“Der Bürgermeister hat manchmal nicht begriffen, was wirklich wichtig ist.“ Der Fraktionschef der GAL nennt weitere Gründe, die zum Bruch führten.
Hamburg. Eben noch haben sie zusammen regiert, nun fallen sie übereinander her. Was derzeit zwischen den einstigen Koalitionspartnern GAL und CDU passiert, ist nach dem Bruch eines Bündnisses erwartbar. Dennoch überrascht die Heftigkeit des Streits.
"Es gab keine Arbeitsfähigkeit und keine Verlässlichkeit mehr mit dem Koalitionspartner. Die Regierung funktionierte nicht mehr", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. "Bürgermeister Ahlhaus hat manchmal nicht begriffen, was wirklich wichtig ist", sagte der GAL-Politiker. Der Bürgermeister habe sich nicht ausreichend bemüht, die Koalition zusammenzuhalten. "Er hatte Interesse an anderen Dingen."
Ahlhaus wies die Vorwürfe nach der CDU-Fraktionssitzung gestern Abend mit der gleichen Empörung zurück. Die GAL habe ein Wahrnehmungsproblem. "Es gebührt der Anstand, nach zweieinhalb Jahren guter Zusammenarbeit, dass man miteinander darüber spricht, wenn man ein Problem mit dem Partner hat", sagte der Bürgermeister. Genau das sei aber nicht geschehen. Stattdessen hätten die Grünen die Berufung von Rüdiger Kruse als Nachfolger des zurückgetretenen Finanzsenators Carsten Frigge (beide CDU) als "Entlastung für die Koalition" bezeichnet.
Die Grünen sehen dagegen eine Reihe von internen Abstimmungsproblemen, auf die sie jeweils auch hingewiesen hätten. Für besondere Empörung bei Kerstan sorgte eine Senatsdrucksache mit dem Titel "Kategorisierung der Beteiligungen", die Carsten Frigge (CDU) noch als Finanzsenator in die Behördenabstimmung gegeben hatte. Dabei ging es um die öffentlichen Unternehmen und die Hamburger Beteiligungen an Unternehmen. Nach Angaben Kerstans enthielt die Frigge-Drucksache einen Passus, wonach alle zehn Jahre bei allen Unternehmen überprüft werden solle, ob sich die Stadt von ihnen trennen könne.
"Das ist eine unglaubliche Provokation und eine dramatische Kehrtwende auch der bisherigen CDU-Politik", sagte Kerstan. So habe die Union bislang stets betont, dass das Wohnungsbauunternehmen Saga/GWG zu 100 Prozent in städtischem Besitz bleibe. Das gleiche gelte für Hamburg Wasser. Die GAL hatte erst vor Kurzem die Gründung des städtischen Energieversorgers Hamburg Energie im Bündnis durchgesetzt.
Kerstan sprach Ahlhaus auf den Frigge-Vorgang an. "Der Bürgermeister kannte die Drucksache nicht. Ebenso Senatskanzlei-Staatsrat Detlef Gottschalck", kritisierte Kerstan. Der Vorwurf: Bei der CDU weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. "So kann man die zweitgrößte Stadt Deutschlands nicht regieren", sagte der GAL-Fraktionschef. GAL-Fraktionsvize Antje Möller sprach von "Missmanagement".
Die beiden Grünen nannten zwei weitere Beispiele, bei denen das Miteinander ihrer Ansicht nach nicht mehr funktioniert habe. Nur durch einen Zufall hätten die Grünen davon erfahren, dass Innensenator Heino Vahldieck (CDU) gegenüber Nordrhein-Westfalen seine Zustimmung zum Transport eines Castor-Behälters über den Hamburger Hafen gegeben habe. "Dabei gab es einen Koalitionsbeschluss, genau das nicht zu erlauben", empörte sich Möller. Erst ein Hinweis aus der NRW-Grünen-Fraktion habe sie auf die Spur gebracht. Allerdings, so Möller, habe Ahlhaus daraufhin Vahldieck angewiesen, das Nein Hamburgs zum Transport über den Hafen zu übermitteln.
Schließlich hätten die Finanz- und die Wirtschaftsbehörde den Koalitionsbeschluss unterlaufen, Optionskommune im Rahmen der Arge zu werden. "Bis zum Rücktritt von Ole von Beust war alles klar. Danach galt die Absprache plötzlich nicht mehr", sagte Möller.
Ahlhaus ging nicht direkt auf die Vorwürfe ein. "Wir sind empört darüber, dass Vorwurfslagen im Raum stehen, die mit den Tatsachen nichts zu tun haben." Er werde sich an solchen Kampagnen nicht beteiligen.
"Ich habe kein tragfähiges Argument für den Bruch der Koalition gehört", so Ahlhaus. "Ich habe nach wie vor den starken Verdacht, dass es mehr dem Machtkalkül geschuldet ist." Die Koalition habe erfolgreich, verlässlich und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Das hinderte Ahlhaus allerdings nicht, der GAL Flucht aus der Verantwortung vorzuwerfen.
"Dieser Vorwurf ist völlig absurd", konterte die designierte GAL-Spitzenkandidatin Anja Hajduk. "Ich habe viele Senatoren weglaufen sehen, und das waren ausnahmslos CDU-Senatoren."
Besonders kritisch sehen die Grünen die Rolle von CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira. Er hatte sich gegen den zuvor von Schwarz-Grün befürworteten Grundlagenvertrag mit den muslimischen Vereinen und ein neues Schulnotensystem aus dem Haus von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) ausgesprochen. "Ich bin erstaunt, dass sich ein Bürgermeister so wenig gegen einen Partei- und Fraktionschef durchsetzen kann", so Kerstan.