Der 42 Jahre alte Unternehmer kandidiert auf Listenplatz 13. Vor der Bürgerschaftswahl der nächste Coup von Parteichef Olaf Scholz.
Hamburg. SPD-Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz setzt auf den Schulterschluss mit der Hamburger Wirtschaft. Der Landesvorstand hat am Freitagabend auf Vorschlag von Scholz beschlossen, den Reeder Erck Rickmers auf dem sicheren Platz 13 für die Landesliste zur Bürgerschaftswahl am 20. Februar zu nominieren. Am heutigen Sonnabend stellen 350 Delegierte des SPD-Parteitags die Landesliste auf.
Der 44 Jahre alte Rickmers, der Mitglied der SPD ist, gründete 1998 die E.R. Schiffahrt. Das Unternehmen mit rund 110 Schiffen ist heute eine der weltweit größten Charter-Reedereien für Containerschiffe. Das Museumsschiff "Rickmer Rickmers" im Hafen zeugt von der Familientradition.
Außer Rickmers wird ein zweiter Mann der Wirtschaft auf dem Konvent der einstigen Arbeiterpartei eine zentrale Rolle spielen: Frank Horch, der am Mittwoch als Handelskammer-Präses zurücktrat, weil er als Wirtschaftssenator in einen von Scholz geführten Senat eintreten will. Der parteilose Horch, der nicht auf der SPD-Landesliste kandidiert, wird ein Grußwort an die SPD-Delegierten richten.
Wenn die Sozialdemokraten heute im Congress Center zusammenkommen, dann wird die Stimmung so gut sein wie schon lange nicht mehr. Die SPD ist mit ihrem aktuellen Umfragewert von 43 Prozent in Reichweite einer absoluten Mehrheit. Und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz hat mit seinem Coup, Frank Horch als potenziellen Wirtschaftssenator zu gewinnen, seinen Führungs- und Machtanspruch nach Einschätzung auch vieler Parteifreunde eindrucksvoll untermauert.
Die einst so streitlustigen Sozialdemokraten geben sich in Erwartung des Wahlerfolges betont einträchtig. Selten war ein Landesvorsitzender mächtiger und unumstrittener in der traditionell aufmüpfigen Partei als Olaf Scholz. "Er kann jetzt sogar übers Wasser gehen", sagt ein SPD-Mann aus der zweiten Reihe mit ironischem Unterton.
Üblicherweise beißen sich Spitzenkandidaten eher auf die Zunge als im Vorfeld bestimmte Koalitionsoptionen auszuschließen. Scholz ist sich seiner Sache offensichtlich so sicher, dass er seinen Handlungsspielraum in dieser Frage freiwillig einschränkt. Erst schloss er im Abendblatt-Interview ein Bündnis mit der Linken aus, dann erteilte er am Donnerstag einer Großen Koalition eine Absage.
Auf die jüngste Offerte - das Angebot von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zu Rot-Gelb - will Scholz öffentlich gar nicht eingehen. Die SPD rechne nicht damit, so ist aus dem Scholz-Umfeld zu hören, dass die FDP (laut aktueller Umfrage vier Prozent) den Einzug in die Bürgerschaft schaffe, deswegen stelle sich die Frage nach einer Koalition nicht. Im Übrigen wird der Vorstoß von Westerwelle als PR-Gag im Wahlkampf gesehen. "Es läuft auf Rot-Grün hinaus", sagt SPD-Fraktionschef Michael Neumann.
Die Erwartung eines Wahlerfolges mit der Konsequenz zusätzlicher Mandate hat das übliche Gerangel um die aussichtsreichsten Plätze in den Hintergrund treten lassen. Zwar wurde bis zuletzt an der Landesliste gefeilt, aber es ging mehr darum, ausreichend Frauen zu platzieren. Die Statuten schreiben vor, dass auf fünf Plätzen jeweils zwei Frauen gewählt werden müssen.
Nach Scholz folgen laut Vorstandsvorschlag auf den Plätzen zwei und drei Bürgerschafts-Vizepräsidentin Barbara Duden und Fraktionschef Neumann. Die folgenden Plätze werden von den sieben Kreisverbänden besetzt: Karl Schwinke (Wandsbek), Peter Tschentscher (Nord), Dirk Kienscherf (Mitte), Dorothee Stapelfeldt (Eimsbüttel), Scholz' Ehefrau Britta Ernst (Altona), Christel Oldenburg (Bergedorf) sowie Melanie Leonhard (Harburg).
Die Vorschläge für die folgenden drei Plätze stammen von Scholz: Ver.di-Chef Wolfgang Rose, die Familienpolitikerin Carola Veit und eben der Reeder Rickmers. Ex-Landeschef Mathias Petersen wird voraussichtlich auf Platz 20 kandidieren.
Mit einem sogenannten Verhaltenskodex will die Parteispitze verhindern, dass sich Parteifreunde, die auf einer Liste stehen, einander im Wahlkampf zu viel Konkurrenz machen. "Es muss einerseits vermieden werden, dass die Reihung (der Listen, die Red.), über die die aufstellenden Gremien der Partei entschieden haben, durch welchen Mittelsatz auch immer (Geld, Personal, Werbematerial oder persönliche Ansprache) eines einzelnen Wahlkreis- bzw. Landeslistenkandidaten zulasten eines anderen Kandidierenden verändert wird", heißt es in der zweiseitigen internen SPD-Richtlinie, die dem Abendblatt vorliegt. Andererseits müsse "natürlich das persönliche Profil eines Bewerbers so vermarktet werden, dass er möglichst viele Stimmen von den anderen Parteien auf sich zieht".
Für Manfred Brandt vom Verein "Mehr Demokratie", der das neue Wahlrecht initiiert hat, läuft der Verhaltenskodex "der Intention des Wahlrechts entgegen". Die Bestimmungen seien "unfair für diejenigen, die weiter hinten auf der Liste stehen".