Viele Parteifreunde, aber auch Weggefährten von GAL und FDP sehen die Erinnerungen des Ex-Bürgermeisters mit kritischen Augen.
Hamburg. "Mutproben" nennt der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seine Erinnerungen - und spielt damit auf Ereignisse seiner politischen Laufbahn an. Dass auch etwas Mut dazu gehört, ein Buch über die eigene Amtszeit zu verfassen, zeigen die Reaktionen früherer Weggefährten auf die vorab im Abendblatt veröffentlichten Auszüge. Einige Parteifreunde verbitten sich Ratschläge eines politischen Ruheständlers und wollen das Werk nicht lesen. Andere wundern sich nur über Passagen, sind aber auf das Buch gespannt, das am 17. April erscheint.
Vor allem von Beusts Aussage, er hätte die umstrittene Primarschule schon zu Zeiten der CDU-Alleinregierung (2004 bis 2008) einführen sollen, habe aber erst in der Koalition mit der GAL ab 2008 die Chance dazu gesehen, befremdet viele Beobachter. "Dass Ole von Beust schon vor der Koalition mit den Grünen ein Anhänger der Primarschule war, habe ich so nicht wahrgenommen", sagt der CDU-Schulexperte Robert Heinemann. "Jedenfalls hat er es in Partei und Fraktion nie thematisiert. Es hat die damalige Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig und mich schon sehr viel Überzeugungsarbeit gekostet, das Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule in der Partei und auch gegenüber der Senatskanzlei durchzusetzen."
Heinemann will das Buch aber lesen. "Für mich ist es als Abgeordneten, der an vielen Vorgängen beteiligt war, interessant zu erfahren, wie Ole von Beust die Dinge schildert."
Der Harburger CDU-Kreisvorsitzende Ralf-Dieter Fischer will sich das Werk hingegen nicht kaufen. "Ich halte nichts davon, dass ehemalige Politiker uns mithilfe von Ghostwritern Ratschläge erteilen." Er habe noch Aufkleber aus dem Wahlkampf 2008, sagte Fischer. "Da stand drauf ,Wir retten das Gymnasium'. Ole von Beust stand hinter dieser Kampagne. Wenn er jetzt sagt, er war schon immer anderer Meinung, ist das merkwürdig."
Die frühere Schulsenatorin und Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch (GAL), die wie keine Zweite für die Idee des längeren gemeinsamen Lernens geworben und schließlich auch der CDU ein Zugeständnis zur Primarschule abgerungen hatte, kommentierte die Beust-Erinnerungen augenzwinkernd: "Herr von Beust hat damals wohl sehr aufmerksam die Beiträge der GAL zur Bildungspolitik verfolgt, das hat Wirkung gezeigt." Dass der Ex-Bürgermeister nun aus dem Nähkästchen plaudert, sieht Christa Goetsch gelassen: "Jeder hat seine Art, mit Erinnerungen umzugehen."
Auch Frank Schira, heute Vizepräsident der Bürgerschaft und unter von Beust Fraktionschef und später auch Parteichef der CDU, erfährt nach eigener Aussage erstmals, dass der ehemalige Bürgermeister bereits früh mit der Primarschule geliebäugelt hat. "Das war mir vorher nicht bekannt."
Anders verhält es sich mit der Darstellung, wie von Beust und Ronald Schill zueinanderfanden, aber auch, wie es zum Bruch kam. "Vieles war nicht mehr so präsent, aber beim Lesen kommen die Erinnerungen wieder", sagte Schira. So habe ihm der damalige CDU-Fraktionschef Michael Freytag kurz vor der legendären Pressekonferenz von dem Rauswurf Schills berichtet. Diesen und die späteren Neuwahlen bezeichnet Schira als mutig. "Ole von Beust holte die absolute Mehrheit. Das hätte auch ganz anders ausgehen können."
Viviane Spethmann, Justizexpertin der CDU-Fraktion, findet es ebenfalls "amüsant", Beusts Schilderungen der alten Vorgänge zu lesen. Gute Erinnerungen habe sie vor allem an seine "sympathisch-leichte Art" des Regierens. "Er hatte einfach ein Gespür dafür, was die Menschen in Hamburg bewegt."
Bei vielen CDU-Mitgliedern ist spürbar, dass sie gegen ihre einstige Lichtgestalt nicht nachtreten wollen, obwohl sie bei Weitem nicht mit allen seinen Entscheidungen einverstanden waren und auch nicht alles gutheißen, was er jetzt in Buchform veröffentlicht - etwa die Forderung nach einer europäischen Transferunion und Euro-Bonds. "Von Beust stellt unter Beweis, dass er sich auch abseits der ausgetretenen Pfade bewegt und Überzeugungen vertritt, die sich nicht mit der Mehrheitsmeinung der CDU decken", sagte Fraktionschef Dietrich Wersich. Ein weiteres Beispiel sei von Beusts Forderung nach einer doppelten Staatsbürgerschaft. "Das Buch soll eine Diskussion anstoßen", sagte Wersich, "und das wird gelingen."
Wieland Schinnenburg (FDP), Vizepräsident der Bürgerschaft und schon 2001 Mitglied der CDU/Schill/FDP-Koalition: "Ich habe von Beust 2001 noch aus Überzeugung zum Bürgermeister gewählt. Das würde ich heute nicht mehr tun." Der Ex-Bürgermeister zeige sich trotzig. "Die Bürger stimmen im Volksentscheid gegen die Einführung der Primarschule, und von Beust gibt sich unbelehrbar." Schinnenburg bezeichnet von Beust als "Softsozialist": "Der von ihm geführte Senat beklagte ständig die Zahlungen Hamburgs in den Länderfinanzausgleich, jetzt will von Beust Eurobonds, die noch leistungsfeindlicher sind."