Im Abendblatt-Interview äußert sich Hamburgs Grünen-Chefin Katharina Fegebank zur Entfremdung im Regierungsbündnis mit der CDU.

Hamburg. Die GAL-Landeschefin Katharina Fegebank zieht vor der Zukunftskonferenz am Sonntag eine kritische Bilanz zum Zustand der schwarz-grünen Koalition. Seit dem Rücktritt Ole von Beusts wirke "alles etwas zäh und holprig". Fegebank warnt die CDU davor, sich vom Koalitionsvertrag zu entfernen , etwa bei der Stadtbahn.

Hamburger Abendblatt:

Fast jeden Tag gibt es neue Vorwürfe gegen HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher oder Finanzsenator Carsten Frigge. Müssen die Grünen Personen aus Koalitionsräson verteidigen, mit denen sie eigentlich nichts am Hut haben?

Katharina Fegebank:

Ich nehme die Grünen gerade alles andere als verteidigend wahr. Wir haben deutlich gemacht, dass das Fass bei der Personalie Nonnenmacher kurz vorm Überlaufen steht und Aufklärung eingefordert. Unsere Geduld ist fast am Ende.

Ist der Finanzsenator noch zu halten?

Fegebank:

Bürgermeister Ahlhaus hat sich entschieden, an Herrn Frigge festzuhalten. Die neuen Vorwürfe hinsichtlich der Verstrickung seiner Firma C4 mit dem HSH-Miteigentümer J.C. Flowers konnte Frigge entkräften. Was das Ermittlungsverfahren zu seinen früheren Aktivitäten in Rheinland-Pfalz angeht, warten wir das Ergebnis ab.

Nach den harmonischen zwei Jahren mit Ole von Beust werden nun häufiger unterschiedliche Standpunkte zwischen CDU und GAL deutlich. Was hat sich in der schwarz-grünen Koalition geändert?

Fegebank: Bedingt durch die personellen Wechsel und das Bestreben beider Partner, sich wieder auf das eigene Profil zu konzentrieren, sind wir jetzt an dem Punkt, die Dinge, die vorher in der Abstimmung glatt liefen, stärker auszuhandeln. Aber nur weil der Motor mal stottert, heißt das nicht, dass der Wagen stehen bleibt oder schrottreif ist.

Fehlt Ole von Beust?

Fegebank:

Es war mit ihm ein runderes Zusammenspiel. Vielleicht war auch das Miteinander ein anderes. Ich sehe aber auch jetzt, dass man bemüht ist, an Fachinhalten festzuhalten und Kompromisse zu erkämpfen. Es wirkt allerdings alles etwas zäh und holprig.

Der GAL scheint das Bündnis nicht so gut zu bekommen. Die Umfragewerte im Bund liegen bei 20 Prozent plus x, hier dümpelt die GAL bei unter 10 Prozent.

Fegebank:

Die schwarz-gelbe Bundesregierung bietet fast täglich Steilvorlagen für zugespitzte Oppositionsarbeit. Wir Grünen sind die Nutznießer, weil das zentrale Bundesthema die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist. Das ist ein klasse Kampagnenthema, und die Grünen vertreten das am glaubwürdigsten. Und der Protest gegen Stuttgart 21 führt auch Wechselbewegungen aus dem bürgerlichen Lager zu uns.

Warum profitiert die GAL nicht davon?

Fegebank:

Dort, wo die Werte für uns durch die Decke gehen, sind wir in der Opposition oder nicht im Parlament. In Hamburg lagen die Werte zuletzt immer zwischen neun und 13 Prozent - unabhängig davon, ob wir in der Regierung oder in der Opposition waren. Vor dem Hintergrund, dass wir Entscheidungen treffen müssen, die bei unserer kritischen Klientel Unverständnis auslösen, ist das ein guter Ausgangswert.

Also: Regieren lohnt sich nicht?

Fegebank:

Inhaltlich lohnt es sich, weil wir ja auch etwas verändern. Aber es ist schwer, immer wieder zu begründen, warum es sich lohnt und was wir noch vorhaben. Das macht uns im Augenblick ganz kirre.

