Abendblatt-Redakteur Andreas Dey blickt auf den Bruch der schwarz-grünen Koalition und die Batte um die Schuldenbremse zurück
Hamburg. Politiker, die auf Knopfdruck Stellung beziehen können, die auf jede Frage immer die passende Antwort parat haben, nennt man gemeinhin professionell. In Hamburg war in den vergangenen Tagen die Steigerung von Professionalität zu beobachten - Biegsamkeit, oder wie Politiker auf Knopfdruck ihre Haltung ändern können.
Um diesen Bruch offensichtlich zu machen, muss man nicht weit zurückschauen. Es gab eine Zeit, in der die Koalition von CDU und GAL vielen Beobachtern unheimlich war. So harmonisch, so reibungslos hatte selten ein Bündnis in Hamburg regiert - allen inhaltlichen Differenzen (Stichwort Kohlekraftwerk Moorburg) zum Trotz. Und es gab eine Phase nach den Rücktritten von Bürgermeister Ole von Beust und mehrerer Senatoren, da war die GAL sogar der Fels in der Brandung.
Doch als der Brocken am Sonntag, 28. November 2010, gelöst wurde, brachen alle Dämme. War es noch erwartbar, dass Grüne und Schwarze in den Pressekonferenzen zum Ende der Koalition sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen - die GAL sprach von fehlender Verlässlichkeit und gebrochenen Absprachen, die CDU konterte mit "Flucht" und Verantwortungslosigkeit -, überraschte es doch, wie schnell die neue Lage auch das Handeln der Eben-noch-Partner beeinflusste.
Schon am Montagmorgen funktionierte die CDU-Fraktion ein Symposium zur Haushaltspolitik im Kaisersaal des Rathauses zur ersten Wahlkampfveranstaltung um. "Reine CDU-Finanzpolitik sieht ganz anders aus als eine in einer Koalition verhaftete", betonte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Roland Heintze. Die CDU wolle die Schuldenbremse nicht abschaffen - "seit gestern noch weniger", so Heintze. Die ab 2013 geltende Selbstverpflichtung der Stadt, keine Schulden mehr zu machen, war innerhalb der Koalition umstritten. Auch Finanzsenator Carsten Frigge setzte an seinem vorletzten Arbeitstag eineSpitze in Richtung GAL. Der Hamburg-Pavillon auf der Weltausstellung in Shanghai habe neun Millionen Euro gekostet. "Und jetzt kostet es noch mal neun Millionen, ihn wieder abzubauen. 18 Millionen, die man auch für etwas anderes hätte ausgeben können - oder gar nicht."
Damit hing die Zielscheibe: Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL), streng genommen da schon Ex-Senatorin, denn alle grünen Senatsmitglieder waren eine Stunde zuvor von Bürgermeister Christoph Ahlhaus entlassen worden. Noch bevor die GAL-Fraktion sich am Montagabend für Hajduk als Spitzenkandidatin aussprach, wurden die Angriffe heftiger. Auch das Thema Umwelthauptstadt habe ihre Behörde versiebt, wurde aus CDU-Kreisen gestreut. So sei die Präsentation des "Green Capital"-Programms im September geradezu peinlich gewesen, meinte ein CDU-Politiker und führte als Beispiele an: "Kein Wort von der Stadtbahn. Und dann war ein Experte aus Potsdam eingeladen, der allen Ernstes riet, auf der Alster Null-Emissions-Schiffe fahren zu lassen - dabei gibt es davon schon zwei."
Ohne Vorwarnung, und damit im Stil des Koalitionsbruchs durch die GAL, verkündete Ahlhaus am Dienstag den Planungsstopp für die Stadtbahn - auch ein Projekt der ehemaligen Hajduk-Behörde. Im Abendblatt-Interview hielt der Bürgermeister der Ex-Senatorin schließlich vor, für nahezu alle Probleme der Koalition verantwortlich gewesen zu sein: Eis-Chaos im Winter, schleppende Schlaglochbeseitigung, schlechte Baustellenkoordinierung und sogar den Wohnungsmangel in der Stadt - obwohl das Thema in neun Jahren CDU-Regierung konsequent vernachlässigt worden war.
Ausgerechnet Hajduk. Abgesehen von der wichtigen Haushaltskonsolidierung waren nahezu alle Themen, mit denen Schwarz-Grün noch hätte punkten können, bei ihr angesiedelt: Umwelthauptstadt 2011, Stadtbahn, Rückkauf der Energienetze oder Verkehrsprojekte wie die Elektro-Smarts oder das Autoleihsystem Car to go - Letzteres hatten Hajduk und Ahlhaus schon in seiner Zeit als Innensenator sogar gemeinsam initiiert.
Die wahre Qualität ihres Verhältnisses war am Sonntag ein letztes Mal kurz aufgeblitzt. Nachdem die Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch die CDU über das Aus der Koalition informiert hatte, machte Ahlhaus spontan noch einen Anruf - bei Hajduk. In dem kurzen Gespräch bestätigte sie das Aus: Die Stabilität des Bündnisses sei nicht mehr gegeben. Ende einer Politehe.
Neue Töne gab es auch in Richtung Linkspartei. Hatte sich Ole von Beust in der Bürgerschaft noch jovial zu Joachim Bischoff auf die Lehne gesetzt oder sich mit Fraktionschefin Dora Heyenn zum Gespräch zurückgezogen, warnte Ahlhaus jetzt davor, dass im Falle von Rot-Rot-Grün "Kommunisten" ins Rathaus einziehen würden.
Der verzweifelte Versuch, die politischen Gegner zu diskreditieren, worauf diese aber kaum eingehen (siehe Interview Seite 9), ist auch dem fehlenden Thema der CDU geschuldet. Fast alles, was gut zu verkaufen gewesen wäre, ist mit den Grünen abhandengekommen. Und so beschränkt sich Ahlhaus nun drauf, sich als "Kümmerer" zu präsentieren. Kostprobe: "Draußen schneit's, es ist kalt, und ein Bürgermeister muss sich darum kümmern."
Wehe, der Schnee taut.