufstätige Mutter steht vorm Bäcker und erzählt von ihrem anstrengenden Leben.
"Die Wahrheit ist doch, dass man Abends in den Spiegel schaut und dicke Augenringe hat", sagt sie.
Augenringe hat Katja Suding nicht, auf den Plakaten, die sie überall im Stadtgebiet zeigen. Sie strahlt, als würde sie Werbung machen für ihren gelben Friesennerz. Spaßvögel klebten kürzlich ein Preisschild auf eines der Plakate: "Cape: 29,90". So unterscheidet sich die liberale Kampagne kaum noch von den Anzeigen einer Modekette. "Positiv denken" ist die Aussage.
Wer sich für politische Inhalte interessiert, muss die Kandidatin schon persönlich treffen.
Eines vorweg: Auch im wahren Leben suchen neidische Blicke vergeblich Augenringe bei Katja Suding. Die 35 Jahre alte PR-Beraterin, die gerne Sätze beginnt mit "Ich als Mutter" oder "Ich bin schließlich berufstätig", wirkt freundlich-frisch und irgendwie unbekümmert. Sie mag Musik von Bach, sagt sie. Ob sie nun eher Interpretationen von Glenn Gould mag oder von Keith Jarrett, dazu hat sie aber keine Meinung. Bach eben, das reicht doch.
Katja Suding wirkt nicht wie eine, die sich Dinge unnötig kompliziert macht. Geboren in Vechta, besuchte sie eine katholische Mädchenschule. Nicht gerade eine Keimzelle des Liberalismus. Doch Reibungspunkte gab es für die Schülerin offenbar nicht. "Sogar die Nonnen wollten, dass wir uns kritisch mit der Religion auseinandersetzen." Sie studierte Politik- und Kommunikationswissenschaften sowie Romanistik ("Ich brauchte noch ein Nebenfach") in Münster. Urlaub machte sie damals oft in Italien, wo sie auch die Sprache lernte. Ansonsten gönnte sie sich wenig Freizeit, auch nicht für Hochschulpolitik. Sie arbeitete neben dem Studium in der PR-Branche, mit 27 Jahren wurde sie erstmals Mutter. Damit verkörpert sie schnörkellos die Maxime der FDP: dass sich Leistung lohnen müsse. Sie wohnt heute mit ihrem Mann und zwei Kindern in einem Reihenhaus.
Suding fällt nicht mit extravaganten politischen Forderungen auf. Sie spricht von "Pragmatismus, der im Leben der Menschen ankommt": dass Eltern, wenn sie einen Kita-Platz buchen, die Anzahl der Stunden pro Tag variieren wollen und nicht etwa an fünf Tagen für einen Zehn-Stunden-Platz bezahlen müssen, wenn sie den nur an drei Tagen in der Woche brauchen. Sie fordert, jede zweite frei werdende Stelle im öffentlichen Dienst zu streichen, um den Haushalt zu sanieren. Und, das sei ihre radikalste Forderung nach Freiheit, Schulen müssten die Schwerpunkte ihres Unterrichtes eigenständiger setzen dürfen. "Meine zwei Kinder sind sehr unterschiedlich, die brauchen auch unterschiedliche Schulen", sagt sie.
Der "liberale Gedanke" habe ihr eben schon immer gefallen. Beeindruckt hätten sie die friedlichen Demonstrationen der DDR-Bürger 1989. Als Vordenker nennt sie den Soziologen Lord Ralf Dahrendorf, der die "Dinge auf den Punkt" gebracht habe. Was genau, fällt ihr aber gerade nicht ein. Es war auch Dahrendorf, der Intellektuelle als "Hofnarren der Demokratie" bezeichnete, die auf Missstände aufmerksam machen müssten. Der epochale Vordenker trat übrigens aus der FDP aus. Katja Suding ist im Jahr 2006 eingetreten. Und Hoffnarr, das ist nicht ihre Paraderolle.
Gewöhnlich beschreiben Spitzenkandidaten ihre politische Motivation in lauteren Tönen. Parteichef Guido Westerwelle bezeichnete Katja Suding als "Mutbürger": Als Frau, die mitmacht. Als eine, die nicht der Mode folgt, sich von der Politik abzuwenden.
Als es für Suding richtig losging, wollte sie gerade zum Strand. Sie war im Urlaub in Ägypten, als eine SMS kam mit der Nachricht, die schwarz-grüne Koalition sei zerbrochen. Wenige Minuten später war klar, dass sie die neue Spitzenkandidatin werde. Aber kein Grund zur Aufregung, habe sie sich gesagt: Sie kaufte sich einen Latte macchiato, legte sich auf eine Liege und las einen Krimi. Der Wahlkampf werde noch anstrengend genug, dachte sie.
Man darf wohl sagen, dass es steinigere Wege zu Spitzenkandidaturen gab als Sudings. Allerdings hat sie das politische Geschäft auch kennengelernt, ohne im Rampenlicht zu stehen. Sie engagierte sich im FDP-Kreisvorstand Blankenese und wälzte zähe Themen in der Bezirksfraktion Altona. Dafür braucht es Ausdauer und Kompetenz. Das sollten Spötter wissen, die schon vom "Silvana-Koch-Mehrin-Effekt" sprechen: Die blonde FDP-Politikerin schaffte es 2008 ins EU-Parlament. Kritiker sagten, das hätte an ihren attraktiven Plakaten gelegen. Die sollen einige männliche Autofahrer derart abgelenkt haben, dass es zu Auffahrunfällen kam. Aber FDP-Landeschef Rolf Salo bezeichnet Sudings Plakate offen als "Blickfänger". Mit Generalsekretär Christian Lindner ist sie als das neue, sexy Gesicht der FDP bekannt. Katja Suding würde wohl andere Abendkleider tragen, wenn sie das störte. Lindner und Suding sieht man vor gemeinsamen Auftritten schon mal um die Wette schmeicheln, wer nun mehr von wessen Glanz profitiere. Während aber Lindner, ganz Profi, staatsmännisch an klickenden Kameras vorbeischaut, lächelt Suding noch direkt in die Linsen. Das mag nicht ganz professionell sein. Aber sie lächelt auch noch, wenn die Fotografen längst weg sind.
Sicher ist: "KatJA" macht nicht nur Werbung mit positivem Denken.