War es falsch, auf große Projekte wie die Primarschule und die Verhinderung des Kraftwerks Moorburg zu setzen?

Fegebank:

Die Art, Politik zu machen, wird sich für uns Grüne grundlegend ändern. Wir erleben, wie schwierig es ist, unsere großen ehrgeizigen Zukunftsentwürfe - teilweise auch Wahlversprechen wie das Aus für Moorburg - umzusetzen. Jetzt brauchen wir eine innerparteiliche Debatte. Die starten wir am Sonntag mit einer Zukunftskonferenz mit den Themen Stadtentwicklung, Umwelt, Bildung und Volksabstimmungen. Kern der Auseinandersetzung wird sein, ob wir uns künftig eher an Werten und Leitlinien grüner Politik orientieren oder weiter Großprojekte versprechen, die eventuell nicht umzusetzen sind.

Heißt das Motto jetzt: Small is beautiful?

Fegebank:

Green is beautiful. Man kann grüne Politik machen, ohne die richtig großen Leuchttürme im Wahlkampf zu versprechen. Zwar müssen wir weiter visionär sein, uns als Vorreiterpartei bei gesellschaftlichen Entwicklungen begreifen. Aber ich werde vor Wahlen zukünftig nicht mehr versprechen, dass wir ein bestimmtes Projekt durchsetzen. Das heißt nicht, dass ich den Pfad der Beliebigkeit gehen will. Aber die Welt ist kompliziert. Viele Prozesse sind zäh. Es gibt Veto-Spieler. Jetzt kommen auch noch die Volksentscheide dazu. Deshalb müssen wir wegkommen von Wahlversprechen, hin zu konkreten Vorstellungen.

Was wollen Sie beim Stadtbahn-Protest besser machen als in der Schul-Debatte?

Fegebank:

Es gibt viele, die diese Stadtbahn wollen. Hochbahn-Chef Elste etwa. Auch die Menschen in Steilshoop und Bramfeld. Jetzt geht es darum, Verbündete zu finden - jenseits der ideologischen Debatte. Das ist schwierig. Denn wir sehen in den zahlreichen Bürgerbegehren, die sich überall in der Stadt breitmachen, dass oftmals das Eigeninteresse vor dem Gemeinwohl steht. Das sehe ich in der Tat kritisch.

Wie verlässlich ist die CDU beim Thema Stadtbahn?

Fegebank:

Ich hoffe, dass sie ein sehr verlässlicher Koalitionspartner ist.

Weil, sonst ...

Fegebank:

Sonst gibt es Probleme ...

Wäre das das Ende der Koalition?

Fegebank:

Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn sich die CDU von der Stadtbahn distanzieren würde, würde sie sich von dem Koalitionsvertrag distanzieren. Welche Konsequenzen das dann hätte, würden wir dann sehen.

Stichwort Wahlen: Gibt es einen Fahrplan für die Spitzenkandidatur?

Fegebank:

Wir stehen zunächst vor einer riesigen Herausforderung, was die inhaltliche Debatte in der Partei betrifft. Wir fangen mit der Zukunftskonferenz an. Danach betreten wir mit einem Online-Beteiligungsprozess völlig neues Terrain, an dem sich alle 1500 Mitglieder beteiligen können. Das ist für uns ein Experiment. Aber sicher werden wir danach über das Personal reden. Da haben wir ein gutes Angebot.

Reizt Sie diese Aufgabe?

Fegebank:

Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Ich mache den Job als Landesvorsitzende ganz gern.

Hält die Koalition bis 2012?

Fegebank:

Ich lege meine Hand dafür nicht ins Feuer. Aber wir sind für vier Jahre gewählt. Nach einem diskussionsfreudigen Sommer haben wir uns für die Fortsetzung der Koalition entschieden. Jetzt habe ich keine Lust und sehe auch keinen Sinn darin, jeden Tag herumzustochern und zu bewerten, wo die Sollbruchstelle liegt. Wenn sie da ist, ist sie da, und wird von allen erkannt. Wenn sie nicht kommt, und das hoffe ich, dann wird es weiterlaufen. Im Moment kann niemand sagen, ob die Koalition hält.