Sachverständiger entlastete Hochtief nach Rissen in Elbphilharmonie. Jetzt kommt heraus: Er arbeitete früher selbst für den Baukonzern.

HafenCity. Jetzt wird auch der Streit um die Gutachter im Konflikt zwischen der Stadt und dem Konzern Hochtief beim Bau der Elbphilharmonie immer heftiger.

Hochtief hatte, wie berichtet, einen juristischen Punktsieg erlangt, als ein Gutachter in einem sogenannten selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Hamburg im Streit um Risse in der Wandverkleidung der 85 Meter langen Rolltreppe zu dem Ergebnis gekommen war: Die Ursache des 660 000-Euro-Schadens ist zu 90 Prozent ein Planungsfehler - und nur zu zehn Prozent ein Ausführungsmangel des Nachunternehmers von Hochtief.

Nun hat die Gegenseite, die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron sowie die städtische ReGe, vier Wochen Zeit, um dem Gericht ihre Einwände gegen das Gutachten vorzutragen. Für viele Beobachter war es richtungsweisend für mögliche kommende Verfahren. Nur: Wie neutral ist der Gutachter, der zu diesem für Hochtief so positiven Ergebnis gekommen ist?

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Dem Abendblatt liegt ein Schreiben der Anwälte des Schweizer Generalplaners vom Juni 2011 an das Landgericht Hamburg vor, in dem sie "Bedenken hinsichtlich der Unbefangenheit des Sachverständigen" äußern. Sie kritisieren die Nähe des Sachverständigen zur Antragstellerin, dem Baukonzern Hochtief. In dem Schreiben heißt es: Der Gutachter "ist ca. 10 Jahre in leitender Position beruflich bei der Antragstellerin tätig gewesen". Danach sei der enge Kontakt nicht "etwa abgerissen", sondern fortgesetzt worden. Ein von dem Sachverständigen geführtes Projekt erhielt "eine Zuwendung in Höhe von DM 320 000 von der Hochtief AG".

Auch nach dem Ausscheiden des Professors aus dem Universitätsbetrieb 2009 sei der Sachverständige "mit der Antragstellerin wirtschaftlich bzw. finanziell verbunden geblieben". Im Rahmen seiner Namen gebenden Mitinhaberschaft an einer Ingenieurgemeinschaft "ist er bereits in der Vergangenheit mit der Anfertigung mehrerer Privatgutachten für die Antragstellerin beauftragt worden".

Die Juristen des Generalplaners äußerten deshalb "die begründete Sorge, dass sich der Sachverständige der Sache nicht völlig unvoreingenommen nähern wird". Hochtief-Sprecher Bernd Pütter bestätigte gegenüber dem Abendblatt die Fakten: "Der Sachverständige war bis 1989, also bis vor 23 Jahren, Leiter der Qualitätssicherung bei Hochtief. Er übernahm danach eine Professur an der TU Berlin."

Dass er vor langer Zeit mal bei Hochtief gearbeitet habe, so Pütter, "hat er dem Landgericht schriftlich am 1. Mai 2011 mitgeteilt". Das Gericht habe ihn "wegen seines großen Fachwissens und der Tatsache, dass die Tätigkeit bei Hochtief lange zurückliegt, als Gutachter zugelassen". Außerdem unterstütze Hochtief seit vielen Jahrzehnten Forschungsvorhaben im Bauwesen. "Wir haben gemeinsam mit anderen Unternehmen auch Forschungsaufträge der TU Berlin gefördert, zum Beispiel zur 'Festen Fahrbahn' bei Bahnstrecken oder zu ,Rissen in Kühltürmen', sagte Pütter.

Sorgte sich das Landgericht trotz der Hinweise der Anwälte nicht um die Neutralität des Sachverständigen? Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn: "Antragstellerin und Antragsgegner des selbstständigen Beweisverfahrens waren einig, dass der Sachverständige das Gutachten erstatten sollte. Seitens der aufseiten der Antragstellerin dem Verfahren beigetretenen Streithelfer sind zwar Bedenken gegen den Sachverständigen geäußert worden. Da Streithelfern jedoch prozessual kein Ablehnungsrecht entgegen dem ausdrücklichen Willen der von ihnen unterstützten Partei zusteht, hat der Sachverständige das Gutachten erstattet."